Beschwerde gegen SVP-Referendum: «faktenfreie Behauptungen»

Die SVP bekämpft die Energiestrategie 2050 mit Argumenten, die nachweislich nicht stimmen. So würden Benzin- und Heizölpreise angeblich massiv ansteigen. Ein Verband von Atomgegnern hat nun eine Beschwerde gegen die Werbung der Partei eingereicht.

(Bild: Montage: Hans-Jörg Walter)

Die SVP bekämpft die Energiestrategie 2050 mit Argumenten, die nachweislich nicht stimmen. So würden Benzin- und Heizölpreise angeblich massiv ansteigen. Ein Verband von Atomgegnern hat nun eine Beschwerde gegen die Werbung der Partei eingereicht.

Die SVP sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. Sie verbreite «Lügen statt Fakten», schreibt der in Basel domizilierte Verband «Nie wieder AKW» (NWA) in einer Beschwerde an die Lauterkeitskommission der Werbeindustrie. Dabei beziehen sich die Atomgegner auf das Referendum gegen die Energiestrategie 2050, das von der Rechtspartei ergriffen worden ist. «Das Zeugs dort ist frei erfunden», sagt Co-Präsident Peter Stutz mit Blick auf das Argumentarium der SVP, mit dem Unterschriften gesammelt werden.

Die Energiestrategie 2050, oder vielmehr der erste Teil davon, war Ende September vom Parlament verabschiedet worden. Nur die SVP und einzelne Vertreter der FDP stimmten dagegen. Die Energiestrategie sieht als Richtwerte vor, dass die Schweiz bis 2035 ihren Stromverbrauch zu rund zwanzig Prozent aus erneuerbaren Energien bezieht. Ausserdem soll der Energieverbrauch um 43 Prozent unter das Niveau des Jahres 2000 gesenkt werden. 

Verbindlich ist die Strategie einzig dahingehend, dass sie ein Verbot neuer Atomkraftwerke festschreibt – und den Netzzuschlag für erneuerbare Energie von heute 1,5 auf maximal 2,3 Rappen pro Kilowattstunde Stromverbrauch erhöht.

Falsche Behauptungen

Überraschenderweise führt die SVP viele weitere Folgen der Vorlage zur Energiestrategie 2050 auf, die sie per Referendum bekämpft. So würden sich die Heizölpreise verdoppeln, das Benzin um 26 Rappen pro Liter teurer. Des Weiteren behauptet die Blocherpartei, jeder Haushalt würde Mehrkosten von 3200 Franken pro Jahr zu tragen haben. 

«Das ist alles kompletter Unfug», sagt NWA-Aktivist Stutz. Und tatsächlich findet sich in der Vorlage nichts Entsprechendes. Das Bundesamt für Energie hat für den «Sonntagsblick», der die angeblich gewaltig hohen Mehrkosten überprüft hat, bereits klargestellt: Maximal 115 Franken müsste eine vierköpfige Familie mehr bezahlen. Die NWA kommt in ihren Berechnungen auf Mehrkosten von 30 bis 40 Franken pro Familie.

So oder so: Von der von der SVP dargestellten Kostenexplosion sind diese Zahlen Lichtjahre weit weg. Auch bei den geschätzten Gesamtkosten für die Umsetzung der Strategie liegen SVP und NWA weit auseinander. Die Partei spricht von 200 Milliarden Franken, die NWA kommt auf 2 Milliarden.

Keine Konsequenzen

Die Erklärung für die hohe Diskrepanz: Die SVP hat kurzerhand auch Teil zwei und drei der Energiestrategie 2050 in ihr Referendum eingemeindet. Dort ist von einer Lenkungsabgabe tatsächlich die Rede – oder von einem möglichen Verbot von Ölheizungen ab 2029. Aber beschlossen ist noch nichts. Phase zwei des Riesenprojekts wird vom Bundesrat neu ausgearbeitet, nachdem die erste Vorlage von allen Seiten zerpflückt worden war. Phase drei besteht erst als Idee. 

Die SVP weist die Vorwürfe zurück, sie würde mit unredlichen Mitteln um Stimmen werben. Silvia Bär, stellvertretende Generalsekretärin erklärt auf Anfrage: «Wir sagen im Argumentarium klar, dass es ein 2. Paket et cetera geben wird. Aber wer jetzt Ja sagt zum Energiegesetz, der sagt eben Ja zu einer Strategie und jemand wird es bezahlen müssen.»

Die Lauterkeitskommission soll nun feststellen, ob die SVP mit ihrer Werbung fürs Referendum die selbst auferlegten Grundsätze der Werbebranche verletzt. Sanktionen verhängen kann sie keine, höchstens Empfehlungen abgeben oder eine Rüge aussprechen. Den Rechtsweg schliesst Peter Stutz von der NWA derzeit aus.

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