Den Ikonen des Arabischen Frühlings droht der Knast, wenn sie nicht schon einsitzen

Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Revolution in Ägypten ist die Bilanz der Aktivisten düster. Heute sei es schlimmer als zu Mubaraks Zeiten, sagt Omar Hazek. Der Poet aus Alexandria bezahlte sein Engagement mit Haft und Reiseverbot.

(Bild: Pen Deutschland)

Fünf Jahre nach dem Ausbruch der Revolution in Ägypten sind die Aktivisten der ersten Stunde auf dem Radar der Sicherheitskräfte. Viele sind im Gefängnis. Ihre Bilanz ist ernüchternd. Heute sei es schlimmer als zu Mubaraks Zeiten, sagt Omar Hazek, ein junger Poet aus Alexandria, der sein Engagement mit Haft und Reiseverbot bezahlt hat.

Der 25. Januar wirft lange, düstere Schatten voraus. Das Regime von Abdelfattah al-Sisi befürchtet, dass sich am 5. Jahrestag der ägyptischen Revolution wieder grössere Menschenmengen auf den Strassen und Plätzen versammeln könnten. Seit Wochen trommeln deshalb Regierungsvertreter und Medien, Demonstrationen seien destruktiv und drängen alle, die protestieren wollen, in die Ecke der verbotenen Muslimbrüder.

Von den Kanzeln der Moscheen verkündeten die Gelehrten, Demonstrationen seien gegen islamisches Recht. Es bleibt aber nicht bei Warnungen. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass junge Aktivisten festgenommen werden; nicht nur solche, die meist über das Internet versucht haben sollen, zu Kundgebungen aufzurufen. Alle Ikonen des 25. Januar seien das Ziel der Sicherheitskräfte, befand ein Vertreter von Kifaya, einer jener sozialen Bewegungen, die massgeblich zum Ausbruch der Revolution von 2011 beigetragen hatten. 

Politischer Aktivismus ist noch gefährlicher geworden

Mit einem rigorosen Demonstrationsgesetz, das einem Demonstrationsverbot gleichkommt, hat die neue Führung nach dem Sturz der Muslimbrüder Ende 2013 dafür gesorgt, dass politischer Aktivismus ein gefährliches Unterfangen wurde. Hunderte junge Männer und Frauen wurden verhaftet, weil sie sich für Menschenrechte und Grundfreiheiten starkgemacht haben. Viele wurden von den Medien als Verräter und ausländische Handlanger verteufelt. Das als Dekret erlassene kontroverse Gesetz kann auch vom neuen Parlament nicht revidiert werden.

Die Repression bekamen Mitglieder von sozialen Gruppen genauso zu spüren wie ganz gewöhnliche engagierte Bürger. Als solchen bezeichnet sich Omar Hazek. Gegen die Bezeichnung politischer Aktivist verwehrt er sich, denn er gehört keiner Gruppierung an. Der 37-jährige Schriftsteller aus Alexandria geht seit 2010 auf die Strasse, als in seiner Heimatstadt der Blogger Khaled Said von Polizisten zu Tode geprügelt wurde.

Der Unmut über diese Polizeiwillkür war ein wichtiger Auslöser für den Ausbruch der Revolte von 2011 am nationalen Tag der Polizei. Hazek kämpfte nach dem Sturz Mubaraks weiter auch für die Verurteilung der beteiligten Polizisten. Ein solcher Protest brachte ihm im Dezember 2013 zwei Jahre Gefängnis und eine hohe Geldstrafe ein. Dank einer Amnestie des Präsidenten zu einem islamischen Feiertag wurden ihm zwei Monate erlassen.

Menschenverachtende Zustände im Gefängnis

In der berüchtigten Haftanstalt von Borg al-Arab, wo die politischen Gefangenen in eigenen Trakten unter sich sind, waren zeitweise in einer Zelle von 5,5 auf 3 Meter bis zu 28 Insassen zusammengepfercht. «Die Wärter zeigten keine Regung von Menschlichkeit oder Mitgefühl. Während der Sommerhitze haben sie uns sogar die selbst gekauften Ventilatoren weggenommen», schildert Hazek im Gespräch die menschenunwürdigen Zustände. Die Zeit hinter Gittern habe sein Leben und ihn als Person tiefgreifend verändert, er sei demütig geworden. Auf dem engen Raum habe er über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg viel Solidarität und Mitmenschlichkeit erfahren. Nur wenn man sich helfe, zum Beispiel Essen und Medizin teile, könne man im Gefängnis überleben.

Die Lehre des Gefängnisses: Nur wenn man sich hilft, überlebt man.

Mit der Freilassung im September war Hazeks Leidensweg aber nicht zu Ende. Stellenverlust, Visa-Verweigerung und Reiseverbot prägten die letzten Monate. In der Zelle hatte der 37-Jährige regelmässig Briefe über sein persönliches Befinden geschrieben und veröffentlicht. Eine Sammlung dieser Texte wurde in der edition pen im Löcker Verlag in Wien als Buch veröffentlicht. Das hätte er eigentlich bei einer Lesereise durch Österreich persönlich präsentieren sollen. Aber diesmal wurde ihm das Schengen-Visum verweigert, das er 2009 für eine Preisverleihung für einen Gedichtband in Italien noch erhalten hatte.

«Ich habe das Gefühl, dass ich mindestens zwei Mal bestraft wurde. Die Tatsache, dass ich keinen gut bezahlten Job mehr habe, hat sicher wesentlich zur Ablehnung des Visums beigetragen. Man hat mir nicht geglaubt, dass ich wieder nach Ägypten zurückkehren werde», sinniert Hazek. Wegen seiner Haftstrafe hatte ihm die Bibliothek von Alexandria seine Stelle als Lektor und Verantwortlicher für die arabische Website gekündigt.

Mitte Januar hätte er dann in den Niederlanden mit einem Internationalen PEN Preis für Ausdrucksfreiheit geehrt werden sollen. Das Schengen-Visa war im Pass, aber diesmal hielt ihn die Staatssicherheit am Flughafen in Kairo zurück, erklärte ihm, es bestehe wegen Sicherheitsbedenken ein Reiseverbot gegen ihn. In seiner Dankesrede in Den Haag hätte er mit einer langen Liste von Namen den «unterdrückten Stimmen hinter ägyptischen Gittern» gedacht.

Leiden wird Menschen verändern

In Ägypten liegt sein Fokus jetzt auf den menschenverachtenden Zuständen in den Gefängnissen, denn heute sei die Situation schlimmer als unter Mubarak, als es einige Hundert politische Gefangene gegeben habe im Vergleich zu 40’000 heute. Die unabhängige Tageszeitung «Masry al-Youm» hat bereits mehrere dieser Berichte abgedruckt. Hazek bleibt auf dem Radar des Innenministeriums, das auf einen Text geantwortet und alle Vorwürfe zurückgewiesen hat.

Diese journalistische Arbeit soll nun ein neues Standbein werden. Mit der Revolution habe sich nichts geändert, sagt Hazek heute. Die Menschen würden leiden, vor allem unter den Preissteigerungen und den öffentlichen Dienstleistungen, die mit jedem Tag schlechter würden. Die Unzufriedenheit sei gross und irgendwann würden die Menschen reagieren und ihr Schweigen brechen, denn das Leiden werde sie verändern, ist der junge Schriftsteller überzeugt.

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Warum funktionierte die Revolution in Ägypten nicht? Korrespondentin Astrid Frefel hat den Politologen Jan Völkel von der Universität Kairo gefragt – das Interview.

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