«Das Problem wird mit der Vertreibung der Wagenleute nicht gelöst»

Am 18. Mai 2014 wird über die Nachfolge des zurücktretenden CVP-Gesundheitsdirektors Carlo Conti entschieden. Für was würden sich die Kandidaten in der Regierung stark machen, wofür nicht? Wir konfrontieren die drei Bewerber mit denselben Fragen. Heute: GLP-Kandidatin Martina Bernasconi.

Geht es nach der GLP-Kandidatin Martina Bernasconi, sollen Büros in hochwertigem Wohnraum freigegeben werden. (Bild: Roland Schmid/Hans-Jörg Walter)

Am 18. Mai 2014 wird über die Nachfolge des zurücktretenden CVP-Gesundheitsdirektors Carlo Conti entschieden. Für was würden sich die Kandidaten in der Regierung stark machen, wofür nicht? Wir konfrontieren die drei Bewerber mit denselben Fragen. Heute: GLP-Kandidatin Martina Bernasconi.

Mit Lukas Engelberger (CVP), Eduard Rutschmann (SVP) und Martina Bernasconi (GLP) buhlen am 18. Mai drei Grossratsmitglieder um den Sitz des scheidenden CVP-Gesundheitsdirektors Carlo Conti. Bernasconi sitzt seit 2009 für die GLP im Basler Parlament. Sie gehört dort unter anderem dem Grossratsbüro und der Bildungs- und Kulturkommission an. Die 49-Jährige hat seit 2002 eine Philosophische Praxis und unterrichtet an der Berufsfachschule Gesundheit Sozialwissenschaften.

Für was würde sich die ehemalige Politikerin der Frauenliste Basel in der Regierung einsetzen? Welche Themen sind ihr wichtig, welche weniger? Befürwortet sie beispielsweise eine Regulierung von Cannabis? Wir haben Martina Bernasconi mit den entsprechenden Fragen konfrontiert. Ihre Antworten:

Das Image der staatsnahen Betrieben ist angeschlagen. Was muss getan werden, damit sich dies ändert und man BVB, BKB, IWB etc. wieder vertrauen kann?

Nun darf keine Kontrollhysterie ausbrechen. Fehlentwicklungen kann es überall geben. Das Parlament soll sich nicht zusätzlich in den Betrieben engagieren, das gäbe eine zusätzliche Verpolitisierung der Gremien. Es soll aber in seiner Oberaufsicht und bei den Vorgaben der Eignerstrategie gestärkt werden. Zudem soll mehr Transparenz geschaffen werden, z.B. über die Entlöhnung der Geschäftsleitungen. Bei der Auswahl des Führungspersonals ist mehr Sorgfalt an den Tag zu legen. Konsequente Umsetzung der Richtlinien für Corporate Governance, das heisst: Wahl des Verwaltungsrates durch Regierung und damit auch Übernahme der ganzen Verantwortung. Die Oberaufsicht (GPK, Grossrat) kann dadurch die Verantwortlichen auch besser zur Rechenschaft ziehen. Wir Grünliberalen haben diesbezüglich im Grossen Rat Vorstösse eingereicht. Meine Motion betreffend «Konkretisierung der Aufsicht bei ausgelagerten Betrieben» verlangt, dass die Aufsicht konkreter gefasst und gesetzlich verankert wird. Einstimmig wurde dieser Vorstoss im März vom Parlament an die Regierung überwiesen.

Derzeit wird intensiv über die Zukunft des Wagenplatzes auf der Klybeckinsel diskutiert. Die Regierung will dort offenbar einen Fussballplatz realisieren, die Wagenleute müssten dafür verschwinden. Befürworten Sie einen baldigen Wegzug der Wagenleute und einen solchen Fussballplatz?

