Seit zehn Jahren schreibt der Kanton Basel-Stadt schwarze Zahlen. Dem Stadtkanton geht es blendend, während sich die anderen Kantone der Nordwestschweiz von Defizit zu Defizit hangeln oder sich nur durch rigorose Sparmassnahmen über Wasser halten können
Aufmerksam beobachtet ein distinguiert wirkender älterer Herr, wie im Gerbergässlein das frisch verlegte und abgeschliffene Kopfsteinpflaster abgeflammt wird. «Uns geht es schon gut, wenn wir uns das leisten können», sagt er spontan, aber ohne jeglichen kritischen Unterton. Die Neugestaltung des Gerbergässleins ist Teil des Gestaltungskonzepts Innenstadt, die insgesamt 75 Millionen Franken kosten wird.
«Ja, uns geht es gut», sagt Eva Herzog, Vorsteherin des Basler Finanzdepartements, im Gespräch mit der TagesWoche. Das sind Worte, die von Finanzdirektoren im Moment sehr selten zu hören sind. Schon gar nicht in der Nordwestschweiz.
Rund um Basel sind die Zahlen rot
Herzogs Baselbieter Amtskollege Anton Lauber musste für 2016 ein Defizit von 60,5 Millionen Franken budgetieren. Mit einem Minus von 58,2 Millionen steht der Kanton Solothurn kaum besser da, der Jura kommt mit einem Verlust von 6,9 Millionen noch relativ glimpflich weg, während der Kanton Aargau nur durch rigorose Einsparungen von 100 Millionen Franken ein budgetiertes Defizit vermeiden konnte.
Basel-Stadt indes weist im ordentlichen Budget für 2016 – die ausserordentlichen Ausgaben für die Reform der Pensionskasse nicht mitgerechnet – einen Überschuss von 65,5 Millionen Franken aus. Vor dem Beschluss, dem Partnerkanton Baselland finanziell unter die Arme zu greifen, waren es sogar 85,5 Millionen. Damit kann sich Basel-Stadt nach dem Kanton Bern über den zweithöchsten Überschuss freuen.
17 Kantone mussten für 2016 rote Zahlen veranschlagen. An der Defizit-Spitze steht der Kanton Genf mit einem Minus von 70 Millionen Franken, gefolgt von Baselland mit 60,9 Millionen. Aber auch ein wirtschaftlich so potenter Kanton wie Zürich muss sich im Budget 2016 mit einer schwarzen Null (10 Millionen) zufriedengeben.
Seit zehn Jahren im Plus
Basel-Stadt schreibt seit 2006 ohne Unterbruch schwarze Zahlen. Die Überschüsse bewegten sich von knapp 60 im Jahr 2008 bis zur Rekordmarke von über 378 Millionen Franken im Jahr davor. Regelmässig übertrafen sie in den Staatsrechnungen die budgetierten Beträge zum Teil massiv – dies, obwohl im gleichem Zeitraum die Steuern gesenkt und Schulden abgebaut wurden. Die letzte Rechnung 2014 wies einen Überschuss von 179,3 Millionen Franken aus – budgetiert waren lediglich 2 Millionen.
Dass die Steuereinnahmen in Basel-Stadt die Erwartungen übertreffen, gehört zur Tagesordnung in der Basler Finanzpolitik. Eva Herzog geht davon aus, dass auch der Überschuss in der Rechnung des laufenden Jahrs «um einiges höher ausfallen wird» als die budgetierten 37,5 Millionen. «Das ist eine Folge der vorsichtigen Ausgabenpolitik, wir haben aber auch klar höhere Steuereinnahmen», sagt sie. Auffallend ist, dass die Kurve der Steuereinnahmen durch natürliche Personen stärker angestiegen ist als diejenige der juristischen Personen, also von Unternehmen.
