Billard mit der Billag-Gebühr

Im Kampf gegen die neue Radio- und TV-Abgabe wird einmal mehr über die Bande gespielt und die wirklich avisierte Kugel nur indirekt angepeilt: Tatsächlich geht es um die Demontage der SRG.

Natalie Rickli verdient privat ihr Geld mit Werbung für Privatsender und kämpft politisch gegen die SRG. (Bild: KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Im Kampf gegen die neue Radio- und TV-Abgabe wird einmal mehr über die Bande gespielt und die wirklich avisierte Kugel nur indirekt angepeilt: Tatsächlich geht es um die Demontage der SRG.

Bei der Revision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) geht es bloss um eine Ablösung der heutigen Gebühr durch eine geräteunabhängige Abgabe, die den heutigen technischen Nutzungsmöglichkeiten von Computern, Tablets und Smartphones entspricht, einfacher ist und die Schwarznutzer ausschaltet. Daraus wird nun aber ein Tribunal über die SRG an sich gemacht und, wenn möglich, ein populistisches Scherbengericht inszeniert.

Vom Souverän dürfte, wenn er kein launiger «Roi soleil» ist, erwartet werden, dass er sich mit der vorgelegten Sachfrage befasst und nicht über periphere Fragen entscheidet und aus einer allgemeinen Stimmung heraus reagiert. Also zum Beispiel nicht zugleich oder sogar in erster Linie über die Frage, ob der Lohn des SRG-Generaldirektors Roger de Weck angemessen, die letzte «Glanz & Gloria»-Sendung zu seicht gewesen und die neue «Arena» zu brav geworden sei.

Es geht auch nicht um die Frage, ob die Schweiz weiterhin einen halbstaatlichen Radio- und Fernsehbetrieb mit öffentlichem Auftrag betreiben soll. Denn das wird so bleiben, wie immer man abstimmt. Hingegen geht es, dies sei eingeräumt, sehr wohl um die Frage, ob «jeder Haushalt» einen Finanzierungsbeitrag leisten soll, unabhängig davon, was und wie viel er hört und schaut.

Spezifische Gebühr gegen Steuer

Heutzutage leuchtet immer weniger ein, dass man auch dann bezahlen soll, wenn man die SRG-Dienste nicht nutzt. Damit würde das Prinzip von integralen Gesamtunternehmen in Frage gestellt. Analog müsste dann in der Universität, um ein dem Schreibenden naheliegendes Beispiel zu nennen, die Studiengebühren nach Fakultäten und Fächern sehr unterschiedlich angesetzt werden, wäre ein Studium in Kultur- und Sozialwissenschaften wesentlich günstiger als in Medizin.

Das ganz den Ego-Tendenzen entsprechende und elektronisch wohl auch realisierbare Gegenmodell wäre, dass man nur gerade für diejenige Sendung bezahlen müsste, die man selbst konsumiert (Pay-per-View).

Die Gegner der Vorlage monieren, dass die neue Lösung keine spezifische Gebühr, sondern eine allgemeine Steuer sei. Diese rechtfertigt sich aber aus dem gesamtgesellschaftlichen Auftrag der SRG, der in der Bundesverfassung (Art. 93) festhält, dass Radio und Fernsehen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung beitragen, auf die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone Rücksicht nehmen, die Ereignisse sachgerecht darstellen und die Vielfalt der Ansichten widerspiegeln sollen.

Ausgerechnet diejenigen, die ein politisches Reservat kultivieren, wollen beim SRG den «Heimatschutz» aufheben.

Die SRG erfüllt diesen Auftrag gewiss je nach Ansicht etwas besser oder schlechter. Paradoxerweise schiessen nun aber ausgerechnet die rechtsnationalen Kräfte gegen eine Institution, die mit ihren Angeboten – und seien sie vom Typus «SRF bi de Lüt» – zur schweizerischen Identität, das heisst zum kollektiven Wiedererkennen von sich selber viel beitragen. Ausgerechnet diejenigen, die insbesondere gegenüber Europa gerne ein politisches Reservat kultivieren, wollen bei der SRG explizit den «Heimatschutz» aufheben.

Die Aufgabe der SRG ist gesamtgesellschaftlich derart wichtig, dass man sie auch über den allgemeinen Staatshaushalt finanzieren könnte, wie dies beispielsweise im Bildungswesen der Fall ist, an das man über Steuern ebenfalls Beiträge leistet, ob man es durch den eigenen Nachwuchs nutzt oder nicht. In diesem Sinn stellte man die 1987 per Volksabstimmung gutgeheissenen 5,4 Milliarden Franken der «Bahn 2000» zur Verfügung, auch wenn diese nicht von allen direkt genutzt wird, weil diese Institution indirekt einem allgemeinen Nutzen dient.

Populistischer Schaum

Zu den lautesten Stimmen gegen die Revision gehören der von einem SVP-Mann (Ex-Bundesratskandidat Jean-François Rime) präsidierte Gewerbeverband und die Zürcher SVP-Frau Natalie Rickli, die mit der Vermittlung von Werbung an private Radio- und Fernsehstationen ihr privates Brot verdient. Der Gewerbeverband hat das Referendum ergriffen, obwohl 75 Prozent der Unternehmen von der Gesetzesänderung gar nicht betroffen sind und ein Teil derjenigen, die davon betroffen sind, schon jetzt Gebühren bezahlen.

