Das BVB-Tribunal

Die Geschäftsprüfungskommission hat mit ihrem Bericht zur BVB ein kleines politisches Erdbeben ausgelöst. Der Verwaltungsratspräsident der BVB hat umgehend seinen Posten geräumt. Dabei bestehen Zweifel am Vorgehen der GPK.

Das hohe Gericht: SP-Grossrat Tobit Schäfer und seine GPK-Kollegen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Sie sassen Mann an Frau an einer langen Tafel im Stadthaus, die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates (GPK). Sie blickten alle streng, was Ausdruck des eigenen Rollenverständnis ist, denn sie sind: die parlamentarischen Ankläger und Scharfrichter.

Der Saal des Bürgergemeinderats wirkte eine Spur zu feierlich für den Anlass, andererseits ist es immer ein zeremonieller Moment, wenn die GPK vor der Sommerpause ihren Jahresbericht vorstellt. Dann wird Tribunal gehalten über die Verwaltung und die Regierung.

Der Vorsitzende dieser 13-köpfigen Gruppe heisst Tobit Schäfer, ist SP-Grossrat und versteht sich, so heisst es in den eigenen Reihen leicht spöttisch, als achter Regierungsrat. Es war sein grosser Tag am Donnerstag. Seine GPK hatte lange recherchiert zu den Basler Verkehrsbetrieben (BVB) und tatsächlich Neues zutage gefördert.

In den letzten Jahren hatte sich die Finanzkontrolle zur wichtigsten Aufdeckerin von Missständen im Politbetrieb entwickelt, die GPK wiederholte oft nur noch Altbekanntes. Das liegt auch am Auftrag der GPK: Sie darf erst nachträglich tätig werden. Am 29. Juni 2017 aber sollte keiner der vielen Journalisten enttäuscht den Saal verlassen.

Es sprach nur einer: Tobit Schäfer

Schäfer hatte sein gesamtes Team ins Stadthaus bestellt – es redete dann trotzdem nur er. Nach einem versöhnlichen «wir klagen hier auf hohem Niveau» hob er zu einer Suade an, die sogar für GPK-Verhältnisse aussergewöhnlich scharf ausfiel. «Katastrophales Krisenmanagement» attestierte er Wessels, «unentschuldbares Verhalten» identifizierte er.

Schäfers Rede und der Spezialbericht der GPK lösten politische Erruptionen aus: Während GPK-Kollege Joël Thüring (SVP) flachste, ob jetzt die LDP oder die SVP die nun anstehenden Ersatzwahlen in den Regierungsrat anführen würde, machten entsprechende Forderungen die Runde: Wessels müsse zurücktreten, oder zumindest das Dossier BVB abgeben.

Feierlich aufgemacht: die Jahreskonferenz der Geschäftsprüfungskommission im Stadthaus.

Der deutlichste Wirkungstreffer der Veranstaltung ging schon bald unter: BVB-Verwaltungsratspräsident Paul Blumenthal trat unmittelbar nach der Medienkonferenz zurück. Er tat das auf Empfehlung der GPK, die seinen Abgang verlangt hatte. Diese ungewöhnlich drastische Forderung der GPK wirft die Frage auf, wie gut begründet sie war.

Tatsächlich bestehen Zweifel an der Lauterkeit der Kritik wie auch an der grundsätzlichen Herangehensweise der GPK:

2014, nachdem eine Fülle an handfesten Skandalen bei den BVB publik wurden, verlangte die GPK, die BVB müsste sämtliche strukturellen, personellen, organisatorischen und rechtlichen Massnahmen «konsequent, vollständig und zeitnah korrigieren». Die GPK verlangte striktes und strenges Handeln.

«Die GPK verlangte, die neue Leitung müsse mit dem eisernen Besen kehren.» – Rudolf Rechsteiner

Nun, drei Jahre später, macht sie genau das VR-Präsident Paul Blumenthal zum Vorwurf.  Die GPK schreibt in ihrem Bericht: «Diese Massnahmen entsprechen zwar den Empfehlungen der GPK, sie führten aber zu grosser Unsicherheit und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden der BVB.» Eine Personalbefragung ergab, dass die Trämmler ihre Gesamtzufriedenheit nur mit 51 von 100 Punkten bewerteten.  Die Unzufriedenheit des Personals ist einer der Hauptgründe, weshalb die GPK empfahl, Blumenthal als VR-Präsident abzusetzen.

Aufsicht forderte radikalen Umbau

SP-Grossrat und alt Nationalrat Rudolf Rechsteiner, der selbst viele Jahre in Aufsichtskommissionen sass, beurteilt die Rücktrittsforderung der GPK kritisch. Die GPK liefere keine handfesten Gründe, wie etwa nachweisliche Verfehlungen Blumenthals: «Es war die GPK, die verlangt hat, die neue Leitung müsse mit dem eisernen Besen kehren.»

Rechsteiner hat aber auch grundsätzliche Vorbehalte gegen das Vorgehen der Geschäftsprüfer, die nach den Ereignissen von 2013 einen radikalen Umbau der Aufsicht gefordert hatten:

«Die GPK hatte verlangt, dass sich der Grosse Rat aus Gründen der Governance aus dem BVB-Verwaltungsrat zurückziehen müsse. Jetzt mischt sie sich selber ein und entzieht dem Regierungsrat die ihm zustehende Entscheidungsfreiheit in der Personalpolitik. Das ist ein grober Verstoss gegen die Gewaltenteilung, auf die die GPK so pochte.»

Zudem gibt es  Zweifel an der Methodik der GPK-Untersuchung. So kritisiert das Gremium den autoritären Führungsstil Blumenthals im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung. Informationen würden monopolisiert, kritische Fragen ignoriert und kein Widerspruch geduldet. Gesprochen hat die GPK aber nur mit einem Verwaltungsratsmitglied: FDP-Frau Nadine Gautschi, die mit Blumenthal seit Längerem über Kreuz liegt.

Einmal mehr führungslos

Blumenthals Kritikern hat der GPK-Bericht zum Durchbruch verholfen. Die Trämmler brauchen einen neuen Chef. Diesen will der Regierungsrat schon kommende Woche bestimmen. Im Kader hofft man auf einen konzilianten Manager-Typen, der die Schraube wieder ein bisschen löst und vom Streben nach Effizienz ablässt.

Vorerst ist der ÖV-Betrieb führungslos, auch unter dem künftigen Chef wird eine Reorganisation anstehen. Rudolf Rechsteiner sieht genau darin die absurde Note des GPK-Berichts.

«Man verlangt, es müsse Ruhe einkehren in die BVB – aber verursacht mit Rücktrittsforderungen selber starke Unruhe. Es bleibt zweifelhaft, ob die BVB so zur nötigen Stabilität finden, denn dafür braucht es Zeit, Sorgfalt und Kontinuität» – und vermutlich auch Kontinuität in der Gerichtspraxis der Geschäftsprüfungskommission.

Dossier GPK-Bericht zu den BVB

Der Bericht der GPK erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung der BVB und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels. In der BVB-Führung kam es daraufhin zu zwei Rücktritten, Wessel aber verteidigt sich.

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