Das Ende vom Euro-Mindestkurs ist ein Schock fürs Gewerbe

Was bedeutet die Abkoppelung des Frankens vom Euro für die Region? Gewerbefachleute sind besorgt.

(Bild: KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)

Was bedeutet die Abkoppelung des Frankens vom Euro für die Region? Gewerbefachleute sind besorgt.

Für viele war es eine Hiobsbotschaft, die der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Thomas Jordan am Donnerstag verkündete: Die SNB stabilisiert nicht mehr den Euro-Franken-Kurs bei 1.20.

Ein Euro kostete zwischenzeitlich 85 Rappen, der SMI erreichte ein Tagestief von -8,5 Prozent – an der Schweizer Börse herrschte Chaos. Geldinstitute gaben kurzzeitig keine Euros mehr raus, um Spekulationskäufe zu verhindern. Der Finanzplatz Schweiz stand im Fokus des internationalen Interesses

Was bedeutet das Ende der Euro-Anbindung für die Region? Der Direktor des Gewerbeverbands Basel-Stadt, Gabriel Barell, findet klare Worte: «Der Entscheid der SNB ist wie ein schlimmes Erdbeben. Die Auswirkungen dieses Schocks treffen die Unternehmen in der Grenzregion Basel überdurchschnittlich heftig.»

Es könnten Jobs wegfallen

Es ist absehbar, dass das lokale Gewerbe am meisten von diesem Entscheid betroffen sein wird. «Der Auslandkonsum wird weiter zunehmen», sagt Barell. Die Situation für exportierende Unternehmen, Detailhandel und den Tourismus werde extrem schwierig.

Auch Manuel Friesecke von der trinationalen Organisation Regio Basiliensis findet wenig Gefallen am SNB-Entscheid: «Der Detailhandel hatte es in der Region schon schwierig. Das Ende der Euro-Anbindung ist eine neue Herausforderung.»

Er sieht eine allgemeine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Basel. «Es könnten Arbeitsstellen abgebaut oder Unternehmen ins Ausland verlegt werden.»

Roche-Aktie purzelt

Bei Regierungsrat Christoph Brutschin (SP) klingt das nicht so dramatisch. Er sieht «keinen Grund zur Panik». Abwanderung von Unternehmen oder Stellenabbau im grösseren Stil seien momentan kein Thema. «Der SNB-Entscheid hat sicher einen gewissen Impact, wir müssen jetzt abwarten und die Situation im Blick behalten.»

Grossunternehmen wie Novartis und Roche halten sich bedeckt. «Roche ist ein global aufgestelltes Unternehmen», man sei deshalb «weniger betroffen» von den Währungsschwankungen, erklärt der Roche-Mediensprecher, Nicolas Dunant.

Die Roche-Aktie verzeichnete am Donnerstag Kursverluste von zwischenzeitlich über 11 Prozent. Grossunternehmen wie die Roche könnten die Währungsschwankungen jedoch besser abfedern, als das lokale Gewerbe, meint SVP-Grossrat Joël Thüring.

Einkaufstouristen profitieren

Thüring gehörte zu den Politikern, die den Euro-Mindestkurs bei der Einführung 2011 kritisierte. Rückblickend findet er die SNB-Politik nicht so schlecht – «es soll ja nicht verboten sein, etwas dazu zu lernen».

Das Hauptproblem sieht er nun im Einkaufstourismus, der weiter zunehmen könnte.


Vor diesem Hintergrund sei die Verlängerung der 8er-Linie nicht sehr überlegt gewesen, «es zerstört das lokale Gewerbe nur noch mehr.» Basler, die im nahen Ausland einkaufen, sind in Hochstimmung. Sie bezahlen nun noch weniger als sonst – die Kursschwankungen sorgen für etwa 20 Prozent tiefere Preise.

Auch Grenzgänger profitieren von der Überbewertung des Frankens. Die meisten erhalten ihren Lohn in Schweizer Franken und können damit mehr in Euro kaufen. Friesecke von der Regio Basiliensis meint, die Grenzgänger profitieren zwar im Moment, die Kursschwankungen könnten sich jedoch irgendwann wieder in eine andere Richtung gehen. Dann sind die Grenzgänger unter Umständen die Leidtragenden.

Barcelona statt Basel

Von den regionalen Wirtschaftsvertretern ist Franz Saladin, Direktor der Handelskammer beider Basel (HKBB), einer der wenigen, die dem SNB-Entscheid etwas abgewinnen können. Die Schweizer Exportwirtschaft stehe zwar vor einer grossen Herausforderung, doch die Entscheidung der SNB sei «konsequent und richtig», da man sich dadurch von dem strukturschwachen Euroraum abkoppele.


Welche Folgen hat der starke Franken für die Tourismus-Branche? Frederic Pothier von Tourismus Basel hofft, «dass der Entscheid in Basel weniger gravierend ausfällt, da hier etwa 75 Prozent der Logiernächte aus dem Kongress- und Messetourismus generiert werden». Und diese Touristen seien «weniger preissensibel, als gewöhnliche Freizeittouristen».

Eines ist indes sicher: Falls der Euro-Franken-Kurs auf diesem Niveau bleibt, werden sich einige Wochenend-Touristen eher für Barcelona denn für Basel entscheiden.

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