Vor den Banken bildeten sich am Donnerstag Schlangen, einige Bankomaten spuckten in Basel keine Euros mehr aus. Wie sinnvoll ist es, jetzt in Euro zu investieren?
Menschen, die an Bankschaltern Schlange stehen: Das erinnert an grosse Wirtschaftskrisen, zum Beispiel an Bilder aus den 1920er-Jahren, als in Deutschland eine Hyperinflation entstand.
Wer am Donnerstag in einer Bank war, konnte einen Hauch von Wechsel-Hysterie erleben. Kunden, die ihr Erspartes in Euro umwechseln und damit von der Aufhebung des Euro-Mindestkurses profitieren wollten.
Lange Schlangen heute am Limmatplatz bei der @migros-Bank: gibt’s Negativzinsen oder Positivzinsen? pic.twitter.com/Dh75Z3GDG8
— Georg Russ (@gr6500) 22. Dezember 2014
Die Postfinance stoppte kurzfristig die Herausgabe von Euros, andere Banken konnten keine Euros mehr anbieten, da alle Vorräte aufgebraucht waren.
Einzelne stark frequentierte Bankomaten der Basler Kantonalbank (BKB) konnten keine Euros mehr ausgegeben, bestätigt BKB-Mediensprecher Mats Bachmann. Stand Freitag: Nur ein Bankomat (beim Universitätsspital) von insgesamt 52 BKB-Automaten spuckt keine Euros aus.
Die Gesamtsumme an Euros, die die BKB am Donnerstag herausgab, liegt im tiefen einstelligen Millionenbereich, so Bachmann. Das ist keine überdimensionale Summe, wie es die Reaktionen am Donnerstag vielleicht hätten erwarten lassen.
Euro-Wette kann auch nach hinten losgehen
Der Chief Investment Officer der BKB, Sandro Merino, findet es denn auch keine einmalige Gelegenheit, zum jetzigen Wechselkurs Euros zu kaufen. Für den Durchschnittsbürger bestehe kein akuter Handlungsbedarf.
Die Hyperinflation Anfang der 1920er-Jahre führte in Deutschland dazu, dass Geldscheine nach dem Gewicht bewertet wurden.
«Der momentane Kauf von Euros ist spekulativ, es ist nicht ganz klar, auf welchem Niveau sich der Kurs einpendelt», erklärt der Börsen-Experte. Durch die angekündigten Staatsanleihen-Käufe der EZB könnte sich der Kurs in den nächsten Wochen auch noch leicht verändern.
Die Wette auf den Euro kann sich für einige Normalbürger auch als Fehlinvestition herausstellen. Nämlich dann, wenn der Euro-Franken-Kurs weiter sinkt. Wer jetzt Euros wechselt, spekuliert also darauf, dass der Kurs in den nächsten Tagen wieder steigt.
Wechsel-Aktionismus der Bankkunden
Das ist auch die Hoffnung des Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan. In welche Richtung sich der Kurs effektiv entwickelt, kann allerdings niemand genau abschätzen, ausser vielleicht eine Handvoll hochspezialisierte Entscheidungsträger in Zürich, Frankfurt oder London.
Es bleibt ungewiss, ob sich der Wechsel-Aktionismus der Bankkunden am Ende auszahlt. Vielleicht erleben wir in einigen Wochen wieder einen Ansturm auf die Wechselstuben – oder vielleicht hat sich die Euro-Hysterie bis dann wieder gelegt.
_
Weitere Beiträge der TagesWoche über die Aufhebung der Euro-Franken-Anbindung: