Die neue FDP-Bildungsdirektorin Monica Gschwind bleibt dabei: Der «Marschhalt» bei den Schulreformen hat höchste Priorität. Insbesondere der Lehrplan 21 wackelt im Landkanton nun umso mehr.
Sie war am Sonntag die strahlende Siegerin, und jetzt hat sie bekommen, was sie wollte: Monica Gschwind ist ab 1. Juli die neue Baselbieter Bildungsdirektorin. Die Gesamtregierung gab heute Dienstag der 51-jährigen gebürtigen Luzernerin das frei werdende Departement von Urs Wüthrich (SP).
Monica Gschwind im Video-Interview am Wahlsonntag. Den «Marschhalt» bei den Bildungsreformen hob sie auch kurz nach ihrer Wahl hervor.
Damit erhält Gschwind einen Blankoscheck. Denn neben Wüthrich verlässt auch der engste Mitarbeiter des Regierungsrats die Direktion. Generalsekretär Roland Plattner hat bereits vor den Wahlen seine Demission per Ende Juni bekannt gegeben. Damit ist für Gschwind grundsätzlich die Bahn frei, einen Richtungswechsel vollziehen zu können – auch wenn sie sich zuerst mit ebendieser Personalie auseinandersetzen muss.
Lehrer warten auf die grosse Pause
Gschwinds grösster Brocken ist zugleich ihr Wahlversprechen: Der «Marschhalt» für die Bildungsreformen im Rahmen des HarmoS-Konkordats und des Lehrplans 21, der im Baselbiet «Lehrplan Volksschulen» heisst. Jenen Marschhalt fordern nun auch die Verbände ein.
Das «Komitee für eine Starke Schule Baselland» etwa zeigt sich «sehr, sehr froh» darüber, dass Monica Gschwind die Bildungsdirektion zugeschlagen erhielt. «Damit ist der Grundstein für einen Kurswechsel gelegt», sagt Geschäftsführerin Saskia Olsson, die die Lehrervereinigung vertritt und Gschwind auch im Wahlkampf unterstützt hat: «Zuerst geht es darum, eine Auslegeordnung zu erstellen und erst einmal zu überlegen, wohin es mit den Reformen überhaupt geht.»
Auch die designierte FDP-Bildungsdirektorin Gschwind bleibt dabei: «Das Wichtigste ist der Marschhalt.» Gerade während des Wahlkampfs habe sie viele Rückmeldungen erhalten, die eine «sehr grosse Unzufriedenheit» äusserten. «Die Lehrkräfte müssen auf jeden Fall hinter den Reformen stehen», sagt Gschwind: Deshalb wolle sie sämtliche Beteiligten – also auch alle Lehrerverbände – an einen Tisch bekommen. Das Tempo der «Reformitis» sei unter Urs Wüthrich zu hoch gewesen.
Gschwind: «Fokus liegt auf der Volksschule»
Dass dieser Richtungswechsel nicht harmonisch wird, liegt angesichts des neuen Landrats auf der Hand. Obwohl die Bürgerlichen nun eine klare Mehrheit haben, ist die SP mit 21 Sitzen immer noch die zweitstärkste Kraft und kann entsprechend gegensteuern. «Natürlich erwarte ich Widerstand, zumal die SP klar die Bildungspolitik des bisherigen Bildungsdirektors stützte», sagt Gschwind. Sie wolle mehrheitsfähige Vorlagen schaffen – also auch unter Einbezug der Ratslinken. Ausschlaggebend bleibe aber, dass die Lehrkräfte hinter den Reformen stehen können, so Gschwind. Ihr Fokus liege vorderhand klar auf der Volksschule.
Konkret heisst das: Insbesondere die sogenannten Sammelfächer, wie sie der Lehrplan 21 der Erziehungsdirektorenkonferenz vorsieht, stehen in der Kritik. Dabei sollen etwa Fächer wie Physik, Chemie und Biologie zu einem Sammelfach «Natur und Technik» zusammengefasst werden. Kritiker orten darin einen Kostentreiber und die Verwässerung von Lerninhalten.
Zudem soll ein duales Bildungssystem gestärkt werden, damit die Berufslehre nicht zugunsten der Maturität geschwächt wird, wie dies auch der Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser fordert. Die designierte FDP-Bildungsdirektorin Gschwind stützt diese Ansicht: «Die Lehrlingsausbildung ist klar eine der Kernaufgaben der kantonalen Bildungspolitik.»
SP-Landrat Rüegg: «Gschwind soll Chance erhalten»
Der SP-Landrat und Gymnasiallehrer Martin Rüegg zeigt sich davon noch unbeeindruckt: «Monica Gschwind soll jetzt erst einmal eine Chance erhalten.» Dem angekündigten «Marschhalt» blickt er gelassen entgegen. «Es gab ja auch Volksentscheide zum Thema, gewisse Entschlüsse kann man wohl hinauszögern, aber kaum aufhalten.»
Entscheidend ist aus Sicht des ehemaligen SP-Präsidenten aber, dass die Zusammenarbeit mit Basel-Stadt nicht über den Haufen geworfen wird: «Das wäre letztlich der eigentliche Scherbenhaufen.» Gerade der Bildungsraum Nordwestschweiz sei eine der grossen Errungenschaften von Urs Wüthrich. Einen kompletten Baselbieter Sonderzug aufzugleisen, sei bei der Bildung kontraproduktiv.
Viele Hände greifen nach der neuen Regierungsrätin. Allein die Pendenzen in der reformbelasteten Bildungspolitik reichen aus, um Monica Gschwind eine gesamte Legislatur lang auszulasten.
Doch mit der guten Schule ist es nicht getan. Denn neben der Bildungspolitik ist Gschwind auch für die Kulturpolitik zuständig. In dieser Funktion braucht sie auch einen neuen Leiter kulturelles.bl – und in den nächsten zwei Jahren läuft das aktuelle Kulturleitbild des Kantons aus, womit dessen Überarbeitung fällig wird.
So erhält Monica Gschwind ein Willkommensgeschenk in Form eines Pakets mit angerissenen Schulreformen, einem personellen Blankoscheck und einem Berg voll Arbeit, gefordert von einem bürgerlich geprägten Parlament und unter Beobachtung einer SP, deren bisheriges Werk nun die Agenda der FDP dominieren wird.