Den Sinn des Herzstücks haben die meisten Leute nicht verstanden

Leser Tom Schneider über das Grundproblem des geplanten Herzstücks und über die zwei wichtigsten Gründe, die für das Regio-S-Bahn-Projekt sprechen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Leser Tom Schneider über das Grundproblem des geplanten Herzstücks und über die zwei wichtigsten Gründe, die für das Regio-S-Bahn-Projekt sprechen.

Das grösste Problem des Herzstücks ist, dass die meisten Leute den Sinn dieses Projekts nicht richtig verstanden haben. Es geht nicht um Fahrten vom Bahnhof SBB zum Badischen Bahnhof, und für das Verständnis darf man nicht nur aus der Perspektive von BS oder nur BL denken – was sowieso an der Realität unserer, wie jeder anderen Stadt-Land-Region vorbeiginge.

Sinn macht das Herzstück vor allem aus zwei Gründen: Erstens geht es darum, die Leute aus dem Umland umsteigefrei in die Stadt zu bringen. Ist das nur Luxus, nur «nice-to-have»? Nein, denn jedes zusätzliche Umsteigen führt leider dazu, dass mehr Leute lieber das Auto nehmen anstatt den ÖV. Deshalb profitiert nicht nur BL, sondern eben auch BS, denn einerseits ergibt das Herzstück weniger Autoverkehr und andererseits bringt es auch vermehrt solche Leute wieder in die Innenstadt-Läden, die heute ins Grüssen oder ein anderes Shopping Center in der Agglomeration fahren.

Bestes Beispiel für diese Entwicklung ist Zürich, dessen Spitzenplatz wurde massgeblich durch deren hervorragendes S-Bahn-System mitgeprägt.

Ausserdem stärkt das Herzstück ganz wesentlich die City auch als Arbeitsort (und dort gibt es viel mehr Arbeitsplätze und Büroflächen als so manchem bewusst ist!). Damit profitiert Basel als Wirtschaftsstandort, was zusätzliche Arbeitsplätze und damit auch Steuerertrag mit sich bringt. Bestes Beispiel für diese Entwicklung ist Zürich, dessen Spitzenplatz – wirtschaftlich, und damit auch kulturell wie auch politisch – massgeblich durch deren hervorragendes S-Bahn-System mitgeprägt wurde. Klar stellt sich dann die Frage: Wollen wir – überspritzt gesagt – ein Bauerndorf bleiben, oder wollen wir in der Schweiz die Rolle als eines der wichtigsten Zentren wahrnehmen?

Nicht zu vergessen ist übrigens, dass von allen städtischen Tramstrecken die Route Bahnhof SBB – Innenstadt die mit Abstand problematischste ist: Heute überlastet, morgen heillos überfüllt. Hier muss so oder so etwas geschehen. Eine U-Bahn, unterirdische Tramstrecken oder People Mover wären ebenso teuer wie das Herzstück, zusätzliche Tramlinien will niemand, sie würden die Innenstadt nur noch mehr verstopfen. Wer also gegen das Herzstück ist, müsste eigentlich zuerst eine realistische Alternative für die Verstopfung der Achse Bahnhof SBB – Innenstadt aufzeigen!

Zweiter Grund ist die Vernetzung unserer Region

Zweitens geht es beim Herzstück auch um die Vernetzung innerhalb unserer Region. Manche denken, die Relation Liestal – Lörrach sei unwichtig. Würde dies jemand von der Relation Dietikon – Winterthur sagen? Keinem Zürcher würde dies einfallen, weil sie aus dem Alltag wissen, wie oft sie ausserhalb der eigentlichen City unterwegs sind. In Basel ist dieses Bewusstsein durch die Grenzen (Land wie auch Kanton) wenig vorhanden. Aber Lörrach ist ein sehr schönes Städtchen, der Schwarzwald ein super Ausflugsziel, der Flughafen eine wichtige Destination, das Fricktal ein wichtiger Arbeitsort. Und durch eine bessere Vernetzung all dieser Orte kann das Potenzial der Region erheblich gesteigert werden.

Dank der Bahn ist auch die Zersiedlung gebremst worden, weil jetzt lieber bei den Bahnhöfen verdichtet wird, als auf der grünen Wiese neu gebaut.

Gerade auch Zürich profitierte durch die Vernetzung der ganzen Region deutlich, in Basel wäre es nicht anders. Dank der Bahn ist auch die Zersiedlung gebremst worden, weil jetzt lieber bei den Bahnhöfen verdichtet wird, als auf der grünen Wiese neu gebaut. Und das Zentrum ist durch diese Vernetzung nicht etwa zugunsten der Landregionen geschwächt worden, sondern hat im Zuge des allgemeinen Wachstums der Region selber auch profitiert, und wächst heute stark. Womit auch das kulturelle Leben in der Stadt profitiert hat – wer eine Zürcher Ausgeh-Agenda anschaut, ist überwältigt vom Angebot. Im Vergleich dazu ist Basel tatsächlich provinziell.

Aber das ist es ja eben: Wollen wir dies bleiben oder nicht – das ist die Frage, an der sich das Schicksal des Herzstück eigentlich entscheidet…

Nächster Artikel