Ich bin dafür, dass der Wagenplatz mit seinen Menschen sowie die weiteren Projekte auf dem Ex-Migrolareal in die Arealentwicklung miteinbezogen werden. Die Erstellung von Flächen für sportliche Aktivitäten auf dem Klybeckquai finde ich nicht per se eine schlechte Idee. Jedoch meine ich, es braucht nicht zwei ganze, professionelle Fussballfelder. Überlegenswert ist sicher eine Mischnutzung: Beachvolleyballfeld, Tennisplatz, Badmintonfeld etc. mit ausreichend Freiflächen für bedürfnis- und quartierorientierte Nutzung. Das Problem wird mit der Vertreibung der Wagenleute vom Klybeckquai nicht gelöst. Die Personen und Wagen lösen sich schliesslich nicht einfach in Luft auf. Vielmehr geht die Diskussion weiter. Die Suche und der behördliche Aufwand nach einem alternativen Standort ginge nach einer Räumung in eine neue, wenig erfolgsversprechende Runde.

«Nun darf keine Kontrollhysterie ausbrechen. Fehlentwicklungen kann es überall geben – nicht nur bei staatsnahen Betrieben.»

Müsste man allgemein konsequenter gegen Besetzer vorgehen oder sind Sie für eine tolerante Praxis?

Es kommt auf die Art der Besetzung an. Korrekt und einwandfrei geplante Entwicklungen oder Umbauten, die unmittelbar anstehen, dürfen durch die Besetzung des Wagenplatzes weder be- noch verhindert werden. Temporäre Nutzungen einer Brachfläche wie dem Ex-Migrolareal, für welche (noch) keine eigenen Pläne oder Ideen vorhanden sind, sollten tolerant und unkompliziert behandelt werden. Freiräume, temporäre Nutzungen schaffen Mehrwert für alle – aktive Stadtentwicklung durch Baslerinnen und Basler, Belebung der Kreativ- und Jugendszene sowie Ermöglichung von gestalterischem Tun. Die Stadtverwaltung strebt mit dem Klybeckquai einen belebten und dynamischen Stadtteil an. Es ist leicht befremdlich, dass genau diese Stadtverwaltung die Lebendigkeit im Keim ersticken möchte. Oder hat sie sich hier einfach zu wenig überlegt?

Gibt es in Basel-Stadt genügend Freiräume oder besteht noch Handlungsbedarf?

Grundsätzlich besteht genügend Fläche für «Freiraum» in der Stadt Basel, nur sollten die Behörden diese auch als solche sehen und akzeptieren. Die Stadtverwaltung versucht aktuell, den vorhandenen Freiraum staatlich zu organisieren, somit ist es kein Freiraum mehr. Dass Freiraum so nicht funktioniert, sieht man auf dem Klybeckquai gut: Die sich unter staatlichen Konditionen und Auflagen befindlichen Nutzungen entwickeln sich schleppend und unter grossen Nervenstrapazen der jeweiligen legalen Nutzenden. Gleich daneben auf dem Ex-Migrolareal, illegal – also ohne penible Auflagen und übertriebene Regulierungen – florieren die Nutzungen und entwickeln sich rasant. Das mögliche Aktivitätsniveau und Kreativpotential eines Freiraums kann durch eine staatliche Regulierung stark gebremst werden.

In der Stadt Basel wird es immer schwieriger, eine Wohnung zu finden. Was wollen Sie dagegen tun?

Eine Stadtplanung, die Wohn- und Lebensräume für alle schafft, ist unabdingbar. Generationenübergreifendes und genossenschaftliches Wohnen soll gefördert werden. Basel braucht für alle Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum. Das ist in unserem Kanton nur durch verdichtetes Bauen möglich. Im Komitee «Pro Zonenplan» setze ich mich dafür ein, dass in Basel verdichtet, zeitgemäss und ökologisch gebaut werden darf – im Entwicklungsgebiet Ost genauso wie auf dem Bruderholz.

Es geht immer mehr bezahlbarer Wohnraum verloren. Was wollen Sie machen, damit sich auch die weniger gut Verdienenden die Mieten in der Stadt noch leisten können?

Es sollten Anreize geschaffen werden, dass Büros in hochwertigem Wohnraum freigegeben werden, Büroräume gibt es ausreichend in der Stadt. Verdichtetes Bauen ist in unserem kleinen Kanton unabdingbar.

