Christoph Buser verheddert sich in seinem Machtapparat

Christoph Buser gegen Claude Janiak – das Ringen um den Baselbieter Ständeratssitz versprach Spannung. Doch eine Enthüllungswelle zur Baselbieter Wirtschaftskammer hat FDP-Herausforderer Buser in die Defensive gedrückt.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Christoph Buser gegen Claude Janiak – das Ringen um den Baselbieter Ständeratssitz versprach Spannung. Doch eine Enthüllungswelle zur Baselbieter Wirtschaftskammer hat FDP-Herausforderer Buser in die Defensive gedrückt.

Die Metamorphose des Christoph Buser. Schlackert im Februar vom Erfolg sanft berauscht durch das Liestaler Regierungsgebäude. Kriegt den Glanz gar nicht mehr von den Zähnen. Seine Partei hatte gerade um vier Prozent zugelegt und die SP aus der Regierung gedrückt. Christoph Buser an diesem Wahltag: ein Günstling des Glücks.

Diese Woche: Der Baselbieter FDP-Lenker und Direktor der Wirtschaftskammer trifft auf Claude Janiak, den er vom Baselbieter Sitz im Ständerat verjagen will. Ein Podiumsgespräch vom Seniorenverband Nordwestschweiz ausgerufen in einem Saal des Wohn- und Bürozentrums für ­Körperbehinderte (WBZ). Treffpunkt Peripherie, irgendwo am Rande von Reinach. Vielleicht 20 Betagte sind gekommen, aber auch Journalisten, Fotografen. Christoph Buser steht unter Beobachtung, und er wirkt wie ein Schauspieler, der die Kamera spürt.

Diskutieren sollen Buser und Janiak die jüngste Rentenreform. Der Ständerat will mehr Geld in die marode AHV pumpen, Umwandlungssätze senken, aber auch die Pensionen von Neurentnern um 70 Franken erhöhen. Buser erzählt, dass er seinen beiden Kindern jeden Morgen das Frühstück bereitet. Das soll ihn wahrscheinlich sympathisch machen. Vielleicht will er aber auch nur sagen: Hey, ich bin auch ein Mensch. Zuletzt wurde er vor allem als Produkt des ­Baselbieter Machtapparats Wirtschaftskammer betrachtet.

Janiak wartet noch immer darauf, dass Buser eine Attacke startet: «Aber da kommt nichts.»

Als ernsthafter Herausforderer des SP-Mannes Janiak, der eine dritte Amtszeit anstrebt, ist er angetreten. Mittlerweile rechnen selbst Parteikollegen Busers ­damit, dass Janiak mit grossem Vorsprung gewinnt. Vermutlich bereits im ersten Wahlgang, auch wenn der dritte Kandidat Hans Furer von den Grünliberalen die Rechnung komplizierter macht.

Wie es um die Verfassung seines Gegners Busers steht, lässt sich an Janiaks ­Auftreten ablesen. Er verheddert sich zwar noch immer in seinen Sätzen, schachtelt unnötig Gedanken ineinander, verschluckt Pointen. Aber er strahlt eine Gelassenheit aus, als ob er gerade souverän wiedergewählt worden wäre. Er warte noch immer darauf, dass ­Buser und sein Umfeld eine ­Attacke auf ihn starteten, sagt er. «Aber es kommt einfach nichts, offenbar finden sie nichts.»

Janiak hat sich im Ständerat immer dort von der Partei abgesetzt, wo linke Ideologie sichtbar wurde. Etwa bei der 1:12-Initiative, auch jetzt wieder bei der von den Gewerkschaften angekündigten Volksinitiative zur Erhöhung der Renten. Eine Analyse der NZZ taxiert ihn nur leicht links der Mitte der Politik im Ständerat und attestiert ihm die Fähigkeit, Mehrheiten zu beschaffen. Auch in seinem Engagement für die Region hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Kleinere und grössere Skandale

Gegner Buser unterlässt es auffällig, Janiak zu attackieren. Obwohl es durchaus Hebelpunkte gäbe. Aus dem Umfeld Janiaks etwa heisst es, die Partei habe ihn regelrecht bekniet, nochmals anzutreten. Janiak bestreitet das. Buser spricht zwar von ­einem Generationenwechsel, für den er einstehe. Fest macht er diesen aber nicht am Alter Janiaks (67), sondern am politischen Stil, der sich ändere im Ständerat. Mit ruhigem Schaffen würde man nicht mehr durchdringen, gefragt sei ein Politisieren, das kompatibel mit den sozialen Medien sei. Angriffiger, klarer, schneller.

