Visonär – innovativ – einzigartig: Diese Worte fallen, wenn die Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger und Thomas Weber über das heute in vielen Belangen marode Bruderholzspital sprechen.
Wo heute das Spitalhochhaus aus den 1970er-Jahren steht, soll bis 2026 ein moderner Gesundheitscampus hin, respektive: «das grösste Kompetenzzentrum am Bewegungsapparat (vorwiegend Orthopädie; Anm. d. Red.) der Schweiz», wie der Verwaltungsratspräsident vom Kantonsspital Baselland, Werner Widmer, an einer Medienkonferenz am Freitag erklärte.
«Bevor man ein solches Megaprojekt aufbaut, sollte man aus Versorgersicht zuerst prüfen, ob es das überhaupt braucht.»
Das Hochhaus soll zu diesem Zweck grösstenteils abgerissen werden und an seiner Stelle ein flacher Neubau entstehen, in dem nur noch etwa die Hälfte der 300 Betten Platz haben. Dieser Plan ist nur ein Baustein in den Staatsverträgen, die die Regierungen von Basel-Stadt und Baselland am Dienstag zur geplanten Spitalgruppe «Unispital Nordwest» unterzeichneten. Gleichwohl hängt es wohl massgeblich auch von der Diskussion ums «Hölzli» ab, ob Unispital Basel (USB) und Kantonsspital Baselland (KSBL) fusionieren werden.
Denn die Pläne bieten Angriffsflächen für Kritik: überdimensioniert und fragwürdig, riefen die städtische SP und SVP kurz nach der Medienkonferenz aus.
Kaspar Sutter von der SP Basel-Stadt präzisiert: «Bevor man ein solches Megaprojekt aufbaut, sollte man aus Versorgersicht zuerst prüfen, ob es das überhaupt braucht. Der Bedarf muss im Vordergrund stehen, nicht die Ertragslogik und nicht der politische Druck, auf dem Bruderholz ein Spital erhalten zu müssen.»
Die SVP kündigt an, sie wolle «kritische Fragen hinsichtlich der marktökonomischen und gesundheitspolitischen Folgen dieses Angebots auf dem Bruderholz stellen». Es dürfe «keine unnötige Überkapazität zu Lasten der Steuer- und Prämienzahlenden der beiden Kantone geschaffen» werden.
Für die Spitäler ist der Umbau auf dem Bruderholz hingegen ein Schlüsselelement der geplanten Spitalgruppe. Man habe verschiedene Standorte evaluiert, an denen man die Spitalgruppe hätte konzentrieren können, erklärt Jürg Aebi, CEO des KSBL. Aesch und Pratteln seien dabei als mögliche Standorte in der Diskussion gestanden. Diese habe man aber wieder verworfen, weil sie politisch wohl kaum realisierbar wären.
Der Standort Bruderholz sei nicht minder geeignet für das, was die Spitäler vorhaben. Die Spitäler brauchen mehr Platz für ambulante Eingriffe. Der Platz am Petersgraben ist begrenzt, die Infrastruktur nicht geeignet für Routine-Eingriffe.
Statt in Liestal und in der Stadt neue Operationssäle aufzubauen, wollen die beiden Kantonsspitäler alle orthopädischen Eingriffe an einen Ort verlagern: nämlich aufs Bruderholz. Am Petersgraben, in Liestal und in Laufen sollen in der Orthopädie nur noch Notfälle behandelt werden. Alle Patientinnen und Patienten, die ein planbarer Eingriff erwartet, wollen die Spitäler aufs Bruderholz schicken.
Mit dem Auto oder dem Shuttlebus
Es sei deshalb «kein Ausbau des Angebots, sondern eine Bündelung unserer Eingriffe», sagt Aebi. Den Vorbehalt, das Bruderholzspital sei schlecht erreichbar, sieht Aebi als Schlechtreden der Fusionsgegner. Für planbare Eingriffe kämen viele Patientinnen und Patienten sowieso mit dem Auto, «Parkplätze gibt es auf dem Bruderholz genug».
Und für diejenigen, die auf den ÖV angewiesen sind, könne man zum Beispiel einen Shuttleservice ab Bahnhof SBB einrichten, so der Spitaldirektor.
Das Prinzip des ambulanten Operierens, also einen Eingriff ohne Übernachtung im Spital zu machen, sei ein Trend, der enorme Vorteile bringe, sagt Aebi. «Im KSBL machen wir derzeit rund 15 Prozent der Eingriffe in der Orthopädie ambulant. In anderen Ländern liegt dieser Anteil viel höher; in Holland zum Beispiel bei 40 Prozent.»
Schlussendlich sei die Konzentration der ambulanten Eingriffe auf einen Standort günstiger und auch angenehmer für die Patientinnen und Patienten. Denn diese müssten zum Beispiel nicht den ganzen Tag im Spital warten, weil den Ärzten ein Notfall dazwischen kommt.
Private Player sind bereits gross in der Orthopädie
SP-Grossrat Sutter sagt: «Die Konzentration auf dem Bruderholz mag aus Sicht der Spitäler Sinn machen, um möglichst viel vom Kuchen abzubekommen. Aber für den Prämienzahler und die Kantone ist das nicht zielführend.» Gerade im Bereich der Orthopädie, wo das Angebot in der Region schon sehr gross sei und die privaten Player weiter ausbauen, sollte man schauen, dass das Angebot kleiner werde. «Diese Chance haben die Gesundheitsdirektoren verpasst.»
Einen positiven Effekt auf die rekordhohen Krankenkassenprämien in den beiden Basel wird die Verlagerung ins Ambulante auch nicht haben. Anders als bei stationären Aufenthalten kommt dafür vollumfänglich der Prämienzahler auf.
Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (CVP) verteidigt hingegen das Vorhaben der Spitäler. Die Orthopädie den Privatspitälern zu überlassen, sei keine Option. «Dass die Spitäler einen Bereich, der sich auch ökonomisch auszahlt, aufgeben, wollen wir nicht.» Es gehe vielmehr darum, «die Substanz zu sichern, damit wir eines von fünf Zentren in der Schweizer Spitallandschaft bleiben».