Der Verwaltungsrat der BVB hat sich mit sofortiger Wirkung vom Direktor Jürg Baumgartner getrennt. Er hat obszöne Bilder herumgeschickt.
Sichtlich angeschlagen wirkte der neue BVB-Verwaltungsratspräsident Paul Blumenthal am Donnerstagnachmittag vor den Medien. «Was in den letzten 24 Stunden geschehen ist, ist nicht nur ein Krimi, sondern ein absolutes Drama.» So etwas habe er in seinen 58 Jahren noch nie erlebt, sagte Blumenthal.
Wenige Stunden zuvor hat sich der Verwaltungsrat der BVB mit sofortiger Wirkung von Direktor Jürg Baumgartner getrennt. Baumgartner hatte seinen Rücktritt schon am Mittwochabend bekanntgegeben, wollte aber ursprünglich noch bis Ende Januar 2014 im Amt bleiben. Jürg Baumgartner hat gemäss der «Basler Zeitung» anzügliche Handy-Fotos und SMS an Mitarbeiterinnen geschickt. Blumenthal hat diese Bilder am Mittwochabend gesehen. «Ich war nur noch schockiert. Mit fehlten die Worte. Was passiert ist, ist unverzeihlich.» Er verabscheue dies zutiefst. «Es waren keine Porno-Fotos oder Nacktbilder. Sondern Bilder, auf denen er mit nacktem Oberkörper posiert. Ich habe auch die SMS gelesen, diese sind ganz klar zweideutig.» Blumenthal sprach von einer «menschlichen Tragödie». Baumgartner habe mit seinem Verhalten mehr als die rote Linie überschritten.
Abgangsentschädigung verlangt
Baumgartner wäre auch ohne diese Bilder gegangen. Am Mittwochvormittag hatte er gemäss Blumenthal noch eine Abgangsentschädigung verlangt, die in Richtung «goldener Fallschirm» gegangen sei. Blumenthal wollte dies nicht akzeptieren: «Für mich war klar, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unter normalen Bedinungen in Frage kommt.» Zu diesem Zeitpunkt wusste Blumenhhal noch nichts von diesen Bildern. Je später es wurde, desto mehr spitzte sich die Lage jedoch zu. Als er Baumgartner am Abend auf diese Bilder und SMS ansprach, sei dieser eingebrochen. «Er hat es nicht abgestritten.» Eine weitere Diskussion um eine Abgangsentschädigung erübrigte sich somit in diesem Moment auch für Baumgartner.
Blumenthal hatte sich trotz Bericht der Finanzkontrolle im Verwaltungsrat am Montag für ein Bleiben von Baumgartner eingesetzt, jedoch unter klaren Bedingungen. Der Verwaltungsrat sprach sich mit 6:2 Stimmen für eine weitere Zusammenarbeit mit Baumgartner aus. «Wir haben ihm gesagt, dass weitere negative Ereignisse zur sofortiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen würden. Dass dies so schnell passiert, hätte ich nie im Leben geglaubt», so Blumenthal. Er habe sich in Baumgartner getäuscht und sei entsetzt. «Baumgartner ist offensichtlich ein Mensch mit zwei Gesichtern.»
Schlüssel bereits weg
Verwaltungsrat Paul Rüst informierte Baumgartner heute Donnerstag telefonisch über seine sofortige Entlassung. Den Schlüssel zu den BVB musste er bereits abgegeben, Zugang zu seinen E-Mails hat er nicht mehr. Baumgartner ist verheiratet und Vater von drei Kindern. «Er war am Telefon ziemlich durch und niedergeschlagen. Der private und berufliche Schaden ist für ihn immens.» Und Blumenthal ergänzte: «Dass solche Charakterzüge zum Vorschein kommen, ist mehr als überraschend.»
Paul Rüst schliesst nicht aus, dass Baumgartner noch mit Juristen versuchen wird, eine Abgangsentschädigung herauszuholen. «Wir werden dagegenkämpfen, wenn es sein muss», sagte er.
«Lassen Sie uns arbeiten»
Blumenthal ist kaum im Amt, schon gerät er unter Druck. Die SVP bezeichnet ihn in einer Mitteilung als «untragbar». Ebenso hat Blumenthal gemäss SVP neben seinem Verwaltungsrats-Mandat «ein weiteres bedeutendes Mandat von der BVB erhalten». Verwaltungsrat Paul Rüst dementierte dies an der Medienkonferenz nicht. «Vor ein paar Jahren gab es ein solches Mandat. Ich setzte mich dafür ein, dass Paul Blumenthal einen Auftrag für 25’000 Franken ausführt.» Dies sei aber das einzige Mandat von Blumenthal gewesen.
Blumenthal sagte zur Kritik der SVP: «Ich habe mir schon Gedanken über einen Rücktritt gemacht. Aber so schnell gebe ich nicht auf, ich laufe nicht davon.» Zu seinen Kritikern meinte er: «Die Politik soll uns jetzt unseren Job machen lassen. Wir müssen nun für Ruhe und Ordnung sorgen im Unternehmen, es gibt einiges aufzuräumen.»
Michael Bont, Leiter Infrastruktur bei den BVB, wird den Posten von Baumgartner ad interim übernehmen (siehe Mitteilung auf der Rückseite des Artikels). Laut Blumenthal kann es ein Jahr dauern, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden wird.
Nach den Enthüllungen hat der Zürcher Verkehrsververbund, wo Baumgartner bis Frühjahr 2011 arbeitete, eine Mitarbeiter-Information abgehalten. Dort wurden die weiblichen Angestellten aufgefordert, sich zu melden, sollten sie von Baumgartner fotografiert oder in einer anderen Art und Weise sexuell belästigt worden sein. Gemeldet habe sich niemand, sagt Sprecher Thomas Kellenberger der TagesWoche. «Wir waren sehr überrascht von den heutigen Enthüllungen.»
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