Der Wunsch nach einer starken Hand wird von der SVP konsequent geschürt. Doch gegen urschweizerische Prinzipien wie Kompromiss, Ausgewogenheit und Verhältnismässigkeit haben absolutistische Erlöserfantasien keine Chance.
Batman kommt aus Amerika. Er ist eine Erfindung aus dem Jahr 1939, einem Jahr, in dem Rettungsträume vielleicht besonders gefragt waren. Der Erfolg dieser Figur lässt sich aber nicht aus dem speziellen Entstehungsmoment erklären. Er beruht auf einem stets gegebenen Bedarf.
Seiner Natur nach macht Batman sich zwar jeweils aus eigenem Antrieb auf den Weg, um das Böse in der Welt zu bekämpfen. Aber seien wir ehrlich: Wir sind es, die den Retter in unseren Hoffnungsphantasien anrufen, damit er – scheinbar von sich aus – mit seinem flatternden Mantel abhebt und interveniert.
Für uns jedoch soll der Fledermausmann nur Ausgangspunkt für die Frage sein, was wir unter welchen Umständen von einer höheren Instanz erwarten, die wie ein antiker Deus ex machina ins menschliche Theater hinunterfährt und da die Probleme löst, die sich während des Stücks angehäuft haben. Es geht ja nicht wirklich um ihn, sondern eben um die Frage, welche Erwartungen wir an Retter- und Erlöserfiguren, auch gegenüber Institutionen und vielleicht gegenüber uns selber haben. Was wir erwarten, mag individuell variieren, es ist zum Teil aber auch durch die politische Kultur geprägt.
Das helvetische System sorgt dafür, dass der Bundesrat keine «zu grossen Sprünge» macht.
Es entspricht nicht der schweizerischen Kultur, von der obersten Regierung rettende Interventionen zu erwarten. In der Nazizeit gab es zwar ein paar Eidgenossen, die von einem gesamtschweizerischen Landammann träumten. Der Bundesrat ist eher eine Einrichtung, über die man am Stammtisch gerne wegen seiner Tätigkeit und noch mehr wegen seiner angeblichen Untätigkeit herzieht.
Wie ist unsere Landesregierung zurzeit «aufgestellt»? Burkhalter und Schneider-Ammann geben sich Mühe, «ordelig» zu erscheinen. Maurer dagegen möchte gerne stark erscheinen, erreicht aber mit seinen Anstrengungen eher das Gegenteil. Berset könnte uns mit seinen Auftritten vielleicht an Batman erinnern, aber auch bei ihm sorgt das helvetische System dafür, dass er keine «zu grossen Sprünge» macht. Batman-Format haben zurzeit am ehesten die Bundesrätinnen Widmer-Schlumpf, Leuthard und Sommaruga.
Wenig überzeugende Umfrage
Im Medienspiel der Meinungsumfragen wird aber weniger nach Tüchtigkeit als nach Beliebtheit gefragt, wobei nicht ganz auszuschliessen ist, dass Magistraten auch wegen ihrer Leistung, soweit man diese meint beurteilen zu können, geschätzt werden. Gerade in den ereignisarmen Tagen des Jahreswechsels werden die Landesväter und Landesmütter und mit ihnen die Parteien auf den Prüfstand der Volksbeliebtheit gehoben. Die Barometerwerte erscheinen als Trendmelder auch im Hinblick auf die Wahlen im kommenden Herbst und sind für die künftige Zusammensetzung der Regierung wichtig.
Gemäss einer nur wenig überzeugenden Umfrage der «SonntagsZeitung» vom 21. Dezember soll der abtretende Bundespräsident Burkhalter (FDP) den «grössten politischen Rückhalt» in der Bevölkerung haben. 87 Prozent sind der Meinung, dass dieser Mann, der das Gegenteil eines Batman ist, «in Zukunft eine wichtige politische Rolle» spielen soll. Dieser Wert sei der höchste in der Geschichte des Politbarometers, von der man aber nicht sagt, wie lange sie bereits dauert. Auf Burkhalter folgen Alain Berset (SP, 78 Prozent), Doris Leuthard (CVP, 76 Prozent), Simonetta Sommaruga (SP, 75 Prozent) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP, 68 Prozent). Johann Schneider-Ammann (FDP) und Ueli Maurer (SVP) bilden mit 47 und 42 Prozent die Schlusslichter.
