Das Initiativkomitee für die freie Wahl aller Wahlpflichtfächer plädierte an einer Medienkonferenz dafür, musische Fächer nicht gegen Naturwissenschaften und Sprachen auszuspielen.
Eine Sekundarschülerin – nennen wir sie Paula – hat eine Affinität für Mathematik. Gerne möchte sie auch weitere Fremdsprachen lernen, um vielleicht einmal als Wissenschaftlerin im Ausland arbeiten zu können. Das bleibt ihr aber verwehrt, da das neue naturwissenschaftliche Fach Mint nicht mit Italienisch kombinierbar ist. Ähnlich geht es Paulas Klassenkameraden Stefan: Er interessiert sich für den Studiengang Industriedesign, kann aber die dafür geeigneten Fächer Technisches und Bildnerisches Gestalten nicht parallel besuchen. Ebenso das Nachsehen hat Jessica, die mit ihrer künstlerischen Ader liebend gerne zeichnet, aber auch musizieren möchte.
Genau hier will die «Initiative für eine freie Wahl aller Wahlpflichtfächer in der Sekundarschule» ansetzen. Über das kantonale Anliegen, das etwas im Schatten der grossen eidgenössischen Vorlagen steht, wird am 28. Februar abgestimmt. Das Initiativkomitee präsentiert nun seine Argumente.
Initianten sprechen von einer Abwertung der musischen Fächern
Dabei dreht sich alles um den P-Zug der neuen Sekundarstufe im Rahmen der Schulharmonisierung. Der Begriff Wahlpflichtfächer (nicht zu verwechseln mit den Schwerpunktfächern der Gymnasien) aus dem Schuljargon mag zunächst widersprüchlich klingen. Dabei geht es aber um einen Wahlbereich innerhalb des Obligatorischen. In der Stundentafel sind dafür ab der zweiten Klasse vier Lektionen vorgesehen. Ab Sommer dieses Jahres werden die Schülerinnen und Schüler erstmals aus einer Palette von sieben Fächern zwei davon aussuchen können.
Es gibt hier aber eine Einschränkung: Als erstes Wahlpflichtfach kann zwischen Mint (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und Lingua Latein beziehungsweise Italienisch ausgesucht werden. Als zweites Fach stehen Bildnerisches, Textil- und Technisches Gestalten sowie Musik zur Verfügung. Jugendliche des leistungsstärksten P-Zuges, die das Gymnasium im Visier haben – ungefähr 40 Prozent der Sekundarschüler – können also im Gegensatz zu ihren Kollegen aus den anderen Zügen nicht frei kombinieren: Ein Wahlpflichtfach muss aus dem Mint- und Lingua-Topf stammen, das andere aus der musisch-gestalterischen Gruppe.
«Wir wollen diese Ungerechtigkeit beseitigen», sagt Christoph Tschan von der Geschäftsleitung der Freiwilligen Schulsynode (FSS). Für alle Schüler müsse in diesem Bereich die freie Wahlmöglichkeit gelten. Das ist in den Augen von Tschan besonders wichtig, um die Selbstverantwortung und Motivation zu fördern: Schülerinnen und Schüler «sollen die Wahl nach ihren Interessen vornehmen können», sagt Christoph Tschan.
Das «Märchen» von den Künstlern, die das Gymi kapern wollen
Das Komitee spricht von einem «sanften Zwang zu wissenschaftlichen Fächern». Demgegenüber würden aber die musischen und gestalterischen Fächer abgewertet, was mit der Initiative korrigiert werden soll. Laut Martin Metzger, Sekretär des Initiativkomitees, ist die Sache mit den Wahlpflichtfächern keine parteipolitische Angelegenheit: Unterstützung sei dem Komitee aus verschiedenen politischen Richtungen zugesichert worden.
Gegenwind komme hingegen vor allem von der Handelskammer und manchen Rektoren der Gymnasien. «Es wird oft behauptet, es ginge den Vertretern musischer Fächer darum, Mint abzuschiessen», sagt Metzger. Dabei wollten die Initianten aber eben gerade nicht die einzelnen Fachrichtungen gegeneinander ausspielen: «Unser Anliegen richtet sich nicht gegen die Naturwissenschaften», betont Martin Metzger.
«Gute Angebote statt Zwänge»
Der Vorwurf der Gegner, dass Künstler nun versuchten, potenziellen Ingenieuren das Wasser abzugraben, weist er daher als Märchen zurück. «Viel sinnvoller ist es, das Interesse für gewisse Fächer mit guten Angeboten statt Zwängen zu fördern», sagt Metzger. Zudem werde auch im Falle einer Annahme der Initiative kein Mathe-Genie benachteiligt: Wer sich für Naturwissenschaften interessiert, könne weiterhin uneingeschränkt Mint wählen.
Von der Initiative können womöglich auch Schüler profitieren, die eben nicht musisch interessiert sind. Fabienne Rebetez vom Verband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer Bildnerische Gestaltung (LGB) nennt dazu ein Beispiel: Die Kombination von Latein und Italienisch – besonders attraktiv für Sprachinteressierte – wäre dann möglich.