Auch für das Gewerbe gibt es zu wenig Flächen. Wie wollen Sie diesem Problem begegnen?

Ich unterstütze die Initiative des Gewerbeverbandes in Basel Nord. Das Schlachthofareal und das Dreispitzareal geben auch dem Gewerbe eine Chance.

Läuft in der Stadt genügend oder könnte sie lebendiger sein (mehr Veranstaltungen und Beizen)?

Ich fühle mich hier sehr wohl und meine, Basel ist offen, lebendig und enorm vielfältig. Verschiedenste Menschen leben und arbeiten hier. Wir müssen alle Sorge dazu tragen, dass es so bleibt. Ja, es läuft genügend in Basel.

Die Umsetzung des Verkehrskonzeptes Innenstadt liegt momentan auf Eis. Zu recht?

Nein.

Würden Sie sich als Regierungsrätin für eine rasche Umsetzung des Konzeptes einsetzen?

Ja.

«Autofahren muss etwas kosten. Es gibt genügend Parkplätze – nur sind heute noch immer nicht alle bereit, dafür den Marktpreis zu bezahlen.»

Sind Sie für den Ausbau des ÖV?

Ja.

Sind Sie für das Erlenmatt-Tram?

Ja.

Die Autofahrer fühlen sich von der Regierung vernachlässigt, so beklagen sie, dass immer mehr Parkplätze verschwinden würden und ihnen das Autofahren vermiest würde. Welche Priorität haben Autofahrer auf Ihrer Liste?

Autofahren muss etwas kosten. Es gibt genügend Parkplätze – nur sind heute noch immer nicht alle bereit, dafür den Marktpreis zu bezahlen. Ich bin für den Ausbau des neuen Parkings beim Kunstmuseum. Wir Grünliberalen erachten es als sinnvoll, wenn Autos in Parkhäusern (unter dem Boden) abgestellt werden und es so mehr Platz für alle gibt, auch für Velos und Fussgängerinnen und Fussgänger. Die Priorität der Autos hängt von der Zone ab. Ich bekenne mich zu einer autofreien Innenstadt und in ausgewählten Quartieren auch zu Tempobegrenzungen. Autos und vor allem auch Gewerbe brauchen aber eine gute Zufahrt zur Stadt mit ihren Parkhäusern.

Was möchten Sie tun, damit das Velofahren in der Stadt attraktiver wird?

Durchgehende und sichere Velorouten realisieren. Weniger Hindernisse und eine Gleichberechtigung gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden. Zudem soll es auch überall genügend freie Parkplätze (analog dem Auto) geben. Diese dürfen an zentralen Orten (z.B. an den überwachten Bahnhofparkings) auch etwas kosten.

Ist Basel-Stadt familienfreundlich genug?

Basel hat grosse Fortschritte gemacht, z.B. in der Familienbetreuung und bei der Gestaltung der Spielplätze. Allerdings ist das Angebot noch nicht flächendeckend. Beispielsweise fehlen Tagesferienangebote während gewisser Schulferien. Die Tagesstrukturen sind auf gutem Weg. Ich persönlich bin jedoch nach wie vor der Überzeugung, Tagesschulen wie wir es in Frankreich, Italien, England oder auch im Tessin kennen, sind für moderne Familien unabdingbar.

Was würden Sie tun, damit man sich auf der Strasse sicher fühlt?

Dank mir ist es heute auf jeder Polizeistelle möglich, einen sogenannten Schlüsselalarm zu bekommen. Ältere Menschen, Frauen, Geschäftsinhaber fühlen sich damit sicherer.

Sind Sie für einen Ausbau des Polizeibestandes?

Ein Ausbau ist bei den Ermittlungsbehörden nötig, damit Anzeigen nicht unbearbeitet auf dem grossen Haufen landen und auch bei häuslicher Gewalt und ähnlichen Gewaltdelikten effizient ermittelt werden kann. Beim Polizeibestand muss lediglich darauf geachtet werden, dass der heutige Sollbestand eingehalten werden kann.

