Da fordern die Politiker drastische Kürzungen bei den SRG-Gebühren und überhaupt soll der Service Public neu definiert werden. Was aber will der Schweizer Konsument? Wir haben unsere Leserinnen und Leser befragt – und sie haben hohe Ansprüche.
Die SRG, Streitobjekt der Gebührenzahler: Nach der knappen Annahme der RTVG-Revision vorvergangenen Sonntag fuhr die Politik ihre Geschütze gegen die Institution auf. Der Service Public der SRG solle noch dieses Jahr und nicht erst 2016 diskutiert werden, forderten die Bürgerlichen. Und ohnehin seien die Gebühren für den öffentlichen Schweizer Rundfunk zu senken. Der Schweizerische Gewerbeverband unterstützt deshalb sogar die Unterschriftensammlung der radikalen «No-Billag»-Initiative.
Kurz: Nach dem hauchdünnen Ja solls jetzt der SRG grundsätzlich ans Lebendige gehen. Nämlich an Sinn und Geld.
Aber: Was wollen Sie? Fernsehen ohne Internet? Eine identitätsstiftende Unterhaltungsmaschine? Oder einen nackten Nachrichtensender?
Die TagesWoche hat vergangene Woche die Leser gefragt, was für sie Service Public heisst und was sie von den Sendern der SRG erwarten. Auf den als Debatte angelegten Artikel haben 101 Personen ausführlich und damit auswertbar geantwortet.
Immer diese Werbung!
Doch reden wir erst einmal übers Geld. Sollen der SRG die Beiträge gekürzt werden, wie es die Wirtschaftsliberalen fordern?
Die Grundhaltung der Mehrheit also: Nein. Keine Kürzungen. Immerhin befand ein Drittel dennoch, dass der SRG die Gelder gekürzt werden sollen. Deren Hauptargumente:
- «Dieser Konzern ist ein Moloch, der dringend entschlackt werden muss.»
- «1,4 Milliarden jährlich sind sehr viel und es werden jedes Jahr mehr, wenn auch die Anzahl der Haushalte wächst.»
- «Ich bezahle gerne für jährlichen Medienkonsum 400 Franken, aber ich möchte selber bestimmen, wohin (in welche Medien, Anm. d. Red.) das Geld geht.»
Und immer wieder das Argument: «Werbung, Werbung, Werbung.» Es könne nicht angehen, dass die SRG nicht nur Gebührengelder erhalte, sondern sich auch noch mittels Werbung finanziere.
«Ich wäre einverstanden, wenn die Beiträge nicht gekürzt würden zugunsten eines hochstehenden Programms», schreibt ein Leser. «Die absolute Bedingung ist aber in jedem Fall, dass diese unerträgliche Werbung vollständig abgeschafft wird.»
Und was sagen die treuen Gebührenzahler? Die meisten beliessen es bei der Antwort auf die Kürzungsfrage bei einem schlichten «Nein». Wer die Begründung nachschob, argumentierte aber: «Es ist zu verhindern, dass Firmen und Einzelpersonen redaktionellen Einfluss ausüben können.»
Und nun: zum Inhalt
Aber was bitte soll dieser mediale Service Public? Informieren, heisst hier die Antwort. In knapp der Hälfte der Antworten wurden «sachliche, relevante Informationen» als wichtigste Aufgabe bezeichnet (48 Nennungen). Das Stichwort «neutral» wurde in elf Nennungen hervorgehoben.
Was heisst für Sie Service Public im Bereich der Medien? Eine Auswahl der häufigsten Antworten:
- «Dienst(leistung) an/für der/die Öffentlichkeit. Dies beinhaltet sachliche Berichterstattung, Informatives aus dem öffentlichen Leben, vielseitig Wissenswertes – nicht ausschliesslich aus akademisch wissenschaftlicher Sicht und viel, VIEL KULTUR (Tanz, Theater am Fernsehen. Musik & Text am Radio).»
