Den Universitäten droht der Prestigeverlust

Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative bangen Schweizer Forscher um die Finanzierung ihrer Projekte – und um den Forschungsstandort. Kann der Bund einspringen?

Unsicher: Wer soll in Zukunft die Schweizer Forschung bezahlen? (Bild: sda)

Schweizer Universitäten müssen mit einem schmerzlichen Einbruch an Forschungsgeldern aus der EU rechnen. Neben Erasmus+ wurde auch das Forschungsprogramm Horizon 2020 für die Schweiz eingestellt. Die hervorragende Position und Qualität der Schweizer Wissenschaft ist in Gefahr.

Forscher der Universität Basel waren bisher bei Projektanträgen um Unterstützungsgelder vom Europäischen Forschungsrat (ERC Grants) bemerkenswert erfolgreich. Rund 49 Prozent der Anträge um die stark begehrten Forschungszuschüsse wurden angenommen. Finanziell spielen diese Zusprachen eine grosse Rolle: 42 Millionen Schweizer Franken gingen in den beiden Jahren 2013 und 2014 an die Universität Basel und die Universitätskliniken.

Seit diesem Jahr laufen die Forschungbeiträge unter dem Programm «Horizon 2020». Der Vizedirektor der Uni Basel, Edwin Constable, erwartet, dass auch beim neuen Programm rund 120 Forscher der Universität Basel ihre Anträge einreichen werden.

Bewerbungen führen zu nichts

Vieles spricht dafür, dass die Erfolgsquote der Bewerbungen aus Basel sinken wird, denn seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative haben Schweizer Forscher schlechtere Karten (Details siehe Box).

Wissenschaftler können sich zwar auch nach der Herabstufung der Schweiz zum Drittstaat um sogenannte ERC Grants bewerben, aber die Forschungsprojekte können nicht mehr an Schweizer Universitäten angesiedelt werden. Denn um an den Ausschreibungen für die ERC Grants teilnehmen zu können, muss ein Forscher einer Institution aus einem EU-assoziierten Staat kommen oder einem solchen angehören.

Prestigeverlust für Uni Basel

Für die Universität Basel – wie übrigens alle Schweizer Universitäten – bedeutet dies einen schmerzlichen Prestigeverlust, denn sie sind künftig auf die Zusammenarbeit mit Instituten aus solchen Ländern angewiesen. Nach deren Goodwill.

Constable rechnet deshalb mit einem schmerzlichen Einbruch von Drittmitteln aus EU-Programmen. Er hofft, dass das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hier mit Ersatzmassnahmen einspringt.

«Das bevorstehende Szenario, bei dem nur noch Schweizer Forscher unterstützt würden, gleicht einer Europameisterschaft, an der nur Spitzensportler aus der Schweiz teilnehmen.»

Edwin Constable, Vizerektor Uni Basel

Solche Ersatzmassnahmen würden jedoch nur den finanziellen Verlust kompensieren. Viel schwerer wiegt der Vertrauensverlust. Europäische Forschungspartner sind sich nicht mehr sicher, ob Schweizer Forschungsgruppen noch die gleich verlässlichen Partner in Verbundprojekten sind.

Die Schweiz als Innovationstreiberin und attraktiver Standort für Spitzenforschung hat einen Imageschaden erlitten. Es besteht laut Constable eine echte Gefahr, dass exzellente junge Forscher in andere Länder abwandern.

Bundesrat sucht den bilateralen Weg

Der Bundesrat hofft, dieses Problem über bilaterale Abkommen zu lösen (siehe Dokument auf der Rückseite dieses Artikels). So weist er auf den wichtigen Beitrag der Schweiz für die gesamte europäische Forschung hin.

Wissenschaftliche Arbeit in der Schweiz müsse für ausländische Forscher unbedingt attraktiv bleiben. Denn Forschergruppen ohne ausländische Teilnehmer gibt es kaum, sie wären in den meisten Fällen auch gar nicht kompetitiv.

Drittstaat: Warum? Die Schweiz ist zum Drittstaat herabgestuft worden, weil die Verhandlungen über das Protokoll II sistiert wurden. Das Protokoll hätte Kroatien in die Personenfreizügigkeit aufgenommen. Die neuen Verfassungsbestimmungen der EU sind mit den Einwanderungskontingenten, wie sie die Masseneinwanderungsinitiative fordert, nicht vereinbar. Die EU verweist auf das Prinzip der Personenfreizügigkeit als Schlüsselbestandteil der bilateralen Verträge und wartet ab, wie die Schweiz mit der Erweiterung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf Kroatien weiter verfährt. Der Bundesrat will bilateral nach einem Lösungsweg suchen, der Kroatien nicht diskriminiert und Lösungen für die offenen Dossiers einschliesst.

Nächster Artikel