Müssen die Steuern für Privatpersonen gesenkt werden?

Basel ist gut positioniert betreffend Einkommenssteuern. Der eher untere Mittelstand dürfte aber noch gezielt etwas entlastet werden, z.B. durch einen tieferen Einstieg bei den Einkommenssteuern. Staatsausgaben sollten nicht stärker als Inflation wachsen, ausserdem muss unser Kanton attraktiv bleiben und Unternehmen anziehen können, die ihre Steuern bei uns zahlen.

Sind Sie für weitere Senkungen der Unternehmenssteuern?

Diese Frage muss dann beurteilt werden, wenn die Unternehmenssteuerreform III, die auf Druck der EU/OECD am Laufen ist, abgeschlossen ist. Mit dieser wird sich die Unternehmensbesteuerung auch in Basel massiv ändern. Wichtig ist, dass Basel mit der Life Sciences bei der Unternehmensbesteuerung international wettbewerbsfähig bleibt.

«Der eher untere Mittelstand dürfte steuerlich noch gezielt etwas entlastet werden.»

Was müsste der Staat im Umgang mit Unternehmen besser machen?

Pragmatischer, unbürokratischer Denken und Handeln. Bei kleineren Dingen mit Augenmass – nicht immer auf den Millimeter die Vorschriften anwenden, dafür bei gravierenden Verstössen wie Schwarzarbeit härter zupacken.

Die Krankenkassen-Prämien in Basel-Stadt steigen und steigen. Wie möchten Sie dem entgegenwirken?

Ich werde in den nationalen Gremien an drei Punkten hart dafür arbeiten: 1) ambulante Spitalbehandlungen wie die stationären finanzieren, das entlastet die Kassen und die Prämien 2) faire Berechnung der Reserven bei den Kassen, damit wir in Basel künftig im Kantonsvergleich nicht mehr zu viel zahlen. 3) Die Zulassung von Spezialistinnen und Spezialisten bremsen und dafür die Hausärztinnen und Hausärzte und lokale Gesundheitszentren fördern. Gemeinsam müssen wir hier echte Lösungen schaffen. Es nützt niemanden, wenn falsche Anreize (wie z.B. bei der zum Glück nicht überwiesenen Motion Engelberger) gesetzt werden.

Weitere Möglichkeiten:
– zusammen mit anderen betroffenen Kantone (z.B. Genf) in Bundesbern Druck ausüben, um die Prämienregionen neu zu definieren.
– Mehr Kooperationen mit ausländischen Spitälern aushandeln, um Kosten zu senken.
– Handelshemmnisse für die Einfuhr von Generika abbauen.

Befürworten Sie einen Grossbasler Rheinuferweg?

Ja. Ich bin im Komitee und überzeugt, Basel und alle Menschen können mit einem durchgängigen Rheinsteg auf der Grossbaslerseite nur gewinnen.

Für Veranstalter und Gastronomen ist es sehr aufwändig, eine Bewilligung zu bekommen. Würden Sie sich für eine Vereinfachung einsetzen – und müsste sich die Verwaltung den Veranstaltern gegenüber allgemein toleranter zeigen?

Ja, das definitiv, doch hier beisst man bei Regierungsrat Christoph Brutschin auf Granit.

Momentan wird national, aber auch kantonal über eine Regulierung von Cannabis diskutiert: Gemäss dem Genfer Modell soll den Kiffern in sogenannten «Social Clubs» Cannabis zur Verfügung gestellt werden. Geraucht werden soll aber im privaten Rahmen. Auch Basel liebäugelt mit diesem Modell. Finden Sie das eine gute Idee?

Ja. Analog zu Alkohol sollte Canabiskonsum und Handel ab 18 Jahren legal sein.

Bereits erschienen: SVP-Kandidat Eduard Rutschmann. Lesen Sie mehr zum Thema in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 11. April, auf Papier oder in der App.

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