Seit einer Woche ist die Tramhaltestelle «Kirschgarten» an der Elisabethenstrasse behindertengerecht. Die Tramzüge, die dort halten können, stehen aber erst in rund einem Jahr zur Verfügung. Weil auch die geplante Reduktion des Autoverkehrs auf sich warten lässt, müssen sich Velofahrer nun durch ein risikoreiches Nadelöhr zwängen.
Die letzten Bauabschrankungen sind weggeräumt. Die Haltestelle «Kirschgarten» der Tramlinie 2 ist, wie es das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BehiG) verlangt, behindertengerecht umgebaut worden. Um gehbehinderten Trampassagieren ein ungehindertes Ein- und Aussteigen zu ermöglichen, darf der Abstand zwischen Trottoirrand und Tramschiene lediglich 73 Zentimeter betragen und die Trottoirkante muss von 15 auf 27 Zentimeter markant erhöht werden.
Erstaunt müssen aber die Trampassagiere zur Kenntnis nehmen, dass die Tramzüge die neue Haltestelle gar nicht bedienen, sondern in beiden Fahrtrichtungen jeweils davor anhalten. Auf einem Hinweisschild ist lediglich von «technischen Gründen» die Rede. Präziser ist die Erklärung, welche die BVB-Mediensprecherin Dagmar Jenny auf Nachfrage gibt: «Die Haltestelle ‹Kirschgarten› kann von den jetzt noch im Einsatz stehenden älteren Fahrzeugen nicht angefahren werden, weil diese über Klapptritte verfügen, welche an der erhöhten Kante hängen bleiben würden.»
Gefährliches Nadelöhr für Velofahrer
Die offizielle Haltestelle «Kirschgarten» wird also noch gut ein Jahr lang eine Phantomhaltestelle bleiben. Denn die neuen Flexity-Trams, die diese «ideale Tramhaltestelle», wie es im Ratschlag zur Umsetzung der Bestimmungen des Behindertengleichstellungsgesetzes heisst, bedienen können, werden erst gegen Mitte 2016 auf der Linie 2 verkehren.
Höhere Trottoirkante und kleinerer Abstand zu den Tramschienen (Bild: Dominique Spirgi)
Für Velofahrerinnen und Velofahrer hat diese verengte Stelle aber bereits jetzt unangenehme Folgen. Ihnen steht dort nur noch ein schmales Band von 73 Zentimetern zur Durchfahrt zur Verfügung, das durch den markant erhöhten Trottoirrand überdies ziemlich bedrohlich wirkt.
«Viele Velofahrerinnen und -fahrer sowie solche, die mit einem Anhänger unterwegs sind, empfinden solche Stellen als unangenehm oder gar gefährlich», sagt der Präsident von Pro Velo beider Basel, David Wüest-Rudin. Er hat vor mehreren Jahren im Grossen Rat einen Vorstoss eingereicht für flankierende Massnahmen für Velofahrer an Kap-Haltestellen (das sind Haltestellen, bei denen das Tram direkt am Trottoirrand hält).
Im Basler Tiefbauamt ist man sich der Probleme bewusst, die sich durch die behindertengerechte Umgestaltung der Haltestellen für den Veloverkehr ergeben. «Wo immer genügend Platz vorhanden ist, suchen wir nach Lösungen, die beiden Seiten dienen», sagt der Sprecher des Tiefbauamts, André Frauchiger. «Bei engen Verhältnissen wie in der Elisabethenstrasse können wir aber lediglich darauf hinweisen, dass zwischen den Schienen mehr Platz vorhanden ist.»
Dichter Gegenverkehr bis 2018
Dies bedingt aber, dass mit dem Velo jeweils zweimal die Tramschiene gekreuzt werden muss. In der Elisabethenstrasse kommt erschwerend dazu, dass sie vor allem zu Stosszeiten nach wie vor in beiden Richtungen von vielen Autos befahren wird, die sich bei der behindertengerechten Haltestelle zusammen mit dem Zweiradverkehr durch das Nadelöhr zwängen müssen.
Dies sollte eigentlich nicht so sein. Denn das neue Verkehrsregime für die Elisabethenstrasse sieht eigentlich die Unterbindung des motorisierten Durchgangsverkehrs in Fahrtrichtung Bankenplatz vor. Doch vor 2018 wird dieses neue Regime nicht umgesetzt werden. «Wegen den Baumassnahmen in der Dufourstrasse und am Aeschengraben muss die Elisabethenstrasse noch eine gewisse Zeit als Durchfahrtsachse zur Verfügung stehen», sagt Frauchiger.
Problemfall Kap-Haltestelle
Die behindertengerechte Tramhaltestelle an der Elisabethenstrasse ist nur eine von vielen sogenannten Kap-Haltestellen, die nach ihrem behindertengerechten Umbau zu Konflikten mit dem Veloverkehr führen werden. Weil unter anderem zu schmale Traminseln aufgehoben werden müssen, wird die Zahl der Kap-Haltestellen, an denen sich der Veloverkehr vorbeizwängen muss, von heute 45 auf 73 ansteigen, wie aus dem Bericht der Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (Uvek) zur Umsetzung der Bestimmungen des Bundesgetzes hervorgeht. 30 dieser Haltestellen werden auf den offiziellen Velorouten für Hindernisse sorgen.
An der Haltestelle «Hüningerstrasse» der Tramlinie 11 können die Velos der engen Stelle zwischen Trottoirrand und Schiene auf sicherem Wege ausweichen. (Bild: Dominique Spirgi)
Die Uvek gibt in ihrem Bericht der Erwartung Ausdruck, «dass für alle bestehenden und künftigen Kap-Haltestellen Optimierungen für den Veloverkehr geprüft und umgesetzt werden». Als minimale Massnahme erwartet die Kommission den Verzicht auf Hindernisse am Strassenrand wie Dolen oder Pflastersteine. Dies ist in der Elisabethenstrasse der Fall.
Dass der Konflikt mit dem Veloverkehr in bestimmten Fällen ganz ausgeschlossen werden kann, beweist die behindertengerechte Haltestelle «Hüningerstrasse» der Linie 11. Hier dürfen die Velofahrerinnen und Velofahrer über einen markierten Velostreifen auf das breite Trottoir ausweichen.