Im Sudan haben am Montag die dreitägigen Wahlen begonnen. Das Land hat mit der Abspaltung des Südsudans 2011 einen Grossteil seiner Erdölfelder verloren und versucht seither, seine darbende Wirtschaft mit Investitionen in die Landwirtschaft zu diversifizieren. Dabei profitieren auch Schweizer Firmen. Ein Besuch vor Ort.
Die Wüste beim Dorf Dabba im Norden des Sudans ist grün soweit das Auge reicht. Nahe von Dongola, der Hauptstadt der Provinz Nordsudan, pflanzt hier ein Investor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten seit Kurzem die Futterpflanze Luzerne an, bisher auf einer Fläche von 3000 Hektaren oder 30 Quadratkilometern. Geerntet wurde erstmals im Januar 2014.
Auf 500 Hektaren der Fläche wurde zudem Winterweizen angepflanzt, der Saatgut für die sudanesische Regierung liefert. Die Anlage soll demnächst insgesamt 120’000 Hektaren oder 120 Quadratkilometer umfassen. Die Luzerne, die jeden Monat geerntet werden kann, ist als Heu für den Export in die Emirate bestimmt.
Joint Venture zwischen Staat und privaten Investoren
Das riesige Projekt heisst Amtar und ist ein Joint Venture der sudanesischen Regierung und der privaten Firma Jinan aus den Emiraten. Die sudanesische Regierung ist mit 40 Prozent an Amtar beteiligt. Das Land gehört dem Staat und wurde langfristig verpachtet. Es ist unbewohnt und wurde bisher nicht landwirtschaftlich genutzt. Vereinzelt suchen einige Ziegen oder auch ein Kamel in der flachen Wüsten ausserhalb der bewässerten Zone nach etwas Nahrung.
Die Bewohner der umliegenden Dörfer, deren Häuser meist aus ungebrannten Lehmziegeln bestehen, haben ihre Felder näher am Nil, wo die Bauern unter anderem Bohnen anbauen. Die Landwirtschaft spielt im Sudan eine wichtige Rolle und trägt knapp 40 Prozent zum BIP bei. Laut der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO sind Landwirtschaft und Viehzucht für 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung die Haupteinnahmequelle.
Amtar: Grundwasser aus 120 Metern Tiefe macht das Wachstum erst möglich. Es ist ein gefährlicher Eingriff in die Wasserreserven. (Bild: Annegret Mathari)
Amtar konnte die Wüste dank dem Grundwasser in 120 Metern Tiefe begrünen, das durch den 12 Kilometer entfernten Nil gespiesen wird, wie Joan Pretorius, der aus Südafrika stammende Manager, sagt. Bewässert wird rund um die Uhr mit Sprinklern von oben – Amtar heisst Regen. Für die Bewässerungsanlage haben auch Schweizer Firmen wie Endress+Hauser aus Reinach und Georg Fischer aus Schaffhausen Teile geliefert, darunter Messgeräte und Ventile.
Zurzeit arbeiten 40 lokale Angestellte sowie ein Dutzend ausländische technische Spezialisten auf der Anlage. Die höchsten Kosten verursacht zurzeit der Treibstoff für die Generatoren der Bewässerungsanlage. Madani arbeitet daran, eine öffentliche Stromleitung zu bekommen.
Das Land wird langfristig gepachtet, im Sudan ist dies durchschnittlich 50 Jahre. Für die Bearbeitung der Gesamtfläche investiert der Konzern 60 Millionen Dollar, einschliesslich Material wie Bewässerungsanlage und Traktoren.
Die Regierung erleichtert etwa die Aufnahme von Bankkrediten. In den ersten sieben Jahren wird keine Einkommenssteuer verlangt, danach eine in Höhe von rund 10 Prozent. Der Konzern erwartet nach den Worten von Madani, dass die Investitionen in drei bis fünf Jahren gedeckt sind und der Nettogewinn für Tierfutter 20 bis 30 Millionen Dollar beträgt. In Zukunft will der Konzern in dieser Wüstenregion, wo heute kaum ein Baum wächst, sogar eine Milchfarm betreiben.
Strom wird mitten im Nirgendwo von einem Generator produziert. (Bild: Annegret Mathari)
Wasserreserve gefährdet
Laut FAO ist ein Drittel des Sudans landwirtschaftlich nutzbar, bebaut ist heute jedoch nur ein Fünftel. Probleme dürfte es vor allem mit Blick auf das Wasser geben. Die meisten der riesigen Landwirtschaftsprojekte in- und ausländischer Investoren befinden sich in der Nähe des Nils.
Experten internationaler Organisationen wie der FAO warnen davor, Grundwasser für solche Projekte zu verwenden. Der Sudan setze damit seine Wasserreserve für die Bevölkerung auf Spiel. Denn möglicherweise werde der Klimawandel in dem Sahelland künftig zu grösseren Dürren führen, sagt ein Landwirtschaftsexperte. Zudem sei unklar, wie sich der riesige Staudamm (Great Ethiopean Renaissance Dam) in Äthiopien, der 2017 in Betrieb gehen soll, auf die Wasserzufuhr im Sudan auswirken werde.
Als weitere Unsicherheit bezeichnete er ein Abkommen von 2010, mit dem Nilanrainerstaaten, darunter Ruanda, Tansania, Uganda, Kenia, Burundi und Äthiopien die bisherige Verteilung des Nilwassers neu verhandeln wollen. Das Abkommen soll einen Vertrag aus der Kolonialzeit von 1929 ersetzen, mit dem Ägypten und dem Sudan gut 80 Prozent des Nilwassers zugesprochen wurde.
Beobachter bemängeln zudem, dass bei den Agrarinvestitionen oft unklar sei, inwiefern es zu einem Wissenstransfer komme und die Schaffung von Jobs bleibe meist unter den Erwartungen. Nach Angaben von Shawer sollten 80 Prozent der Angestellten ausländischer Investoren Sudanesen sein. Auf den Feldern von Amtar arbeiten zurzeit jedoch vor allem Pakistaner und Bangladescher, insgesamt 650 Personen.