Die SVP dominiert seit Wochen das Thema Flüchtlinge. Jetzt wagt sich auch die SP aus der Defensive. Etwas spät, meinen Experten.
Während die SVP im bisherigen Wahlkampf nur das Wort «Asylchaos» kannte, sprach die SP über Rentenreformen und Lohngleichheit. Zum Flüchtlingsdrama, das sich derzeit in Europa abspielt, schwieg die Partei grösstenteils oder äusserte kaum mehr als ratlose Grundsatzkritik.
Parteipräsident Christian Levrat erzählte zum 1. August von seinen Ferienerlebnissen in Sizilien, wo er mit dem Flüchtlingselend konfrontiert war. Er warnt im Video davor, die Flüchtlinge zu instrumentalisieren und Angst, Vorurteile und Verachtung zu verbreiten.
Seine Rede ist beispielhaft für das Vorgehen der SP in der Flüchtlingsfrage. Man führt eine Defensivdiskussion, konzentriert sich auf die politischen Gegner, stellt sie als Hetzer dar und will ihnen damit den Wind aus den Segeln nehmen. Dass es eine echte Flüchtlingskrise gibt, die gerade noch an den Schweizer Grenzen halt macht, übersieht Levrat grösstenteils.
Eigene Ideen, neue Ansätze zum Umgang mit Flüchtlingen hört man von der SP nicht. Es ist die Basler Nationalrätin Silvia Schenker, die sich in der SP quasi als Einzelkämpferin um das Thema bemüht. Gerade forderte sie den Bundesrat auf, 5000 syrische Kontingentsflüchtlinge aufzunehmen – eine moderate Forderung angesichts der massiven Fluchtbewegungen.
SP soll Asylthema offensiver anpacken
«Ich möchte damit realistische Forderungen stellen und mit dem Thema nicht bloss Wahlkampf betreiben», erklärt Schenker. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem Asylwesen. «Ich hätte mir gewünscht, dass die SP das Thema offensiver anpackt.»
Neben den Kontingentsflüchtlingen fordert Schenker die Wiedereinführung des Botschaftsasyls auf europäischer Ebene sowie die Umsetzung der Asylreform, die Bundesrätin Simonetta Sommaruga vorantreibt.
Das Botschaftsasyl wurde mit der Abstimmung über die Asylrevision 2013 abgeschafft. Angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise könnte die Wiedereinführung im Parlament eine Chancen haben.
Der Politberater Louis Perron meint, der Zeitpunkt der Forderungen im Wahlkampf sei schlecht gewählt. «Man hätte früher reagieren müssen.» Wenn man das Flüchtlingsthema nun aufgreife, verlängere man damit die Debatte nur, anstatt den Fokus auf ein anderes Thema zu legen. «Die SP hat beim Thema Flüchtlinge grundsätzlich nicht viel zu gewinnen.» Die Partei sei von Anfang an in der Defensive, da die Rechtsbürgerlichen bei der Migrationspolitik den Lead hätten.
Levrat gewichtet andere Themen stärker
Das war in früheren Zeiten nicht immer so deutlich. Die ehemaligen SP-Parteipräsidenten Helmut Hubacher (1975 bis 1990) und Peter Bodenmann (1990 bis 1997) setzten beim Thema Asyl Akzente und engagierten sich aktiv für die humanitäre Tradition der Schweiz.
Levrat setzt andere Themen höher als das Asylwesen, was auch mit seinen Wurzeln in der Westschweiz zusammenhängt. Dort hat die Migrationspolitik nicht den Stellenwert, den sie in der Deutschschweiz einnimmt. So ergibt es sich, dass die aktivste SP-Asylpolitikerin auch aus Basel kommt und nicht etwa aus der Westschweiz.