Das vom Gewerbeverband  in einer 2,5-Millionen-Auflage verbreitete Kampfblatt ist derart widerlich, dass diese unschweizerische Kampagne per se ein Grund ist, seine Nein-Parole nicht zu unterstützen. Dahinter steckt die gleiche Agentur, welche die SVP-Messerstecher-, Ratten- und Schäfchenplakate fabriziert hat. Bezeichnend, dass die «Basler Zeitung» das Elaborat mit einer Abbildung von blutigen, halb abgetrennten Fingern in einer zugeschnappten Mausefalle als «herrlich überzeichnet» und zur politischen Auseinandersetzung «ermunternd» gelobt hat.

Und Nationalrätin Rickli nutzt den Moment, um populistischen Schaum zu produzieren. Mit der Begründung, dass manches SRG-Angebot überflüssig und überhaupt der ganze Laden zu wenig transparent sei, machte sie sich zur Leitfigur einer elektronischen Massenpetition (eben einem kleinen Scherbengericht) gegen die SRG: 200 Franken seien genug statt der jetzigen 462 Franken oder der mit der aktuellen Vorlage vorgesehenen 400 Franken.

An die Adresse derjenigen, die mit den Leistungen nicht zufrieden sind: Bei einem Nein wird sich diesbezüglich überhaupt nichts ändern.

Dem billigen Intransparenzvorwurf ist entgegenzuhalten, dass die SRG gegenüber dem Departement für ­Umwelt, Verkehr und Energie (Uvek) rechenschaftspflichtig ist und dass sie mit den Geschäftsberichten ihren Finanzhaushalt offenlegt. Zudem wacht das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) darüber, dass die SRG beziehungsweise ihre Sendeunternehmen bei ihrer Tätigkeit die Bestimmungen von Gesetz, Konzession und den einschlägigen internationalen Übereinkommen einhalten. 

An die Adresse derjenigen, die mit den Leistungen nicht zufrieden sind, sei gesagt, dass sich bei einem Nein diesbezüglich überhaupt nichts ändern wird und dass es andere Wege gibt, seine Meinung zu den Angeboten kundzutun als mit einem Nein-Zettel zur Gebührenordnung. Die SRG unterhält fünf Ombudsstellen, zudem gibt es die UBI-Beschwerdeinstanz und den Presserat. Statt mit nachträglichen Reklamationen kann man zudem in Publikumsräten und Programmkommissionen auch prospektiv Einfluss nehmen.

Möglich, dass es zu einer weiteren Protestabstimmung kommt und man einmal mehr – souverän – «ein Zeichen» setzen und protestieren will.

Im Kampf gegen diese Vorlage wird einmal mehr – wie beim Billard – über die Bande gespielt und die wirklich avisierte Kugel nur indirekt angepeilt: Demontage der SRG anlässlich der Umgestaltung der Billag-Gebühr. Dieses indirekte Spiel hatten wir schon bei der Masseneinwanderungs-Initiative: Statt um Migration ging es in Wirklichkeit um die Bilateralen und um das Verhältnis zur EU. Und wir werden es bei einer weiteren Initiative so haben: Statt direkt eine Abstimmung über die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK anzustreben, die man wohl verlieren würde, wird eine «Landesrecht»-Initiative lanciert. Dann beruft man sich auf das Volk, das man vorher verschaukelt hat. Eine erprobte Demokratie sollte auf solche Trickli eigentlich nicht reinfallen.

In der letzten Umfrage zu dieser Vorlage zeichneten sich zwei etwa gleich grosse Lager ab: 46 Prozent waren dafür, 45 Prozent dagegen. Der Ausgang hängt von der weiteren Mobilisierbarkeit von Befürwortern und Gegnern ab. Sehr wohl möglich, dass es zu einer weiteren Protestabstimmung kommt und man einmal mehr – souverän – «ein Zeichen» setzen und protestieren will, und sei es nur gegen die letzte Kochsendung, die missfallen hat. Dies in Kombination mit einem generellen Misstrauen gegenüber «Bundesbern», zu dem eben auch die SRG gehört.

Pauschalattacke auf die SRG

Im Falle eines Sieges der Vorlagegegner wird sich der Schaden diesmal in Grenzen halten. Die Gegner der Vorlage (die SVP und die halbe FDP) wird es freuen, weil die SRG einen Schuss vor den Bug erhalten hat, obwohl diese Gebühr eine Billag-Sache ist und zur Swisscom gehört, nicht zur SRG.

Die mit dem Stimmrecht verbundene Verantwortung würde allerdings mehr verlangen als nur gerade ein Votum aus punktueller Unzufriedenheit und momentaner Laune. Wenn SRG-Gegner aus der aktuellen und punktuellen Gesetzesrevision eine Pauschalattacke auf die SRG machen, ist das nur ein weiteres Argument für eine Unterstützung dieser Vorlage im Sinne eines erneuten Bekenntnisses zu unserer nationalen Medienanstalt und ihrem Service public.

Es mag sehr anachronistisch tönen: Wenn es, als der junge Bundesstaat eine gesamtschweizerische Währung, eine Eidgenössische Post und eine ETH schuf, schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts Radio und Fernsehen gegeben hätte, die Gründungsväter hätten auch eine SRG geschaffen.

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