Entwicklung der Steuereinnahmen in den beiden Basel von 1986 bis 2014 (Bild: Wirtschaft beider Basel)
«Krisenresistente Leitbranche»
Dass der Kanton Basel-Stadt finanziell so gut dasteht, hat er zu einem guten Teil seinen prosperierenden Pharmamultis zu verdanken. «Wir haben sicher das Glück, mit den Life-Sciences-Firmen eine relativ krisenresistente Leitbranche zu haben», sagt Herzog dazu. Um dann aber gleich zu ergänzen, dass der Kanton auch dafür Sorge trage, dass Basel als Wirtschaftsstandort attraktiv sei.
Der attraktive Wirtschaftsstandort lässt Menschen mit zum Teil sehr guten Einkommen in Basel Wohnsitz nehmen. «Das ist aber keine Selbstverständlichkeit, das bedingt Massnahmen, die Geld kosten», sagt Herzog nicht zuletzt auch an die Adresse der bürgerlichen Politiker, die der rot-grünen Regierung trotz der unter dem Strich erfreulichen finanziellen Etwicklung des Kantons in regelmässigen Abständen mangelnde Ausgabendisziplin vorwerfen.
Mangelnder Sparwille
Auch beim Budget 2016 kommt von Bürgerlichen Kritik. «Von einem echten Sparwillen ist nach wie vor nichts zu spüren», schreibt der Gewerbeverband Basel-Stadt. «Es besteht noch sehr viel Spielraum. Wir brauchen echte Minderausgaben und nicht einfach weniger Mehrausgaben», lässt sich Gewerbedirektor Gabriel Barell in der Medienmitteilung zitieren.
Weil es unter dem Strich aber dennoch erfreuliche Zahlen sind, traute sich die bürgerliche Mehrheit in der Finanzkommission des Grossen Rats aber nicht wie noch vor einem Jahr, eine Rückweisung des Budgets zu beantragen. So blieb es dieses Mal beim Spar-Appell.
Herzog verteidigt den Ausbau der staatlichen Leistungen, die vor allem die Bereiche Tagesstrukturen, Bildung, Sicherheit und Soziales betreffen. «Wenn mehr Menschen mit Kindern nach Basel ziehen, brauchen wir mehr Platz in den Schulen und mehr Lehrkräfte», sagt sie. «Wir konnten es uns leisten und taten gut daran.» Solange man ein Gleichgewicht halten könne, sei nicht einzusehen, warum man sich durch Leistungsabbau unattraktiv machen solle.
Linke blasen zum Kampf gegen das Entlastungspaket
Der Ratslinken und insbesondere den Personalverbänden stösst auf der anderen Seite sauer auf, dass das Budget 2016 ein Überschuss ausweist, der in etwa den Einsparungen entspricht, welche die Regierung in ihrem im Februar vorgestellten Entlastungspaket beschlossen hat.
Der VPOD und der Basler Gewerkschaftsbund (BGB) fordern von der Regierung, auf die Sparübungen beim Staatspersonal zu verzichten. «Es kann nicht sein, dass Basel-Stadt Baselland 80 Millionen schenkt und im eigenen Kanton ein Sparpaket zulasten des Service Public schnürt», schreibt der BGB. Ähnlich äussert sich der VPOD. Es sei ein Affront für die Kantonsangestellten, dass man bei ihnen sparen wolle, während dem Nachbarkanton «aufgrund von Drohungen locker 80 Millionen Franken rübergeschoben werden.»
Eva Herzog gibt zu, dass die Regierung beim Entlastungspaket von pessimistischeren Prognosen ausging, als man sie heute anstellen würde. Dass die Einnahmenausfälle als Folge der Unternehmenssteuerreform II durch Steuereinnahmen von natürlichen Personen mehr als nur kompensiert wurden, damit habe man nicht rechnen können, sagt sie. Sie möchte aber nicht gleich das ganze Entlastungspaket infrage stellen: «Die Linke kann kein Interesse an einem Staatshaushalt haben, der nicht ausgeglichen ist, der in ein Defizit hineinführt, das zu beheben viel schmerzhaftere Massnahmen erfordern würde.»