Der Gesamtbundesrat erhält eine durchschnittliche Zustimmung von 68 Prozent. Interessieren könnten da die Zusammenhänge zwischen Ungewissheit und Vertrauen. Bei erhöhter Ungewissheit, wie sie durch das SVP-hörige Volksvotum gegen die «Masseneinwanderung» vom 9. Februar 2014 geschaffen worden ist, könnte auch der Missmut gegenüber der Landesregierung gestiegen sein. Aber nein, die derzeitigen Vertrauenswerte sind die höchsten seit Ende der 1990er-Jahre.
Demokratie ist keine Solovorstellung
Simonetta Sommaruga hat nach ihrer glanzvollen Wahl zur Bundespräsidentin für 2015 in einer klugen und wohlabgewogenen Rede daran erinnert, dass die Schweiz in einem Zusammenspiel verschiedener Kräfte funktioniere. Die Pianistin Sommaruga sagte damit, dass nicht ein einzelnes Instrument alleine den Ton angebe. Wichtig seien sicher die Bürger und Bürgerinnen, wichtig sei das Parlament, und es brauche gewiss auch den Bundesrat. Wichtig seien aber auch die Gerichte und die Medien. Die direkte Demokratie sei keine Solovorstellung, sondern ein Zusammenspiel.
Durch die Blume wurde damit auch zu verstehen gegeben, dass nicht eine einzelne Partei und auch nicht eine 50,3-Prozent-Volksmehrheit gewissermassen Batman spielen und auf ihre Weise die Schweiz «retten» könne. Das von Sommaruga skizzierte Schweizverständnis war und ist auch eine indirekte Absage an den Helden von Herrliberg, der wie Batman über ein grosses Vermögen verfügt und offenbar freie Kapazitäten hat, um mit drohenden Gesten die Schweiz stets in Aufregung zu halten.
Blocher könnte einem leid tun. Sein grosses Format passt so schlecht zur kleinen Schweiz.
Christoph Blocher ist zu klug, um sich selbst als Supermann zu stilisieren. Er begnügt sich mit der Magnum-Kategorie: Selber ein Grosser, hielt er am 2. Januar mit grossen Schweizern früherer Jahre eine geistige Zwiesprache. Dieses Jahr wählte Blocher Basel als Auftrittsort aus: Holbein, Wettstein und Karl Barth waren an der Reihe, serviert wurde dem zuhörenden Volk – ausser Variationen über Grösse – auch ein kleiner Imbiss.
Blocher könnte einem leid tun. Sein grosses Format passt so schlecht zur kleinen Schweiz. Es lässt sich zwar auch hier eine ärgerlich hohe Zahl an verführbaren Bürgern und Bürgerinnen mit überheblichen und absolutistischen Durchsetzungsprogrammen mobilisieren. Doch letztlich musste er schon wiederholt die Erfahrung machen, dass in der Schweiz nach wie vor die ihm fremden Prinzipien wie Kompromiss und Ausgewogenheit, Vielfalt und Verhältnismässigkeit wegleitend geblieben sind.
Die jüngste Entwicklung in der Umsetzung der 2010 mit rund 52 Prozent gutgeheissenen Ausschaffungsinitiative (eine Art von Batman-Initiative) bestätigt dies. Statt eines sturen Rauswurfmechanismus soll es mit einer Härtefallklausel nun doch, unserer Kultur und unserer Verfassung entsprechend, abwägende Einzelfallprüfungen geben. In diesem Sinne, ganz ohne Batman-Attitüden: Ein gutes 2015!
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