Das mit dem Stil ist auch so eine Sache. Irgendwann während der zahmen Debatte im Reinacher WBZ geht auf dem Flur draussen ein Alarm ab, vielleicht braucht jemand Hilfe. Das Gespräch kommt zum Halt. Buser wagt einen seltsamen Witz: «Vielleicht handelt es sich um einen Fasnachtsumzug.» Der Moderator heisst René Fasnacht, er lächelt irritiert, das Publikum zeigt keine Reaktion. Das wird nicht sein Tag, es war auch schon nicht seine Woche. Eigentlich ist der gesamte Wahlkampf von Christoph Buser gründlich verunfallt. Enthüllungen zu kleineren und grösseren Skandalen rund um die Wirtschaftskammer haben den erfolgsverwöhnten FDP-Mann aus dem Tritt gebracht:

  • Die «Schweiz am Sonntag» berichtete, wie die Wirtschaftskammer mit einer Millionensumme den Abstimmungskampf im Interesse der Chemie gegen die Trinkwasser-Initiative der Grünen führte, einer Summe, die jedes Mass für kantonale Abstimmungskämpfe sprengt.
  • Das SRF-Regionaljournal enthüllte ­einen Fall möglicher Urkundenfälschung und Subventionsbetrugs, in den die zum Konglomerat der Wirtschaftskammer ­zählende Personalfirma Arbeitsmarkt-Services AG AMS verwickelt sein soll.
  • Und wiederum in der «Schweiz am Sonntag» war zu ­lesen, dass besagte Firma über keine Bewilligung zum Personalverleih verfügt.

Amtliche Untersuchungen der Vorgänge sind angekündigt, im Fall der Lohnsubventionen wird auch mit einer Strafuntersuchung durch die Baselbieter Staats­anwaltschaft gerechnet. Dort warten die Ermittler noch die Ergebnisse der Untersuchung des Gewerbeamts Kiga ab, bevor sie losschlagen. Die Wirtschaftskammer weist sämtliche Vorwürfe zurück, Fakten, die die Vorwürfe widerlegen, legt sie keine vor.

Dafür versucht sie mit allen Mitteln, die Skandale von Christoph Buser fernzuhalten. Sie schickt den freundlichen Ex-Direktor Gysin und den unfreundlichen Rechtskonsulenten Martin Wagner vor. Gysin wird auf Redaktionen vorstellig, verschickt Faktenblätter, lässt sich zitieren. Medienanwalt Wagner veröffentlicht in der «Basler Zeitung» ein gehässiges Pamphlet. Er beschimpft kritische Journalisten, stellt den Vater eines Reporters bloss. Sein Motiv: Journalisten einschüchtern, die eigene Klientel beruhigen, vor allem aber mit dem Getöse die Aufmerksamkeit von Buser ab und auf sich zu lenken. Vertrauenswürdiger hat er die Wirtschaftskammer nicht gemacht.

Das Misstrauen gegenüber Buser war bereits vor den jüngsten Enthüllungen in den eigenen Reihen gross.

Aber für die Wirtschaftskammer steht derzeit mehr auf dem Spiel, als dass man ihr nicht mehr glaubt. Die Wahl Busers ist auch eine Abstimmung über das Abhängigkeitssystem, das Buser und Gysin hochgezogen haben. Gefährdet sind all jene, die mit dem Segen der Wirtschaftskammer Karriere gemacht haben. In Bedrängnis ist selbst die Regierung, die aufgrund eines Vorstosses von SP-Landrat Ruedi Brassel offenlegen muss, was für Aufträge sie an den Verband und seine Firmen vergibt. In den Medien kursieren Beträge in Millionenhöhe.

Die Zahl der Freisinnigen, die – noch verdeckt – einen Befreiungsschlag fordern, nimmt zu. Das Misstrauen gegenüber Buser war bereits vor den jüngsten Enthüllungen in den eigenen Reihen gross. Die interne Nomination zum Ständeratskandidaten schaffte er nur mit zwei Stimmen Vorsprung zum Arlesheimer FDP-Landrat Balz Stückelberger.