- «Vertiefte Information relevanter politischer und soziokultureller Art weltweit.»
- «Ein kulturell hochstehendes Programm, das die Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse umfassend abdeckt.»
- «Seriöse und objektive Informationsversorgung, identitätsstiftende Produktionen, um nicht komplett den US- und deutschen Medienanbietern ausgeliefert zu sein.»
- «Von kommerziellen oder parteipolitischen Interessen unabhängige Information, Diskussion und kulturelle Bereicherung.»
- «Radio- und Fernsehprogramme, nicht Internet.»
- «Verlässliche Infos, auf deren Basis ich mir meine Meinung bilden kann. Ein Gegengewicht zu von Partikularinteressen finanzierten Medien.»
Information also als wichtigstes Gut des Service Public. Bemerkenswert: Das explizit genannte und als steigerungswürdig bezeichnete Stichwort Kultur lag mit 35 Nennungen noch deutlich vor Sport (15), Politik (7) und News (4).
Wir wollen gut unterhalten werden
Auf die Frage, was sie von den Sendern der SRG erwarten, fielen die Antworten naturgemäss sehr unterschiedlich aus. Die einen wünschen sich «gute Unterhaltung», «für alle etwas», «gutes, kulturell hochstehendes Radio» und vor allem: Qualität und «weg von der Quote». Doch letztlich bleibt Unterhaltung auch im Zusammenhang mit Informationsvermittlung den Leserinnen und Lesern wichtig.
Was also sollen die Sender der SRG bieten?
- «Mehr Mut! Weg vom Seichten, tiefgründiger werden, nicht ohne den Humor und ohne die Lust am Absurden und dem Chaos zu verlieren.»
- «Ich erwarte kulturelle, sportliche, unterhaltende, politische, spannende ausgewogene und abwechslungsreiche Sendungen.»
- «Professionelle, autonome Medienarbeit ohne Quotenbolzerei.»
- «Sachliche und gut verständliche Informationen.»
- Die längste Stellungnahme lieferte jemand mit Aussenperspektive: «Dass die Sender zum Beispiel auch den wachsenden Bevölkerungsteilen ohne Schweizer Pass Zugang zu den Informationen bietet – momentan lasse ich mir (niedergelassen in der Schweiz seit über zehn Jahren) von Kollegen die Abstimmungs-Infos für Stimmberechtigte mitbringen, da ich oft aus den Medien kein ganzes Bild erhalte, dort zu viel Insider-Wissen vorausgesetzt wird beziehungsweise mitten in einer seit Jahren laufenden Diskussion eingesetzt wird, ohne die Grundlagen mitzuliefern. Eine tolle Aufgabe (neben vielen anderen) könnte eine bewusste Handreichung zu Integration und (gegenseitigem) Kennenlernen sein, während unsere (!) Gesellschaft heterogener wird und die Themen und Perspektiven immer komplexer, vielfältiger und herausfordernder. Realitäten anerkennen und dabei sein, statt so viel Heidi-Schweiz wie bisher im TV…»
Ein gewaltiger Spagat, den die SRG also in den Augen der Leser vollziehen muss. Wie etwa das Programm in den Augen der Politiker aussehen könnte, hat der «Tages-Anzeiger» vergangene Woche illustriert. Die Redaktion schuf ein Programm, das die Weltbilder einzelner Parteien abbilden soll: Vom Bildungsfernsehen der Linken mit dem französischen Schwarzweissfilm zur Prime Time über SVP-Romantik bis zum Nachrichtenroboter der FDP.
Welche SRG also will die Schweiz im 21. Jahrhundert? Jedenfalls nicht dieselbe wie im 20. Jahrhundert – auch wenn der Begriff des medialen Service Public noch aus den letzten Jahrzehnten stammt und seither kaum neu definiert worden ist. Das will der Bundesrat ohnehin ändern: Spätestens nächstes Jahr soll die mediale Grundversorgung der Schweiz im Grundsatz neu diskutiert werden.