Basels Gegner setzen auf den falschen Mann

Oskar Kämpfer, Präsident der Baselbieter SVP, übernimmt die Führung im Kampf gegen eine Fusion der beiden Basel. Und versucht, eine Baselbieter Ikone für seine Zwecke einzuspannen. Ein ziemlich fragwürdiger Versuch.

Stephan Gutzwiller.

Oskar Kämpfer, Präsident der Baselbieter SVP, übernimmt die Führung im Kampf gegen eine Fusion der beiden Basel. Und versucht, die Baselbieter Ikone Stephan Gutzwiller für seine Zwecke einzuspannen. Ein ziemlich fragwürdiger Versuch.

So, jetzt wird es wirklich ernst im Kampf um die Fusion der beiden Basel. Nach den Befürwortern formieren sich auch die Gegner. Am kommenden Mittwoch wird die Gründung des «Komitee für ein selbständiges und eigenständiges Baselbiet» zelebriert. In Therwil, beim Denkmal für Stephan Gutzwiller. Präsident wird Oskar Kämpfer, Chef der Baselbieter SVP.

Bei der Feier wird er wahrscheinlich sehr viel von Gutzwiller, dem Revoluzzer reden, von Gutzwiller, dem Initianten der legendären Bubendörfer Versammlung, dem Verfasser der dort – auf dem «Baselbieter Rütli» – verabschiedeten Bittschrift an die Herren der Stadt. Und von Gutzwiller, dem ersten Präsidenten einer Baselbieter Regierung.

Nur ein Teil der Wahrheit

Das stimmt zwar alles, ist aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Der Rest von Gutzwillers Geschichte passt einem SVP-Politiker wie Kämpfer wahrscheinlich weniger.

Das fängt an bei der Geburt des grossen Staatsgründers im November 1802: Da kommt nicht etwa ein prächtiges kleines Schweizerlein auf die Welt, an dem eine vaterländische Partei wie die SVP heute noch so richtig Freude haben könnte. Nein, der kleine Steph‘ ist Franzose, weil das Birseck damals zum Département Haut-Rhin gehörte. Und auch als Stephan schon etwas grösser ist, mag er alles Französische noch immer sehr, Sprache, Literatur, Lebensart.

Gutzwiller ist ein Mann von Welt. Ein echter Europäer, lange vor der EU. Auch das wird man am Mittwoch nicht unbedingt gross betonen. Schreiben kann mans dennoch. Also: Gutzwiller studiert in Würzburg, Heidelberg und – auch das noch – in Basel. Dort lanciert er seine Karriere, beruflich als Anwalt und Notar, politisch als Grossrat.

Gegen die Reaktionäre

Die Julirevolution in Paris 1830 fasziniert ihn. Und sie treibt ihn weiter an. Gutzwiller verlangt die politische Gleichstellung der Landschäfter mit den Stadtbürgern. Er will keinen Bruch, aber Gerechtigkeit und Fortschritt. Die Herren in Basel sind aber nicht forschrittlich, sondern reaktionär. Sie können nicht umgehen mit den neuen Ideen und dem neuen Selbstbewusstsein der Landschäfter. Ihre Gegenwehr ist masslos übertrieben.

So wird Gutzwiller wider Willen zum Revoluzzer und zum Kriminellen. Das Basler Strafgericht verurteilt ihn in Abwesenheit zu sechs Jahren Kerker. Wieder mal typisch, ein Ausländer, der kriminell wird, könnte man als SVP-ler dazu sagen. Wahrscheinlich wird man aber auch das sein lassen am nächsten Mittwoch.

Jesus von Therwil

Vielleicht ist diese Episode ja aber auch gar nicht so wichtig. Weil nach einem kurzen Krieg und der Kantonstrennung 1832/33 aus Gutzwiller plötzlich wieder ein geachteter Staatsmann wird. Beim Aufbau des neuen Kantons spielt er eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Rolle. Gutzwiller schaut für den neuen Staat – und für sich. Beiden verschafft er viel Geld, in seiner Funktion als Agent der Saline Schweizerhalle. Das machte den Helden von einst aber auch unbeliebt. In Schmähschriften wurde der «Jesus von Therwil» plötzlich als «falscher Prophet» diskreditiert.

Das wiederum passt nun eigentlich bestens zur SVP, der Partei der Grossunternehmer und Banker. Offen sagen darf man das als Parteimitglied allerdings auch nicht. Weil sich die SVP als Partei des kleinen Mannes und der kleinen Frau verkaufen will. Als Partei, die für ihre Rechte kämpft. Und möglichst viel Demokratie, nicht wie Gutzwiller, der dem Parlament und der Regierung mehr Gestaltungsspielraum geben wollte und auch darum stark angefeindet wurde, vor allem von den direkt-demokratischen Kreise um Emil Remigius Frey.

Stephan Gutzwiller – eine passende Symbolfigur also für das Komitee unter SVP-Kämpfer?

Na ja, sagt der SVP-Präsident: «Es ist uns natürlich auch bewusst, dass Gutzwiller Basel gegenüber offen war.» Aber wichtiger ist anscheinend, dass Gutzwiller Therwiler war und das Komitee in diesem Gebiet, dem wählerstärksten Bezirk im Kanton, punkten will. Das Oberbaselbiet hat das Komitee ohnehin schon auf seiner Seite, glaubt Kämpfer.

Nun soll der Therwiler Jesus auch noch das Unterbaselbiet bekehren. Egal, für welche Lehre er wirklich stand.

 

Noch keine Namen
Im «Komitee für ein selbständiges und eigenständiges Baselbiet» werden nicht nur SVP-Politiker dabei sein, sondern auch Vertreter anderer Parteien – von der FDP und der CVP vor allem. Und auch «Kulturschaffende» seien mit dabei. Das sagte Kämpfer auf Nachfrage der TagesWoche. Namen wollte er allerdings noch keine nennen. Kein Geheimnis ist dagegen, dass die Gründung am nächsten Mittwoch um 11.30 beim Denkmal von Stephan Gutzwiller stattfindet.

 

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