«Dass es keine Gewalt mehr gibt vor dem Stadion ist ein Ziel – wie der Weltfrieden auch»

Der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) steht dem verschärften Hooligan-Konkordat weiterhin skeptisch gegenüber. Man müsse Realist bleiben: Ständige Verschärfungen des Gesetzes würden das Problem nicht lösen.

Der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr ist weiterhin skeptisch gegenüber einer Verschärfung des Hooligan-Konkordats. (Bild: Nils Fisch)

Der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) steht dem verschärften Hooligan-Konkordat weiterhin skeptisch gegenüber. Man müsse Realist bleiben: Ständige Verschärfungen des Gesetzes würden das Problem nicht lösen.

Herr Dürr, hätten die Ausschreitungen in Bern mit dem verschärften Hooligan-Konkordat verhindert werden können?

Das ist spekulativ, aber ich bin sehr skeptisch. Das Wesen des verschärften Konkordats ist präventiv. Strafrechtlich härter angehen kann man mit dem neuen Konkordat niemanden. Jene, die am Pfingstmontag die Ausschreitungen angezettelt haben, kamen zum Teil ja aus dem Ausland und nur nach Bern, um Stunk zu machen. Diese Gruppe hätte man mit dem Konkordat kaum von Ausschreitungen abhalten können.

Ihre Kollegen in Bern sagen genau das Gegenteil.

Ich kann nur für uns reden. Wir haben in der Basler Regierung entschieden, dem verschärften Konkordat beizutreten. Nicht zuletzt, um eine national einheitliche Gesetzgebung zu haben. Weil das verschärfte Konkordat zum grössten Teil aus «Kann-Bestimmungen» besteht, können wir an unserem Basler Modell festhalten: die multidisziplinäre Zusammenarbeit mit allen, das harte Durchgreifen im Einzelfall. Wir haben im Moment übrigens eher mehr Verhaftungen als früher, auch wenn die Anzahl der Vorfälle zurückgegangen ist. Wir sind damit auf einem guten Weg.

Sie gelten als Gegner des verschärften Konkordats. Um es hier noch einmal festzuhalten: Das sind Sie immer noch?

Es ist bekannt, dass ich dem Konkordat gegenüber skeptisch bin und eine Verschärfung des gesetzlichen Instrumentariums als nicht nötig erachte. Meine Kollegen in der Regierung haben die nationale Einheit der Gesetzesgrundlagen etwas stärker gewichtet. Um einer Legendenbildung vorzubeugen: Es war eine gute Diskussion in der Regierung und wir sind überzeugt, dass wir auch mit dem verschärften Konkordat an unserem Basler Weg festhalten können.

«Strafrechtlich härter angehen kann man mit dem neuen Konkordat niemanden.»

In Bern wurden die Fangruppen nicht konsequent getrennt. Nun gibt es Stimmen, die dem Polizeicorps Absicht unterstellen – aus politischen Gründen. Was halten Sie davon?

Es ist nicht an mir, das Dispositiv eines anderen Polizeikorps zu beurteilen. Aber erstens gehe ich davon aus, dass jede Polizei das Beste aus einer Situation herausholen will. Und zweitens stimmt es, dass die Trennung der beiden Fangruppen hohe Priorität hat. Wir haben das in Basel immer wieder verbessert und tun das immer noch. Ich war vor ein paar Wochen am Spiel gegen den FCZ und dort haben wir festgestellt, dass ein Sichtschutz noch etwas ausgebaut werden könnte. So werden wir laufend besser.

Noch einmal zu Bern: Kann es wirklich so schwierig sein, zwei Fangruppen zu trennen?

Wie gesagt, ich war nicht in Bern. Und es ist sicher nicht an mir, über andere Korps zu urteilen.

Umgekehrt ist die Zurückhaltung kleiner. Hans-Jürg Käser, Sicherheitsdirektor des Kantons Bern, hat Sie in der «Basler Zeitung» persönlich angegriffen. In Basel argumentiere man in Bezug auf den FCB generell im Stil von «Es gibt hier kein Problem». Gibt es kein Problem?