Buser selbst hatte bei seiner Wahl zum Direktor des KMU-Verbands Transparenz angekündigt. Er hat das Versprechen nie eingelöst, hat sich nie von seinem Vorgänger Hans Rudolf Gysin distanziert. Hat die ­undurchsichtige Konzernstruktur mit einer unbekannten Zahl an Tochtergesellschaften nie offengelegt. Hat die konstant vermutete Kollusion bei Einflussnahme und Geldflüssen nie aus der Welt geschafft.

Der Sohn des Cousins der Gattin

Buser tat es nicht, weil er es nicht konnte. Seit seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Uni Basel arbeitet er im Verband. Jeden Schritt Gysins ist er mitgegangen. Nach dem Abgang des Übervaters hat er vor allem darauf hingewirkt, die Arbeit der Bürgerlichen im Landrat mit der Wirtschaftskammer gleichzuschalten und den Regierungswechsel zu kontrollieren.

Solange die Wirtschaftskammer als ­unantastbar galt – erst jetzt wird ihr Einfluss im Landrat zum Thema –, musste Buser nichts befürchten. Heute versucht er, Distanz zwischen sich und seinen Vorgänger, den Architekten des Systems, zu bringen. In der letzten Verbandspostille «Standpunkt» sah er sich zu einer Richtigstellung genötigt: Er sei nicht «der Neffe zweiten Grades von Hans Rudolf Gysin». Sondern «der Sohn eines Cousins der Gattin von Gysin».

Eine Art toxischer Firn hat sich auf die Wirtschaftskammer gelegt, wer mit ihr in Kontakt kommt, wird kontaminiert. Absatzbewegungen zeigen sich selbst bei den Bürgerlichen.

Bürgerliche nutzen die Gunst der Stunde, um sich aus der Umarmung der Wirtschaftskammer zu befreien. 

Gerade versammeln sich einige Mitte-Politiker, um die Gunst der Stunde zu nutzen und ihre angeschlagene Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter zu schützen. Die CVP-Frau liegt mit der Wirtschaftskammer seit Längerem über Kreuz. Die Mitte-Leute kritisieren, dass das Kantonsspital und die Psychiatrie Baselland Mitglieder beim einflussreichen Verband sind. Seit 2013 fliessen so Steuergelder in die Kasse der Wirtschaftskammer, wie viel bleibt unklar.

Um ihrer Kritik Gewicht zu verleihen, präsentieren die Aufwiegler nun ein aufwendiges Rechtsgutachten. Das zeigt: Diese Mitgliedschaft verstösst gegen die Kantonsverfassung. Damit schiessen sie nicht nur gegen die Kantonsregierung, die ­diesen Zustand beheben müsste, sie zeigen auch an, was viele Bürgerliche längst denken: Es ist die Gelegenheit, sich aus der Umarmung der Wirtschaftskammer zu ­befreien und sich von der politischen ­Monokultur zu verabschieden.

Claude Janiak kann diese Machtspiele aus dem Lehnstuhl heraus verfolgen. Zum Wirbel um die Wirtschaftskammer sagt er bloss, dabei handle es sich um eine kantonale Angelegenheit. Wahlkampf macht er damit durchaus, er betont, unabhängig zu sein. Auf seinen Plakaten steht: «Meine Wiederwahl: Schlechte Nachricht für Lobbyisten». Das reicht schon.

Unfreiwillige Wahlempfehlung

Am Seniorenpodium spricht Buser von Flexibilisierung, welche die Altersvorsorge brauchen würde. Wer freiwillig mehr arbeiten wolle, müsse belohnt werden, sagt er. Verstanden wird: Ihr habt es euch viel zu früh gemütlich gemacht. Er zitiert eine Studie, die herausgefunden haben will, dass die Erhöhung der Lohnnebenkosten um ein halbes Prozent 8000 Arbeitsplätze kostet. «Wieso tricksen Sie?», will ein aufgebrachter Senior wissen, weil die Lohnab­züge mit der AHV-Reform für die Arbeit­geber nur um 0,15 Prozent steigen. Buser verteidigt sich, er habe bloss die Studie ­zitiert und die Zahl nicht runtergerechnet. Der Mann reagiert erbost: «Aha! Und Kopfrechnen kann er auch nicht!»

Was auch immer Christoph Buser gerade sagt – es wird gegen ihn verwendet. Auf die Frage, warum Janiak nicht mehr im Ständerat sein soll, antwortet Buser, das Baselbiet wähle bürgerlich und Janiak sei halt kein Bürgerlicher. Es tönt so: Er ist keiner von uns. Und klingt wie eine unfreiwillige Wahlempfehlung für Claude Janiak.

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