Rudolf Wehrli (63) ist seit kurzem VR-Präsident bei Clariant – und dennoch weitgehend unbekannt. Das ändert sich jetzt: Wehrli soll am 1. Oktober den freisinnigen Gerold Bührer als Präsident der Economiesuisse ablösen.
«Ich kenne den Mann nicht näher», sagt der prominente Baselbieter Bundespolitiker und Rechtsanwalt Caspar Baader auf Anfrage. «Politisch ist er noch nie in Erscheinung getreten», bestätigt Baaders SVP-Sekretariat in Bern. Und selbst der freisinnige Alt-Nationalrat Hans Rudolf Gysin, der in und um Basel sonst jeden kennt, der irgendwo irgendwas zu sagen hat, muss zugeben: «Er ist mir nicht näher bekannt, – aber fragen Sie doch den Regierungsrat Peter Zwick.»
Einflussreich aber unbekannt
Es geht um Rudolf Wehrli (63), seit Ende März Verwaltungsratspräsident bei Clariant in Muttenz. Der offensichtlich einflussreiche Wirtschaftsführer soll ab 1. Oktober den wichtigsten Wirtschaftsverband der Schweiz, die Economiesuisse, präsidieren, und dort den bekannten Freisinnigen Gerold Bührer ablösen. Zwick könnte Wehrli kennen, vermutet Gysin. Doch das Sekretariat des Regierungsrats winkt ebenfalls ab. Und Zwick selber ist nicht erreichbar – er ist in einer gemeinsamen Sitzung der Regierungen beider Basel.
Fest steht dennoch, dass dieser Rudolf Wehrli in den Chefetagen der Wirtschaft in Zürich und darüber hinaus etwelchen Einfluss hat: Bevor er VR-Präsident der Clariant wurde, hatte er schon bei Mc Kinsey, gearbeitet, war Senior Manager bei der CS gewesen und Sanierer bei Gurit-Heberlein – da nun schon als CEO. Sein Profil als Wirtschaftsboss zeigt, dass er in 18 Verwaltungsräten «quer durch sieben verschiedene Industrien» sitzt. Wehrlis Bonität wird mit «B gut» taxiert. Bis 2008 präsidierte er auch die Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie. Im Unterschied zu Bührer ist er politisch jedoch ein völlig unbeschriebenes Blatt.
Theologie und Literatur
Auch Wehrlis Werdegang ist für einen Spitzen-Manager eher ungewöhnlich. Am 24. Juni 1949 geboren, studierte und doktorierte der spätere Wirtschaftsmann nämlich zunächst in Theologie, Philosophie und deutscher Literatur in Zürich und Basel. Er arbeitete dann als Assistent am theologischen Seminar der Uni Zürich und auch mal als Lehrer am Schulungszentrum der Kreditanstalt. Gewerkschaftlich engagierte er sich temporär als Präsident der Assistentenvereinigung.
Heute wohnt Wehrli in Richterswil. Er gehört dem Liberalen Institut in Zürich an und sitzt auch im Bankrat der Berner Kantonalbank und im VR der Biscuitfabrik Kambly Trubschachen (BE). Bei Clariant selber wissen die Leute aber auch nur, dass er im VR sass und diesen nun seit Kurzem präsidiert.
Kritik aus der Westschweiz
Und in der Westschweiz ist der designierte Präsident der Economiesuisse erst recht ein Unbekannter: «Keine Ahnung, wer Herr Wehrli ist», sagt da sogar der neue Präsident des Gewerbeverbandes, der welschfreiburgische SVP-Nationalrat Jean-François Rime: «Ich war schon erstaunt, dass Gerold Bührer so schnell zurücktritt, doch der Name Wehrli verwundert mich noch mehr», erklärt Rime. «Ich finde auch das Vorgehen nicht sehr demokratisch», kritisiert er. «Man hätte doch mehrere Kandidaten nennen können – vor allem auch Leute, welche die Schweizer Politik ein wenig kennen.»