Eine Milliarde Franken sollen die Schweizer Steuerzahler für «Defizite» Olympischer Spiele im Graubünden zahlen. Dabei sind die Spiele ein profitables Milliarden-Business.
«Die Bündner Regierung rechnet bei einer Durchführung von Olympischen Winterspielen im Graubünden mit einem Defizit von 1 bis 1,3 Milliarden Franken», vermeldete die «Handelszeitung» schon im letzten September. Die «Gesamtausgaben für Kandidatur, Vorbereitung und Durchführung der Winterspiele 2022» würden nämlich «1,9 bis 2,3 Milliarden Franken» kosten. Und eine Milliarde sei «die Höhe der Defizitgarantie, die der Bund bereit ist zu übernehmen».
Seither weibelt vorab Bundespräsident und Sportminister Ueli Maurer (SVP) landauf, landab für die Milliarde, die er auf Kosten der Steuerzahler für die drei Wochen Sport-Spektakel aus der Bundeskasse locker machen will. Dabei ist unklar, wie er ausgerechnet auf eine Milliarde kommt: Die Winterspiel-Kandidatur für 2006 im Wallis, die vor dem IOK (Internationales Olympisches Komitee) dann keine Gnade fand, rechnete noch mit ungedeckten Kosten von bloss 30 Millionen.
Milliarden-Gewinne für das IOK
Maurer verschweigt zudem, dass in seiner Milliarde die Kosten für Sicherheit, die etwa in Vancouver 2010 über eine halbe Milliarde ausmachten, nicht enthalten sind. Da müssten dann die Polizei auf Kosten der Kantone und die Schweizer Armee auf Bundeskosten tausende von Überstunden und Diensttagen leisten, warnt der St. Galler Sportspezialist und SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. Er hält generell fest: «Die ganze Sache ist einfach unsauber.»
Unsauber ist etwa, dass die Bündner Olympia-Kandidatur jetzt schon im Hauruck-Verfahren durchgeboxt werden soll: Den Entscheid wo die Winterspiele 2022 stattfinden sollen, fällt das IOK erst 2015 in Kuala Lumpur. Wer sich sonst noch bewerben will, steht auch nicht fest. Und vor allem: Die «Vorgaben» für die Vergabe seiner Winterspiele 2022 will das IOK erst im kommenden Mai präsentieren.
Erst recht unsauber sei es, im Zusammenhang mit solchen Spielen, die vorab in St. Moritz geplant seien, dauernd von «Defiziten» zu reden, stellt Nationalrat Büchel fest. Defizite gebe es der «Knebelverträge» wegen, die das IOK den Austragungsorten aufnötige nämlich nur für diese. Büchel: «Der Stutz geht ans IOK – die Rechnungen zahlen die Bündner und die Schweizer.»
Und «der Stutz» für das IOK mit seinem Hauptsitz in Lausanne fliesst nicht zu knapp: In der letzten Olympiade (Vierjahres-Periode von 2009 bis und mit 2012) hat das IOK fast fünf Milliarden Dollar eingenommen, das ist im «Olympic Marketing Fact File» auf der Website des Olympischen Komitees nachzulesen. Von «Defizit» weit und breit keine Spur.
Bündner müssen draussen bleiben
Die IOK-Milliarden kommen vorab von Fernsehrechten und Sponsoren – und dies steuerfrei: Der Bundesrat gewährt dem IOK den Status einer Non-Profit-Organisation. Das Komitee selber betont, die Organisation brauche für sich selber weniger als 10 Prozent ihrer Einnahmen. Der Rest komme der Sportförderung und anderen wohltätigen Zwecken zugute. Auf «Bussinessinsider» ist eine Auflistung zu finden, wie sich die Gelder verteilen.
So oder so wird die Bündner Bevölkerung, die schon am 3. März über die Olympia-Kandidatur abstimmen muss, 2022 von den Spielen selber nicht viel sehen: Sogar für Angehörige der Athleten sei es fast unmöglich, Tickets zu bekommen, klagt das renommierte Anwaltsbüro Moriarty & Leyendecker. Eintrittskarten gebe es nämlich fast nur noch «für die Reichen und die Mächtigen». Und zusehends nur noch in «Luxuspaketen» mitsamt Limo-Service und Privatjet. Die Familien der Athleten müssten derweil «von Ferne zuschauen». Nur am Fernsehen – wie die meisten Leute an den Austragungsorten erst recht. Was Wunder macht sich vorab der teure Luxus-Kurort St. Moritz für die Sache stark.
Das alles will SVP-Nationalrat Büchel in Bern jetzt auf den Tisch bringen. Er sagt: «Die Bündner müssen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abstimmen.» Und er fordert für die Parlamentsdebatte über Maurers Milliarde, die auch schon im März durch die Räte gepeitscht werden soll: «Erstens gibt es vom Bund höchstens eine fixe Summe – und darüber hinaus keine weiteren Garantien. Zweitens ist diese Summe mit einer Milliarde Franken viel zu hoch angesetzt. Und drittens und vor allem geht es nicht an, dass die Schweizer Steuerzahler die Spiele berappen aber nichts dazu sagen sollen. Darum verlange ich eine referendumsfähige Vorlage.»
Die TagesWoche hat in der Ausgabe vom 4. Januar den Fokus voll und ganz auf die mögliche Kandidatur des Kanton Graubündens für die Olympischen Spiele 2022 gelegt. Wer mehr über die Vorzüge, Nachteile, Chancen und Hoffnungen der Bündner im Zusammenhang mit der Kandidatur erfahren will, dem seien folgende Artikel ans Herz gelegt:
Der Traum von einem neuen Land – Die Schweiz habe Olympia dringend nötig, sagen die Befürworter. Doch die Vorbehalte der Gegner sind enorm.
Immer diese Mäkelei! – Olympia braucht die Schweiz – und umgekehrt, sagt Jörg Schild, Präsident von Swiss Olympic. Das Land müsse sich auch wieder mal mit was Positivem beschäftigen.
An Olympia will die Bündner Elite genesen – Auch wenn die öffentlichen Kassen des Kantons Graubünden und der Bündner Gemeinden leer sind, so setzt sich die Mehrheit der Behörden doch für die Olympischen Spiele 2022 ein. Die Elite des Kantons erhofft sich einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Ein Paradies für Geber und Nehmer – Sagen die Bürger Ja zum Abenteuer Olympia, dann werden die Winterspiele 2022 wohl in Graubünden stattfinden – ernsthafte Rivalen gibt es nämlich kaum.
Brauchen wir die olympischen Winterspiele 2022? – Die Wochendebatte zum Thema.