Die Gutachter des Ärztlichen Begutachtungsinstituts Basel (ABI) schätzten die Arbeitsfähigkeit der Patienten um bis zu 50 Prozent höher ein als die Gesuchssteller selber oder die behandelnden Ärzte. Zu diesem Resultat kommt eine Studie, welche das Institut für Epidemiologie und Biostatistik am Montag veröffentlichte.
Die Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) lässt die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen in rund 10 Prozent aller Fälle von sogenannten Medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) feststellen. Dabei handelt es sich vorallem um Beschwerden des Bewegungsapparats und psychiatrische Diagnosen. Die Forscher überprüften während vier Jahren insgesamt 3’463 Gesuche des Basler Begutachtungsinstituts.
Möglicher Interessenskonflikt
Gemäss den Forschern unterscheiden sich die Beurteilungen der Gutachter insbesondere bei körperlichen Beschwerden wie Müdigkeit, Erschöpfung oder Schmerzsymptomen deutlich von den Einschätzungen der Betroffenen und der behandelnden Ärzten. Die Arbeitsfähigkeit für eine angestammten Tätigkeit des Gesuchstellers stuften die Gutachter um knapp 30 Prozent höher ein, für eine dem Leiden angepasste Ersatztätigkeit um 50 Prozent.
Für diese unterschiedliche Einschätzung kommen verschiedene Gründe in Frage, schreiben die Forscher. Sie gehen davon aus, dass Gesuchsteller und deren Ärzte stärker psychosoziale und persönliche Umstände berücksichtigen. Ausserdem könne die Bezahlung der Gutachter durch die IV ein Interessenkonflikt sein, der eine härtere Begutachtung der Arbeitsfähigkeit begünstige.
Die Gutachten der MEDAS-Stellen gerieten in den vergangenen Jahren zunehmend in Kritik. Ärzte aus dem Ausland stellten trotz fehlender Bewilligung Gutachten aus. Zudem wird immer wieder die Unabhängigkeit der Gutachtungsinstitute angezweifelt. Vor einigen Jahren wurden zudem Vorwürfe gegen das ABI laut, es würde Gutachten zu Ungunsten der Patienten abändern.