Billag-Referendum: Worum es wirklich geht

Das Schweizer Fernsehen steht im Dauerfeuer der Kritik. Dabei betrifft die Abstimmung über das neue Radio- und Fernsehgesetz die SRG aber nur am Rande. Es geht allein darum, wie wir künftig die TV-Gebühren bezahlen wollen.

Debatten über die Inhalte der SRG-Sender sind so alt wie die SRG selbst. Doch darum geht's bei der Abstimmung gar nicht. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Schweizer Fernsehen steht im Dauerfeuer der Kritik. Dabei betrifft die Abstimmung über das neue Radio- und Fernsehgesetz die SRG aber nur am Rande. Es geht allein darum, wie wir künftig die TV-Gebühren bezahlen wollen.

Warum brauchen wir «Schweizer Talente» oder Charity-Sendungen wie «Jeder Rappen zählt»? Das fragen SRG-Kritiker etwa im Vorfeld der Abstimmung über das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG). Dabei sind engagierte Debatten über die Inhalte der SRG-Sender praktisch so alt wie die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft selbst. Doch diese Inhalte stehen bei der Abstimmungsvorlage nicht im Vordergrund.

Die Stimmberechtigten entscheiden am 14. Juni nur über eines: über die Änderung der Gebührenregelung.

1. Worum geht es bei der RTVG-Änderung?

Im Moment zahlt jeder Haushalt eine Gebühr, sofern er über ein Radio- oder Fernsehgerät verfügt – 462 Franken pro Jahr. Mit der neuen Radio- und TV-Abgabe müsste nun jeder Haushalt keine Gebühr mehr bezahlen, dafür eine Abgabe. Und das unabhängig davon, ob der Haushalt überhaupt über ein Empfangsgerät verfügt. Die Kosten für den Haushalt betragen neu: 400 Franken pro Jahr.

Der Bundesrat begründet die neue Regelung damit, dass sich die medialen Konsumgewohnheiten der Menschen verändert haben. Viele schauen heute auf ihrem Smartphone oder Tablet fern. Es sei deshalb an der Zeit, die Gebühren nicht mehr nach Fernseh- oder Radiogeräten zu berechnen, sondern eine geräteunabhängige Abgabe einzufordern.

Das betrifft auch die Firmen. Dabei will ihnen der Bundesrat entgegenkommen: Unternehmen müssten neu auch unabhängig von Radio- und Fernsehgeräten eine Abgabe zahlen, jedoch erst, wenn ihr Umsatz über 500’000 Franken liegt. Die Abgabe steigt mit der Höhe des Umsatzes bis auf 39’000 Franken (ab einem Unternehmensumsatz von einer Milliarde).

2. Worum geht es bei der RTVG-Änderung nicht?

Man bedenke: Es ist keine Abstimmung für oder wider das Schweizer Fernsehen. Es geht auch nicht darum, ob SRF mehr oder weniger Geld erhält. Es ist lediglich eine Abstimmung darüber, auf welche Art die Rundfunkgebühren eingetrieben werden.

Einige RTVG-Gegner verknüpfen mit der Abstimmung auch eine Debatte über den Auftrag der SRG, wie ihn die Bundesverfassung festschreibt. Dort steht: «Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei.» An diesem Grundsatz ändert sich nichts, weder bei einem Nein noch bei einem Ja.

3. Was passiert mit den Gebühren?

Mit der neuen Abgabe würden insgesamt mehr Personen und Unternehmen Geld einzahlen als heute. So bleibt also trotz niedrigerer Jahresrechnung der Gebühren-Topf gleich gross. Von diesen gut 1,2 Milliarden Franken fliesst weiterhin praktisch alles an die SRG, ein kleiner Teil – 54 Millionen – geht an private Rundfunkanstalten (Radio und TV). Ein Beispiel: Auch der Regionalsender «Telebasel» finanziert sich zu 30 Prozent aus Gebührengeldern des Bundes.

Zurzeit ist es die Billag – Kunstname aus dem englischen Wort «bill» für Rechnung und dem bekannten «AG» für Aktiengesellschaft –, die Gebühren einzieht. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) verteilt das Geld an die einzelnen Stationen.

4. Was sind die Konsequenzen einer Annahme?

Schwarzsehen ist nach einer Annahme nicht mehr möglich. Denn schliesslich zahlen dann alle registrierten Haushalte ihre Abgabe, egal ob die darin lebenden Personen einen Fernseher, ein Radio oder andere Empfangsgeräte besitzen. Ausgenommen von der Abgabe sind Personen, die AHV- oder IV-Ergänzungsleistungen beziehen.

Für die SRG und den privaten Rundfunk ändert sich deshalb vorerst nichts. Das neue RTVG enthält jedoch eine Klausel, die das Budget für private Rundfunksender erhöhen könnte: Der Anteil für die Regionalsender könnte auf 81 Millionen Franken aufgestockt werden.

Die SRG würde in diesem Falle weniger Geld erhalten, bekäme aber noch immer gut über eine Milliarde Franken. Ob es zu einer Umverteilung des Geldes kommt, kann das Parlament in den nächsten Jahren entscheiden.

5. Lese-Tipps

Aus der Vielzahl an Berichten zum Thema haben wir einige zentrale Texte zusammengestellt:

  • Der Moloch: Die «NZZ am Sonntag» thematisiert die Geschichte der SRG. Hier sind die wichtigsten Trends der letzten Jahre beschrieben, wenn auch mit einem kritischen Unterton, wie es der Titel bereits andeutet.
  • Privat-TV-Stationen wollen weniger Staat: Die «Aargauer Zeitung» liefert einen Überblick über die RTVG-Diskussion. Die Hintergründe zu den Positionen sind hier zusammengefasst.
  • «Nur wenige erfahren so harten Wettbewerb wie die SRG»: Der SRG-Generaldirektor Roger de Weck rechtfertigt gegenüber der «Aargauer Zeitung» die 1,2 Milliarden Gebühren. Das Interview stiess auf heftige Kritik, de Weck wurde als «überheblich» abgestempelt.
  • Jean-Francois Rime (Kontra) und Martin Candinas (Pro) breiten in der NZZ ihre Argumente aus.
  • «Die SRG braucht einen Schuss vor den Bug»: Für Überraschung sorgte die Kritik zum RTVG von linker Seite in der «Schweiz am Sonntag». SP-Ständerätin Anita Fetz griff die SRG frontal an. Ihr Argument: Zuerst über die Qualität sprechen, dann neue Gebühren einführen.
  • «Service-Public-Debatte ist vorgeschoben»: Jacqueline Badran antwortete in der «Schweiz am Sonntag» auf die Kritik ihrer Parteikollegin: «Nicht die SRG braucht einen Schuss vor den Bug, sondern Politiker, die sich über unsere Verfassung stellen wollen und dabei ganz eigennützige Interessen verfolgen.»


Am Mittwoch um 11.30 Uhr veranstaltet die TagesWoche ein Streitgespräch zum RTVG-Referendum, das Sie per Live-Video verfolgen können. Die Nationalräte Balthasar Glättli (Grüne) und Christian Wasserfallen (FDP) sprechen über Sinn und Unsinn einer neuen Gebührenregelung und darüber, was die SRG im Online-Bereich zu suchen hat.

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