Mit der Wanderausstellung «14/18 – Die Schweiz und der Grosse Krieg» zeigt das Historische Museum Basel die Auswirkungen auf, die der 1. Weltkrieg auch auf den neutralen Staat hatte. Neu hat das Museum die Ausstellung mit einem Fokus auf die spezielle Situation der Chemie- und Grenzstadt Basel ergänzt.
Das Motiv ist zweimal dasselbe: Beide Karikaturen zeigen einen geplagten Schweizer, der in einer Presse von einem Vertreter der kriegführenden Nationen zerquetscht wird. Aber auf der einen Karikatur hantiert eine dürre deutsche Schauergestalt mit Pickelhaube an der Presse, während auf der anderen ein spitzbärtiger Franzose den mit einem Hahn geschmückten Hebel dreht.
Diese beiden Karikaturen, die eine zeigt laut der Legende den Zürcher, die andere den Genfer Blick, sind sinnbildlich für eine gespalteten Schweizer Bevölkerung während des 1. Weltkriegs: Während viele Deutschschweizer mit der deutschen Kriegspartei sympathisierten, nahmen die französischsprachigen Schweizer eher Partei für Frankreich.
Begehbare Geschichtsstunde
Immer wieder sind auf dem Rundgang durch die Ausstellung «14/18 – Die Schweiz und der Grosse Krieg» Karikaturen zu sehen – quasi als bildliche Hinweistafeln für die Stimmung in der Schweizer Bevölkerung während des Kriegs. Eigentliche Museumsobjekte sind indes nicht allzu viele vorhanden; die Ausstellung nähert sich weniger über sinnlich-intuitive Momente dem Thema an, sondern mittels eines erklärenden und erzählenden Ansatzes: mit vielen Schrifttafeln, Dokumenten, Fotografien, Hörstationen und Filmausschnitten.
Die Wanderausstellung, die in Basel ihre erste Station hat, und dann in zweifacher Version in sechs weiteren Schweizer Museen zu sehen sein wird, ist eine Art begehbare Geschichtsstunde. Sie ermöglicht eine lehrreiche Reise durch das bislang erstaunlich zurückhaltend aufgearbeitete Kapitel der Schweizer Geschichte während des 1. Weltkriegs, dem ja nichts weniger als die Bezeichnung «Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts» anhaftet.
Militär-Geschichte im Hintergrund
Den Ausstellungsmachern, es handelt sich um eine Gruppe namhafter Schweizer Historiker, geht es nach eigenen Angaben in erster Linie darum, die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Momente des Lebens während der vier Kriegsjahre aufzuarbeiten. Die militärischen Aspekte werden wie auch das eigentliche Kriegsgeschehen in der Welt rund um den neutralen Flecken Schweiz zwar nicht ausgeblendet, aber eher zurückhaltend und im Hintergrund präsentiert, «was vielleicht die einen oder anderen Ausstellungsbesucher enttäuschen könnte», wie Thomas Buomberger, Präsident des federführenden Vereins «Die Schweiz im Ersten Weltkrieg» an der Medienkonferenz zur Ausstellung sagte.
Der gewählte Ansatz ist sicher richtig und gut, denn über den Krieg selber sind in diesen Tagen einige Bücher erschienen, während das politische und gesellschaftliche Leben in der neutralen Schweiz, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen für die letztlich oftmals nicht ganz so neutralen Schweizerinnen und Schweizer bislang ein Buch mit vielen leeren Seiten geblieben ist.
Chronologischer Aufbau
Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut, bereichert diese Zeitreise durch die Schweiz im Krieg aber inhaltlich geschickt mit 20 Themenstationen: Das fängt mit einer Einführungstation an, an der verschiedene einflussreiche Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und Politik vorgestellt werden, und endet mit einem Blick auf die nachhaltigen, ja geradezu umbruchartigen Auswirkungen, die diese Kriegsjahre auf die Schweiz hatten. Dazwischen werden verschiedene Themen beleuchtet wie die politische Spaltung des Lands, die zunehmende Not unter den Soldaten und der Bevölkerung, die Abschottung und Abhängigkeit bis zum Landesstreik.
Dass es aber nicht allen Schweizerinnen und Schweizern während des Kriegs wirtschaftlich nur schlecht gegangen ist, zeigt unter anderem das Basler Fenster, mit dem das Historische Museum Basel die Ausstellung ergänzt. Zur Sprache kommt etwa, dass die Basler Chemische Industrie wegen des Kriegs immense Profite einheimsen konnte. Und zu lesen sind Eintragungen aus einem Tagebuch einer Frau aus gutbürgerlichem Basler Haus, die unter anderem schreibt: «Im Ganzen fliesst das Leben ruhig dahin, auch in dieser schrecklichsten aller Welthändel.»
Lesenwerte Publikationen
Die Basler Ergänzung stellt das eindrückliche Gemälde «Hartmannsweilerkopf» von Niklaus Stoecklin aus dem Jahre 1919 an den Beginn. Dieses gibt mit seiner surrealistisch anmutenden, aschgrauen Kriegslandschaft ein erschütterndes Zeugnis der Zerstörungskraft des Kriegs ab. Es folgt eine grosse Vitrine mit Museumsobjekten aus der Zeit und endet am Schluss der Ausstellung mit fünf Säulen, die thematisch aufgreifen, wie sich Basel nach den Umwälzungen im Krieg weiterentwickelt hat.
Dieses Basler Fenster ist relativ knapp bestückt, was aber in erster Linie an den knappen Platzverhältnissen in den Sonderausstellungsräumlichkeiten liegt. «Wir sind auf einen so reichhaltigen Fundus gestossen, dass wir eigentlich eine separate Ausstellung hätten zusammenstellen können», sagt die Vizredirektorin des Museums, Gudrun Piller. So ist ein grosser Teil des Recherchematerials schliesslich in das Magazin geflossen, welches das Museum zur Ausstellung herausgegeben hat. Herausragend sind neben Fotografien von Carl Hoffmann Auszüge des erwähnten Tagebuchs von Elisabeth Schmid-Fehr. Die Tagebucheinträge sind mit entsprechenden Bildern ergänzt und überdies auf einem speziell eingerichteten Blog nachzulesen.
Zur Wanderausstellung selbst hat das Projektleitungstrio mit Thomas Buomberger, Patrick Kury und Roman Rossfeld im Verlag Hier und Jetzt eine gut 400seitige Publikation herausgeben.
«14/18 – Die Schweiz und der grosse Krieg». Bis 15. Februar 2015 im Historischen Museum Basel. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.