Das Wildschwein pflügt die Toskana um – nun blasen Politiker zum Halali

Wildschweine überrennen Italien und pflügen die Landschaft um. Das weckt die Wildsau in Lokalpolitikern, die mit martialischen Massnahmen gegen die Tiere vorgehen wollen.

Der Stiefel kommt unter die Hufe: In Italien tummeln sich immer mehr Wildschweine.

(Bild: Nils Fisch)

Wildschweine überrennen Italien und pflügen die Landschaft um. Das weckt die Wildsau in Lokalpolitikern, die mit martialischen Massnahmen gegen die Tiere vorgehen wollen.

Eigentlich ist das Wildschwein schon lange nicht mehr richtig wild. Aus der Jungsteinzeit gibt es Hinweise auf seine Domestizierung. Auch im beliebten Asterix-Comic gehört das Wildschwein mehr oder weniger zum Inventar. Jedes überstandene Abenteuer feiern die beiden gallischen Widerständler Asterix und Obelix mit einem ausgelassenen Wildschwein-Gelage für das ganze Dorf. Gut möglich, dass diese Tradition bald auch in Italien Wirklichkeit wird. Das Wildschwein ist auf dem Vormarsch, und deshalb in höchster Gefahr.

Auf dem italienischen Stiefel, aber vor allem in der Toskana können sie davon ein Lied singen. Noch in den Neunzigerjahren lagen die toskanischen Laubwälder wie verwaist da. Heute tummeln sich in der bei Touristen so beliebten Region Hunderttausende Bachen, Keiler und Frischlinge. Von einer halben Million toskanischer Wildschweine ist die Rede. Im ganzen Land sollen es inzwischen über eine Million sein. Ihre Zahl hat sich seit der Jahrtausendwende fast verdreifacht. Gute Aussichten für einen baldigen Wildschwein-Schmaus, etwa schon in den Osterferien?

Die Toskana, eine Kraterlandschaft

Der richtige Umgang mit dem Wildschwein, lateinisch sus scrofa, hat sich über die Toskana hinaus zu einem umstrittenen Debattenthema entwickelt. Unversöhnlich stehen sie sich gegenüber: Landwirte und Jäger auf der einen Seite, Tier- und Umweltschützer auf der anderen. Die einen beklagen die Zerstörung ihrer Anbauflächen, Wiesen und Felder. Nicht nur sei etwa das Weinanbaugebiet des Chianti classico in Gefahr, gab jüngst der Direktor des Konsortiums zu Bedenken, die gesamte toskanische Kulturlandschaft drohe durch unaufhaltsam den Boden umpflügende Schweineschnauzen zu verkommen. Mit unvorhersehbaren Folgen, auch für den Tourismus. Die Toskana, eine Kraterlandschaft.

Dass es sich um ein ernstes Problem handelt, dafür sprechen etwa die 2,5 Millionen Euro Ausgleichszahlungen, die die Region im vergangenen Jahr für durch Wildschweine verursachte Agrarschäden leistete. Italienweit dürfte die Summe im zweistelligen Millionen-Bereich liegen. Die Säue sind manchmal sogar lebensgefährlich. Im vergangenen Jahr wurden bis zu 1000 von verirrten Wildschweinen verursachte Verkehrsunfälle auf toskanischen Landstrassen gezählt. Es gab mindestens drei Tote.

Die Bürgermeisterin von Ancona will die Wildschweine mit Flammenwerfern ausrotten und schimpft Tierschützer Idioten.

Wegen der Wildschwein-Plage gibt es in Florenz nun ganz konkrete Pläne, die Population zu begrenzen, aus Mangel an Alternativen mit recht martialischen Massnahmen. Drei Jahre lang sollen gelockerte Jagdbestimmungen gelten und auf diese Weise die Hälfte aller toskanischen Wildschweine, also etwa 250’000 Exemplare erlegt werden. Umweltschützer, Tierfreunde, aber auch ein paar Exponenten des kulturellen Lebens hängten sich nun bei einer Demo in Florenz Wildschwein-Masken um, weil sie ein höchst unerfreuliches Ereignis zwischen «Blutbad» und «Massenerschiessung» witterten.

Dass das Klima für die Wildsau rauer wird, dass hatte vor Monaten bereits Valeria Mancinelli, die Bürgermeisterin von Ancona, angedeutet. Auch ihre Region, die Marche, sowie der halbe italienische Stiefel sind von der Invasion betroffen. Die diplomatische Dame schlug den Gebrauch eines «Flammenwerfers» zur «Ausrottung» der Vierbeiner vor und nannte Tierschützer «Idioten». Dabei hat die Menschheit die Geister selbst gerufen, als die Tiere in den Neunzigern insbesondere zum Vergnügen der Jäger wieder angesiedelt wurden. Die Widerstandsfähigkeit der Gattung und ihr beispielloses Talent zu Fortpflanzung besorgten den Rest.

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