Claudio Descalzi macht womöglich Europa unabhängiger dank ägyptischem Gas

Dem Eni-Konzern ist ein Erdgas-Fund von «Weltbedeutung» gelungen. Die ägyptische Regierung und EU-Staaten wie Italien könnten vom Erdgas-Fund im Mittelmeer profitieren.

Hat allen Grund, verschmitzt zu lächeln: Eni-Chef Claudio Descalzi konnte eine «historischen» Fund mitteilen.

(Bild: ANDREW MEDICHINI)

Dem Eni-Konzern ist ein Erdgas-Fund von «Weltbedeutung» gelungen. Die ägyptische Regierung und EU-Staaten wie Italien könnten vom Erdgas-Fund im Mittelmeer profitieren.

Claudio Descalzi strahlte wie ein erfolgreicher Schatzsucher. Der von ihm geführte Eni-Konzern hatte soeben eine Entdeckung historischer Dimensionen verkündet, die Rede war vom grössten jemals im Mittelmeer entdeckten Gasfeld mit einem Förderpotenzial von 850 Milliarden Kubikmetern. In den aufgeregten italienischen Medien war am Montag gar vom «Schatz des Ali Baba» die Rede. Eni selbst interpretierte den Fund als Ereignis von «Weltbedeutung» und Italiens Premierminister Matteo Renzi gratulierte dem Konzern zu einem «ausserordentlichen Ergebnis».

Eni-Geschäftsführer Descalzi, der am Montag nach Italien zurückkehrte, hatte die Nachricht am Samstag persönlich dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi überbracht, für dessen Nation die Entdeckung weitreichende Folgen haben könnte. Der Fund des italienischen Energie-Konzerns liegt etwa 150 Kilometer von der Küste entfernt auf ägyptischem Hoheitsgebiet in etwa 4000 Meter Tiefe. Auf etwa 100 Quadratkilometern im Kalkstein befindet sich das Gasfeld, dessen definitive Dimensionen noch nicht feststehen. Descalzi sagte, die ägyptischen Partner seien «elektrisiert» angesichts der Neuigkeit.



<p>In this Saturday, Aug. 29, 2015 photo provided by Egypt's state news agency MEAN, Eni CEO Claudio Descalzi, third left, and his delegation meet with Egyptian President Abdel-Fattah el-Sissi, center, and an Egyptian delegation, in Cairo, Egypt. The Italian energy company Eni SpA announced Sunday, Aug. 30, 2015, it has discovered a

Die Gewinner des Fundes vereint an einem Tisch: Die Eni-Chefs und die Vertreter von Ägypten an der Seite ihres Präsidenten Abdel-Fattah el-Sissi (Kopfende). (Bild: UNCREDITED)


Der Aktienkurs des italienischen Eni-Konzerns, der sämtliche Förder-Lizenzen des Shourouk-Gasfelds vor Port Said in Ägypten besitzt und die Förderung so schnell wie möglich starten will, stieg am Montag um drei Prozent. Bis 2018 könnte die Produktion anlaufen, sagte Descalzi. Doch vor allem Ägypten kann sich auf einen dauerhaften Effekt einstellen. Wie es aus Kairo hiess, sei das Land künftig nicht mehr auf Energieimporte angewiesen und könnte bis zu 20 Jahre lang von den neu entdeckten Reserven zehren. «Ägypten ist nun stärker. Die gesamte Region wird stabiler», war sich Descalzi sicher.

Selbstverständlich hat der Eni-Konzern ein Interesse daran, seinen Energie-Geschäften globale und geopolitische Bedeutung beizumessen. Für das Gleichgewicht in der von Krisen geplagten Region ist der Gasfund jedoch nicht unwesentlich. Insbesondere der umstrittenen und mit einer wirtschaftlichen Flaute kämpfenden Regierung um al-Sisi spielen die Energiereserven in die Hände. Der Präsident steht einem grösstenteils vom Militär kontrollierten Regime vor, das Menschenrechte missachtet und keine Anstalten macht, die seit zwei Jahren angekündigten Parlamentswahlen durchzuführen.

Die Unabhängigkeit von europäischen Staaten könnte wachsen

Andererseits erkennt der Westen in Ägypten einen strategischen Partner, insbesondere im Kampf gegen den militanten Islamismus. Grosse Erdgasreserven können die Gewichte zugunsten Ägyptens verschieben, das nicht mehr auf Energielieferungen angewiesen sein würde. Zuletzt musste das Land aus Russland und Algerien importieren.

Im geopolitischen Karussell ist die Unabhängigkeit bei der Energieversorgung einer der wichtigsten Faktoren. Angesichts der unstabilen politischen Verhältnisse seit dem Sturz von Diktator Hosni Mubarak im Jahr 2011, der Gefahr durch Terror-Gruppen im Sinai-Gebirge oder der Nähe zum gescheiterten Staat Libyen bleiben aber auch die Unsicherheitsfaktoren zahlreich.

Italien, das Gas vor allem aus Russland, zu kleineren Anteilen auch aus Algerien und Libyen importiert, ist nun an einem Anschluss an die ägyptischen Erdgasreserven interessiert. Eni-Geschäftsführer Descalzi stellte Transporte per Schiff über die Raffinerie im ägyptischen Damietta in Aussicht, da keine Leitungen nach Italien existieren. Auch andere EU-Staaten könnten künftig durch Zugriff auf das ägyptische Erdgas in ihrer Energieversorgung unabhängiger werden.

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