Wie sollen Kunstschaffende in Zeiten des Internets angemessen entschädigt werden? Bundesrätin Simonetta Sommaruga setzt eine Arbeitsgruppe ein, die bis Ende 2013 Vorschläge machen soll. Damit lenkt die Bundesrätin den Fokus auf eine Debatte, die viel grösser ist, als es den Anschein macht.
Es ist eine der heftigsten Debatten der Schweiz und sie wird im Verborgenen geführt. Auf der einen Seite stehen die Schweizer Künstler, die sich im Januar im Verein «Musikschaffende Schweiz» zusammengeschlossen haben und seither versuchen, ihre Haut (heisst ihre Werke) so teuer wie möglich zu verkaufen. Die Künstler organisierten sich in einem Verein, weil sie sich über einen Entscheid des Bundesrats vom November 2011 empörten: Damals hielt die Landesregierung am Grundsatz fest, dass der Download von urheberrechtlich geschütztem Material zum Eigengebrauch in der Schweiz weiterhin legal bleiben soll. Die Reaktion der Künstler: «Die Schweiz ist das Urheberrechts-Guantanamo in Europa. Wir verlangen die Anpassung an das Recht unserer Nachbarländer!»
Damit ist in etwa der Ton beschrieben, in dem die Debatte geführt wird. Die Gegenseite, vertreten beispielsweise durch die Piratenpartei, ist allerdings auch nicht zimperlich. Sie fordert die weitgehendste Aufweichung des Urheberrechts und eine «Anpassung an die heutige Zeit».
«Wir müssen diese Debatte führen»
Die beiden Seiten können sich, wir wollen es vorsichtig ausdrücken, nicht unbedingt leiden. In Blogs und Foren und für eine kurze Zeit auch in den Feuilletons der grossen deutschen Zeitungen gaben sich die beiden Parteien Saures. In einer breiteren Öffentlichkeit ist der Streit allerdings noch nicht angekommen. Bundesrätin Simonetta Sommaruga will das ändern: «Wir müssen diese Debatte führen. Das ist ein Megathema!», sagte sie diesen Donnerstag nach einem Spaziergang mit Journalisten der Aare entlang. Ziel sei es, den Dialog zu versachlichen und die Distanz zwischen den auf den ersten Blick beinahe unvereinbaren Anliegen der beiden Seiten zu verkleinern.
Eine Arbeitsgruppe
Und das soll, wie häufig bei ähnlich gelagerten Problemen, mit einer «breit aufgestellten» Arbeitsgruppe geschehen. Bis Ende 2013 soll die noch nicht fertig konstituierte Gruppe Sommaruga Ideen vorschlagen. Der Bundesrätin ist angesichts des komplexen Themas bewusst, dass innerhalb der kurzen Zeit nicht die Lösung entstehen wird – aber für eine erste Annäherung an den «gesellschaftlichen Konsens», den sich Sommaruga wünscht, dürften die paar Sitzungen durchaus ausreichen.
Ein besonderes Augenmerk soll die Gruppe auf die Entwicklung von Verwertungsmodellen legen. Denn das ist der springende Punkt in der Debatte: Welche regulatorischen Eingriffe kann der Staat unternehmen, damit Künstlerinnen und Künstler in Zukunft wieder angemessen für ihr Schaffen entlöhnt werden? Dabei kann sich Sommaruga vorstellen, dass die Diskussion in Richtung «Musik-Flatrate» geht, eine Idee allerdings, die der Verein der Musikschaffenden schon wortreich verworfen hat.
Keine Kriminalisierung
Klar ist für Sommaruga, dass der Bundesrat am Grundsatzentscheid vom November 2011 festhalten soll: Wer Musik oder Filme zum Privatgebrauch herunterlädt, soll das weiterhin straffrei tun können. «Der Konsum von diesen Inhalten rechtfertigt keine weitgehenden Eingriffe in die Privatsphäre, eine Überwachung des Internetzugangs oder gar eine Internetsperre», sagte die Bundesrätin.
Piraten nicht dabei
Die Arbeitsgruppe ist noch nicht definitiv zusammengesetzt. Einladungen gingen an verschiedene Dachverbände, die für die weitere Zusammenstellung verantwortlich sind. Nicht dabei sind bis anhin ausgerechnet der Verein «Musikschaffende» und die Schweizer Piratenpartei. «Eine Diskussion ohne uns zum Thema? Das ist absurd», sagt deren Mediensprecher Denis Simonet, «ohne die Urheberrechtsdiskussion gäbe es unsere Partei gar nicht». Nun will sich die Partei direkt beim EJPD melden, um ebenfalls über die Zukunft des Urheberrechts mitdiskutieren zu dürfen.
Wandern mit Frau Bundesrätin
Eigentlich würde sich so ein Spaziergang mit einem Magistraten ja anbieten, um endlich mal einen richtig lustigen Text zu schreiben. So wie damals vor ein paar Jahren, als Ueli Maurer die Bundeshausjournalisten nach Adelboden karren liess und auf ein vereistes Bergweglein führte. Das war glatt!
Aber eben: Jeder Kalauer hat sein Verfallsdatum, jeder lustige Text seine Zeit. Und nachdem sowohl der «Tages-Anzeiger» wie auch die «Aargauer Zeitung» bereits am Tag zuvor die bundesrätlichen Wanderungen von Cotti bis Sommaruga ausführlich dargestellt hatten, bleibt da nicht mehr viel übrig. Darum die Kurzfassung: Wir spazierten der schönen Aare entlang, vom Tierpark Dählhölzli bis zur Orangerie. Bundesrätin Sommaruga hat einen flotten Schritt, Lustiges geschah nichts.
Quellen
Die Meldung der sda auf der Seite der «Aargauer Zeitung».
Die «Aargauer Zeitung» über die Gefahren der bundesrätlichen Spaziergänge.
Auch der «Tages-Anzeiger» beschäftigte sich mit den Spaziergängen (und mit Simonetta Sommaruga).
Die Medienmitteilung des EJPD zur neuen Arbeitsgruppe.
Grundsatzpapier der Piratenpartei zum Urheberrecht.
Die Stellungnahme des Vereins der Musikschaffenden.