Das Elsass in schlechter Gesellschaft

Marine Le Pen liegt bei Weitem nicht nur im Elsass vorne. Die Frontistin kommt auch in anderen Gegenden gut an, die eine starke regionale Identität haben. So etwa ausgerechnet in Korsika.

Members of the French National Front (FN) political party paste a poster on a free billboard for French National Front (FN) political party leader Marine Le Pen as part of the 2017 French presidential election campaign in Antibes, France, April 14, 2017. REUTERS/Eric Gaillard TPX IMAGES OF THE DAY

(Bild: ERIC GAILLARD)

Marine Le Pen liegt bei Weitem nicht nur im Elsass vorne. Die Frontistin kommt auch in anderen Gegenden gut an, die eine starke regionale Identität haben. So etwa ausgerechnet in Korsika.

Marine Le Pen hat im ersten Durchgang der französischen Präsidentenwahlen mehr als die Hälfte der französischen Verwaltungsregionen für sich entschieden. Dass sie im Elsass gut abgeschnitten hat, sei mitnichten eine Überraschung, meint der Strassburger Politologe Richard Kleinschmager. Seit 30 Jahren beobachtet er das Wahlverhalten der Elsässer. Und diese wählten nun einmal «rechts», sagt er. Schon 1995 und 2002 habe Vater Jean-Marie Le Pen in den beiden Rhein-Departementen die meisten Stimmen erzielt.

Marine Le Pen wurde Erste mit 25,6 Prozent der Stimmen, gefolgt vom Konservativen François Fillon mit 22,1 Prozent; der landesweite Spitzenreiter Emmanuel Macron muss mit dem dritten Platz (21,3 Prozent) vorlieb nehmen.

Der Front National (FN) mache in der Region seit Langem mehr als 200’000 Stimmen und nähere sich jetzt der Zahl von 250’000. Spektakulär ist dieser Zuwachs in Kleinschmagers Augen aber nicht. Er sieht darin eher eine «Sedimentation».

Schaut man etwas genauer hin, zeigt sich wie überall in Frankreich das Phänomen, dass der FN umso mehr Stimmen holt, je mehr man sich von den urbanen Zentren entfernt. Das mag zunächst erstaunen, sind doch die Landbewohner seltener mit Arbeitslosigkeit oder Immigration konfrontiert. Aber sie wollen eben auch nicht, dass diese Probleme zu ihnen kommen – eine Aussage, die man bei den Reisen durch das ländliche Frankreich immer wieder hört.

Eigenartige Freunde

Auch im fernen Paris erregt «le vote alsacien» für einmal kein besonderes Aufsehen. Das Elsass wählt nun einmal rechts. Was in Paris hingegen für Aufsehen sorgt: dass Le Pen auch im ganzen Norden, Nordosten und Süden des Landes vorne liegt. Das gilt für acht der dreizehn Verwaltungsregionen, die aus der Territorialreform von 2014 hervorgegangen sind. Und dort haben die Lepenisten zum Teil stärker zugeschlagen als im Elsass.

In ihrer nordfranzösischen Hochburg Hauts-de-France erzielte Le Pen 31 Prozent. Auch Lothringen, Champagne, Ardennen und Teil der Normandie und Zentralfrankreichs gingen an den FN, so wie die Provence, die Côte d’Azur und die «Occitanie» (Pyrenäen, Languedoc-Roussillon und Grossraum Toulouse).

Dazu gesellt sich neu Korsika. Ausgerechnet die auf ihre Eigenheit bedachten Korsen. Wie können die Le Pen mit 27,9 Prozent den Vorzug geben, wo doch der FN die jakobinisch-zentralistische Einheit der Nation betont? Französischen Medien zerbrechen sich den Kopf, wie das aufgehen soll.



Le Pen, die Kandidatin der Eigenartigkeit? Viele Korsen kaufen ihr das ab.

Le Pen, die Kandidatin der Eigenartigkeit? Viele Korsen kaufen ihr das ab. (Bild: GettyImages/Giroudon Baptiste)

Le Pen machte allerdings im Wahlkampf bei einem Besuch auf Korsika einige Abstriche an ihrem «nationalen» Programm. Auch wenn sie sich den regionalpolitischen Anliegen von der Bretagne über das Elsass bis nach Korsika verweigert, hatte sie nichts gegen die Präsenz des berühmten Maurenkopfes mit Kopfbinde neben der Frankreich-Trikolore. Le Pens Mitstreiter David Rachline verstieg sich sogar zur ausgesprochen wahlpolitischen Behauptung, seine Partei werde die Korsen «bei der Verteidigung ihrer Eigenart in Zukunft verteidigen».

Der Demoskop Jérôme Fourquet glaubt, dass es vor allem der «gemeinsame Feind», der Islam sei, der die regionalen Separatisten und die Frontisten zusammenbringe. Hinter den Wandsprayereien wie «Arabi fora» («Araber raus»), denen man auf Korsika häufig begegnet, verbergen sich dem Vernehmen nach auch rechtsregionale Separatisten.

Im Elsass kann der FN von vergleichbaren Mechanismen profitieren. Trotzdem fällt auf, dass am Sonntag durchaus auch die linke Bewegung der «insoumis» (Unbeugsamen) von Jean-Luc Mélenchon eine Basis fand: Mit 14 Prozent erzielte er namentlich in der jungen, urbanen Bevölkerung ein Achtungsresultat für elsässische Verhältnisse. Politologe Kleinschmager nennt dies «erstaunlich» für eine Partei, die unter Umständen die EU verlassen und mit ihrem harten Laizismus das Kirchenkonkordat unterdrücken wolle.

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