Bratislava – die alternative Schönheit unter den östlichen Hauptstädten

Märchenschlösser und Einkaufsmeilen gehören nicht zur Ausstattung der slowakischen Hauptstadt, die in dieser Hinsicht nicht mit ihren Nachbarstädten konkurrenzieren kann. Liebhaber sozialistischer Baukunst kommen dafür voll auf ihre Kosten.

(Bild: Daniel Faulhaber)

Märchenschlösser und Einkaufsmeilen gehören nicht zur Ausstattung der slowakischen Hauptstadt, die in dieser Hinsicht nicht mit ihren Nachbarstädten konkurrenzieren kann. Liebhaber sozialistischer Baukunst kommen dafür voll auf ihre Kosten.

Nein, einen Stefansdom wie in Wien gibt es in Bratislava nicht. Auch eine prächtige Burganlage, wie die in Prag oder ein märchenhaftes Parlament wie dasjenige Budapests sucht man hier vergebens. Unter den schillernden Hauptstädten Mittel- und Osteuropas nimmt sich Bratislava aus wie das hässliche Entlein unter Prinzessinnen.

Zu Unrecht. Dass Schlösser, Brücken und Kirchen nun mal die präferierten Sujets der Tourismusindustrie sind, dafür kann Bratislava nichts. Gehörten stattdessen Ufos, Pyramiden und brachiale Denkmalkunst zum Kanon der unverzichtbaren Sehenswürdigkeiten, so sähe die Sache anders aus.

Denn genau das hat Bratislava vorzuweisen: Sehenswürdigkeiten, die irgendwie knapp am Prädikat «Touristenmagnet» vorbeischrammen, dafür aber nicht weniger sehenswert sind. Der folgende Stadtrundgang in Worten und Bildern soll davon einen Eindruck vermitteln und kann getrost ohne Zuhilfenahme kartografischer Mittel konsumiert werden.




Ausgangspunkt ist die Burg rechts im Bild. Eine schöne Burg, wenn auch nicht ganz so schön wie die in Prag. (Bild: Daniel Faulhaber)

Als Orientierungsstützen dienen dem Besucher Bratislavas zwei Elemente: Donau und Burg. Auf den Zinnen der Letzteren verschafft man sich einen Überblick über die Stadt, die sich aus dieser Perspektive wiederum leicht in zwei Teile zerlegen lässt: Einen hübschen und einen hässlichen. Dazwischen fliesst die Donau und über allem thront das UFO.

Aber schön der Reihe nach.

Der eben als hässlich verunglimpfte Teil der Stadt, Petržalka mit Namen, liegt jenseits der Donau und sieht aus wie von der Lego-Industrie am Reissbrett entworfen. Block schmiegt sich an Block, schmiegt sich an Block – für Abwechslung sorgen in regelmässigen Abständen Autostrassen in Landebahndimension. 




Petržalka heisst der Stadtteil ennet der Donau, der noch heute zu den am dichtesten besiedelten Gegenden der Slowakei gehört. (Bild: Daniel Faulhaber)

Wer sich schon immer mal in stilechter Umgebung über komplexe Begriffe wie die Atomisierung der Gesellschaft Gedanken machen wollte, dem sei eine Rundtour mit der Buslinie Nr. 24 empfohlen, die eine herrliche Innenansicht dieser verdichteten Wohnform zulässt.

Auf dem Rückweg über die Donau presse man bitte das Gesicht an die Busscheibe, um seinen Blick über das Dach in den Himmel zu richten. Dort oben «schwebt» das Ufo, eine scheibenförmige Speise- und Aussichtsplattform, die dem sozialistischen Regime in den 70er Jahren als Argument in der Schlacht der Statussymbole gegen den Westen diente.




Das Ufo ist über einen Lift in der rechten Strebe zu erreichen. In der linken Strebe befindet sich eine Feuertreppe. (Bild: Daniel Faulhaber)

Am Fusse des Burghügels beginnt die Altstadt, die mit Kopfsteinpflaster und hübschen Barock-Fassaden zum Bummeln einlädt. Die überschaubare Grösse dieses historischen Stadtteils wird von den Marketingstrategen der Stadt mit lustigen Statuen kompensiert, die den immer zahlreicher eintreffenden Segway-Touristen zur Unterhaltung dienen.

Ähnlich spektakulär ist die Wachablösung vor dem Sitz der Regierung einzustufen, der mit dem Segway vom Stadtzentrum in fünf Minuten, zu Fuss in vier Minuten zu erreichen ist.




Abgang der Wache im Gleichschritt. Der Link oben im Text führt zu einer Video-Aufzeichnung des grossen Spektakels.  (Bild: Daniel Faulhaber)

In unmittelbarer Nachbarschaft lohnt sich der Besuch des Hauptsitzes des slowakischen Rundfunks. Das Gebäude in Form einer umgestülpten Pyramide datiert ebenfalls aus der Zeit vor der Wende und ist ein weiteres Exempel sozialistischer Baukunst, die neben dem Plattenbau offensichtlich auch filigranere Techniken beherrschte.




Der slowakische Rundfunk war bereits vor der Wende in der falschen Pyramide einquartiert. (Bild: Daniel Faulhaber)

Neben derlei futuristischen Erzeugnissen und dem Blockbau gehörte auch die Denkmalkunst zum Steckenpferd sozialistischer Architekten. Als Abschluss eines Rundgangs sei darum der Besuch des Kriegerdenkmals empfohlen. Allerdings weniger wegen der 40 Meter hohen Freiheitskämpferin, die ein Hakenkreuz zertritt, als vielmehr wegen der Aussicht, die von hier auch den Ausgangspunkt der Rundtour, die Burg einschliesst.




Gegen 7000 Soldaten liegen in Massengräbern rund um das Sowjet-Denkmal. Sie waren im Zuge der Befreiung Bratislavas im April 1945 gefallen. (Bild: Daniel Faulhaber)

Wer nach diesem Rundgang noch Musse hat, dem sei folgendes Abendprogramm empfohlen:

  • Essen: Café Verne. Schönes Restaurant unter Platanen in der Nähe der Donau. Hauptgerichte kosten zwischen 7 und 15 Euro. Ein Glas Wein gibts für 3, Bier für 2 Euro.
  • Trinken: «KC Dunaj». Eine unbedingt besuchenswerte Bar im vierten Stock mit Dachterrasse. Hier gibts Konzerte, Lesungen, Spielabende und das grosse Bier für 1.50 Euro. In Worten: Ein Euro fünfzig.
  • Tanzen: «Subclub». Ein ehemaliger Atomschutzbunker unter der eingangs beschriebenen Burg. Nicht einfach, weil nur über einen Autobahnzubringer zu erreichen. Hauptsächlich elektronische Musik.
  • Schlafen: «Wild Elephant». Hübsches, wenn auch etwas baufälliges Hostel im Zentrum der Stadt. Keine exzessiven Partys, hilfsbereites Personal und eine Liebeshöhle für hormonübersteuerte Traveller. Keine Einzelzimmer, nur Dorms.

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