Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Die beschwerliche Partnerschaft zwischen Baslern und Baselbietern verzögert wichtige Projekte um Jahre. Dabei braucht es oft nicht viel, um die Beziehung zu entkrampfen.

Ewige Baustelle: Der Weg zwischen Stadt und Land ist mit Hindernissen zugestellt. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die beschwerliche Partnerschaft zwischen Baslern und Baselbietern verzögert wichtige Projekte um Jahre. Dabei braucht es oft nicht viel, um die Beziehung zu entkrampfen.

Erfolg in Bern!, meldeten die Basler Medien diese Woche und jubelten. Der Ständerat winkte das Basler Agglomerationsprogramm durch, gab die 1,7 Milliarden Franken frei, die der Bundesrat beantragt hatte für den Ausbau der Verkehrswege in der Region und legte sogar noch ein paar Millionen obendrauf. Ein Erfolg zweier Partnerkantone, die eigenständig, aber Hand in Hand kämpfend, ihr Ziel erreicht haben. Die Fusionsgegner stimmten eine Arie darauf an.

Monatelang wirkten die beiden Bau-, und Verkehrsdirektoren Hans-Peter Wessels (BS) und Sabine Pegoraro (BL) auf diesen Entscheid hin. Den eigenen Parlamentariern impften sie in intensiven Briefings die Argumente ein, mit denen sie die Lobbyarbeit in Bern führen sollten. Ihr Kniff: Die Baselbieter Abgeordneten sollten betonen, wie wichtig das Milliardenpaket für den Stadtkanton ist und umgekehrt.

Hat die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz recht, wenn sie in der «bz» behauptet, zwei einige Halbkantone könnten mehr erreichen als ein fusioniertes grosses Basel?

Kreisverkehr statt vorwärts machen

Ein weiteres Beispiel partnerschaftlichen Gemeinsinns lieferten die beiden Basler Parlamente mit der Einleitung des Mammutprojekts «Herzstück», einer S-Bahn-Durchmesserlinie unter der Stadt. Basels Baudirektor Wessels ordnet seinen Erfolg anders ein: «In einem vereinigten Basel wäre das Herzstück schon vor 20 Jahren gebaut worden.» Der parallele Entscheidungsweg in beiden Kantonen führte nicht nur bei diesem Kernprojekt zu einer jahrelangen Blockade. 

Während in der Stadt am Autobahnanschluss Gundelitunnel herumgetüftelt wird, arbeitet Baselland an einer Alternative. Zwei Verwaltungen arbeiten an konkurrenzierenden Varianten, die zwischen zwei Regierungsräten verhandelt werden. Am Schluss dieses langwierigen Verfahrens, das lässt sich jetzt schon voraussagen, werden sich beide Regierungen, beide Parlamente und beide Stimmvölker auf einen Kompromiss einigen müssen. 

Reibungsverluste durch die Zusammenarbeit

Was herausschauen kann, wenn sich die beiden Kantone nicht wie beim Agglo-Programm zusammenraufen, zeigt auch das Tramprojekt Margarethenstich. Erst stritten sich beide Seiten darum, ob nun BVB oder BLT die neue Verbindung befahren darf, dann brach die Debatte los, warum Basel in ein Projekt investieren soll, das vor allem Pendlern aus dem Baselbiet zugute kommt.

Für den Grünen Jürg Stöcklin ist der Margarethenstich ein Paradebeispiel für «die massiven Reibungsverluste durch die Zusammenarbeit». Weil alle Entscheidungen sowohl auf dem Land wie auch in der Stadt getroffen werden müssen, werde der demokratische Prozess enorm verschleppt, sagt der frühere Grossrat: «Es gibt keine Mehrheitsentscheide über kontroverse Fragen, sondern am Schluss einigt man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner oder gar nicht.» 

«Die Zusammenarbeit läuft reibungslos – bis es ums Geld geht.»

SP-Landrat Hannes Schweizer

Dieses Ausloten bewegt sich fast immer entlang der Finanzen. «Es liegen Welten zwischen unseren Ansprüchen und jenen der Landschaft», sagt SVP-Grossrat Joël Thüring. «Das Land hat die Haltung, weniger ist mehr, bei uns kann alles gar nicht gut genug sein.» 