Wir haben nie gesagt, dass es bei uns kein Problem gibt. Aber es ist eine Tatsache, dass die letzten paar Jahre relativ ruhig waren und das ist sicher auf das Basler Modell zurückzuführen. Beim Konkordat geht es nicht darum, ob man Gewalt toleriert. Unsere Toleranz gegenüber Gewalttätern ist nicht kleiner oder grösser als in anderen Kantonen. Die Toleranz ist gleich Null.

Und genau das nimmt man Ihnen nicht ab.

Ja, aber es stimmt. Wir tolerieren Gewalt nicht und machen dafür eine Menge: Das erste Konkordat ist bei uns in Kraft, wir haben bereits eine Bewilligungspflicht und auch wir kennen den sofortigen Strafbefehl durch die Staatsanwaltschaft, was in anderen Kantonen «Schnellrichter» genannt wird.

«Unsere Toleranz gegenüber Gewalttätern ist nicht kleiner oder grösser als in anderen Kantonen. Die Toleranz ist gleich Null.

Käser sagte im gleichen Interview, die Basler Fans würden vor allem auswärts «die Sau rauslassen». Müsste der Club bei Auswärtsspielen stärker in die Verantwortung genommen werden?

Wichtigster Pfeiler des Basler Modells ist die im Jahr 2010 abgeschlossene regionale Vereinbarung zwischen den beiden Basel, dem FCB und dem Stadionbetreiber Basel United. Diese orientiert sich an den Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren. Dort sind die Verantwortlichkeiten des Clubs auch zur Fanarbeit geregelt.

Im nationalen Diskurs wird häufig mit dem Finger nach Basel gezeigt. Das Reden über das «Basler Modell» scheint nicht wirklich zu fruchten.

Ich habe in den vergangenen Wochen an Konferenzen verschiedene Kollegen aus anderen Kantonen getroffen und dabei war das Konkordat ab und zu Thema. Und ja, es gibt unterschiedliche Auffassungen. Die darf man auch haben. Grundsätzlich spüre ich aber keine Verstimmung oder eine Verhärtung der Diskussion. Es ist logisch, dass Basel im Fokus steht. Wir haben den grössten Club, den erfolgreichsten, die meisten Fans, das grösste Budget. Da schaut man genauer hin als in Appenzell Innerrhoden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir eine Debatte wie nach dem Vorfall vom Montag nicht noch anheizen dürfen, sondern weiterhin unsere Arbeit an der Front machen und damit im besten Fall ein Vorbild für die anderen Kantone sein können.

Ein Vorwurf, den man aus anderen Kantonen immer wieder hört, ist die Nähe des FCB zur lokalen Politik. Gibt es in Basel einen Druck als Politiker, pro FCB zu sein?

Ich spüre diesen Druck nicht. Zwar habe ich sporadisch Kontakt mit Clubpräsident Bernhard Heusler, aber dieser Kontakt geht praktisch immer von mir aus. Noch nie hat der Club oder eine Fanvereinigung versucht, auf mich Einfluss zu nehmen.

Das ist ja auch gar nicht nötig. Wenn man in Basel wiedergewählt werden möchte, darf man doch nicht gegen den FCB sein.

Das sehe ich nicht so. Ich selbst gehe ein bis zweimal im Jahr an einen Match. Ein echter Fan würde mich aber nie als echten Fan bezeichnen. Von dem her habe ich eine gewisse emotionale Distanz zum FCB. Übrigens bin ich skeptisch, ob ein Referendum gegen das verschärfte Hooligan-Konkordat in Basel eine Chance hätte. Auch hier würde das Konkordat eine Mehrheit finden.

Aber wahrscheinlich keine sehr grosse.

Im Baselbiet lag die Zustimmung bei der letzten Abstimmung bei über 90 Prozent. Würde man sich als Politiker also nur an den Stimmenverhältnissen orientieren, müsste man auch in Basel-Stadt für das Hooligan-Konkordat sein.