Der altgediente SP-Landrat Hannes Schweizer, von Beruf Landwirt in Titterten, sieht das gleich: «Die Zusammenarbeit läuft reibungslos – bis es ums Geld geht.» Dann geraten sich Städter und Landschäftler in die Haare. Die oft rigide Haltung der Baselbieter Kollegen erschwere auch die Meinungsbildung im Grossen Rat, glaubt Thüring: «Wir sagen häufig kritiklos Ja zu einem Gemeinschaftsprojekt aus Angst, das Baselbiet könne sonst Nein sagen.»

Die Sorgen der Universität

Den unterschiedlichen Umgang mit dem Geld hält der Grüne Stöcklin für das grösste Hindernis einer konstruktiven Partnerschaft. «Die Baselbieter fragen immer, ob etwas für sie nicht billiger geht. Unsere Mentalität, die aus dem städtischen Unternehmertum kommt, ist eine andere: Wenn man nie investiert, kommt auch nichts zurück.»

Bei Antonio Loprieno, Rektor der Uni Basel, löst das Gefeilsche ums Geld nun einmal mehr grosse Besorgnis aus. Baselland überprüft gerade den Staatsvertrag zur Uni und Loprieno befürchtet, wie es aus seinem Umfeld heisst, eine erbitterte Debatte um die Baselbieter Beiträge. Äussern will er sich nicht zur Kantonsfusion, man erwarte von ihm Neutralität in politischen Fragen.

Für die Konflikte mit Baselland trägt der Unirat eine Mitverantwortung. Das Aufsichtsgremium weigert sich beharrlich, den Baselbieter Trägerkanton stärker zu berücksichtigen. Der Streit ums Geld könnte auf einen Schlag ein Ende finden, wenn ein wichtiger Fachbereich in die Agglomeration verlagert würde. So aber bleibt Baselland Zahlkanton, während bei jedem Preis, den die Basler Forscher einheimsen, jedem Aufstieg in einem Ranking etwas vom Glanz auf die Unistadt Basel abfällt. 

«In Basel glauben wir, alles, was von uns komme, sei perfekt. Wir bringen die Konzepte, die Baselbieter sollen zahlen.»

SP-Grossrat Daniel Goepfert

Es ist verblüffend, wie wenig es manchmal braucht, um den Krampf zu lösen. Um die Baselbieter Politik geschlossen hinter das gemeinsame Agglomerationsprogramm zu bringen, hatte man in Basel entschieden, die Geschäftsstelle in Liestal anzusiedeln. Das Resultat davon sind Projekte, die beiden Seiten nützen und deshalb vom Bund bereitwillig bezahlt werden.

Es sind diese Gesten des Entgegenkommens, die unterschätzt werden, davon ist SP-Grossrat Daniel Goepfert überzeugt. «In Basel glauben wir, alles, was von uns komme, sei perfekt. Wir bringen die Konzepte, die Baselbieter sollen zahlen.» Diese Überheblichkeit trifft er auch in den eigenen Reihen an. Goepfert hat Mühe damit, dass die früheren SP-Granden Roland Stark und Remo Gysin die Fusionsprüfung ablehnen, nur weil im Verfassungsrat der Bevölkerungsgrösse entsprechend mehr Land-, als Grossräte vertreten sind: «Man muss loslassen können, auch wenn man glaubt, Basel habe die tollste Verfassung der Welt.»

Die Freiheitsfaust für die Wählerschaft

Die Unterschiede zwischen Baslern und Baselbietern würden ohnehin grösser gemacht, als sie seien, glaubt Goepfert. Oft mit taktischen Motiven. Spricht Goepfert mit Landräten über die umstrittene Theaterfinanzierung, würden diese offen einräumen, sie müssten aus politischen Gründen dagegen Opposition machen. 

Auch wenn das Anti-Fusions-Trio in der Baselbieter Regierung das Baselbieterlied intoniert oder die Freiheitsfaust in die Höhe reckt, ist das vor allem ein Zeichen an Partei und Wählerschaft. Die beiden neuen Regierungsräte Thomas Weber (SVP) und Anton Lauber (CVP) gelten als schlaue Pragmatiker. Im Gespräch mit den Basler Amtskollegen offenbaren sie, der Fusion viel abgewinnen zu können – mehr als dem Alleingang.

Würden sie das öffentlich sagen, wären sie politisch erledigt.

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