Was wird den FCB-Fan in Zukunft bei Auswärtsspielen erwarten?

Die Neuerungen vom alten zum neuen Konkordat sind bescheiden. Die gesamte Diskussion für oder gegen das Hooligan-Konkordat wird wahrscheinlich zu laut geführt und findet in erster Linie auf einer symbolischen Ebene statt. Der grösste Unterschied zu früher ist das ausgebaute Rayonverbot. Wenn ein Basler in St. Gallen dumm tut, gilt ein allfälliges Rayonverbot auch für die restliche Schweiz. Zudem kommt die Bewilligungspflicht, die wir in Basel schon kennen.

Vergessen Sie nicht die Transport-Bestimmungen im Extrazug? Dass man als Fan nur noch im Extrazug zum Auswärtsspiel reisen kann?

Das ist eine «Kann-Auflage».

Die in Bern und Zürich ganz sicher umgesetzt wird.

Das müssen Sie die Berner und Zürcher fragen.

Wenden wir uns kurz der symbolischen Diskussion zu. Wo liegt denn das Problem?

Es ist eine grundsatzpolitische Frage: Wie soll unsere Gesellschaft funktionieren? Braucht es überall dort, wo ein Problem besteht, gleich ein neues Gesetz? Oder müssten die bestehenden Gesetze nicht einfach besser angewendet werden?

Es geht doch auch darum, wie stark eine Minderheit eine Mehrheit beeinflussen kann.

Ja. Das spielt eine Rolle. Es kommt darauf an, ob mit einer kleinen Massnahme für die Mehrheit ein grosses Problem der Minderheit gelöst werden kann. Und da bin ich im vorliegenden Fall skeptisch. Die ständigen Regelverschärfungen in diesem Bereich zeigen, dass damit nicht unbedingt etwas erreicht wird.

Die Verschärfungen werden doch so lange weitergehen, bis jegliches Risiko ausserhalb und innerhalb von Fussballstadien verschwunden ist.

Dass es keine Gewalt mehr gibt im oder vor dem Stadion ist ein Ziel. Wie der Weltfrieden auch. Man muss aber Realist genug sein: Selbst mit den strengsten Vorschriften verhindert man nicht alle Vorfälle. Das darf im Umkehrschluss aber nicht zum Fatalismus führen: Wir müssen Schritt für Schritt besser werden. Wir sind nun an einem Punkt in einer längeren Entwicklung, wir haben seit der Euro 2008 die Hooligan-Datenbank, haben BWIS, das erste Konkordat, wahrscheinlich bald das verschärfte Konkordat. Darüber hinaus habe ich keine Anzeichen dafür, dass noch weitere Gesetze geplant sind. Auch meine Kollegen in den anderen Kantonen merken, dass mit jedem neuen Gesetz der Grenznutzen und damit der Gewinn immer kleiner wird. Wir kommen nicht auf dem Papier weiter, sondern an der Front.

«Auch meine Kollegen in den anderen Kantonen merken, dass mit jedem neuen Gesetz der Grenznutzen und damit der Gewinn kleiner wird.»

Ist es nicht ein Problem in der Diskussion, dass sie von Politikern bestimmt sind, die kein Gespür für das eigentliche Thema haben?

Im Gegenteil: Manche Kollegen in den anderen Kantonen sind wohl häufiger im Stadion als ich. Hans-Jürg Käser war sogar einmal Präsident des SC Langenthal.

Stört es Sie eigentlich, dass sich andere Politiker mit dem Thema Fan-Gewalt profilieren?

Es ist nicht an mir, andere Politiker zu kommentieren. Ich verstehe die Emotionalität der Debatte, es bewegt die Leute, es bewegt auch mich. Aber es bringt nichts, einander wahlweise Populismus oder die Verharmlosung des Problems vorzuwerfen. Man kann in diesem Thema mit gutem Glauben unterschiedlicher Meinung über den richtigen Weg zum gleichen Ziel sein.

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