In Zermatt kommen Menschen aus aller Welt zusammen, um sich einen Berg anzuschauen. Findet man da überhaupt noch Stille und einen eigenen Blick auf den wohl meistfotografierten Gipfel der Welt?
Ein letztes langgezogenes Quietschen, bevor das Bähnlein gemächlich im Bahnhof einrollt. Dann der erste Blick aufs Matterhorn. Den Berg, den ich bereits im Kindergarten zeichnen konnte. Der die Verpackung einer der besten Schokoladen ziert. Der als meistfotografierter Berg der Welt gilt. 4478 Meter hoch.
Hinter den Dächern Zermatts streckt sich das Matterhorn gen Himmel. Allzu weit scheint es dabei nicht zu kommen. Es ist schlank, fast zierlich sieht es aus. In meiner Vorstellung war es grösser. Auffälliger. Wuchtiger. Es ist schön, aber ist das nicht jeder Berg? Ich bleibe stehen, blinzle in die Sonne, vielleicht täuscht mich ja die getönte Brille? Aber da bremst schon das Elektromobil scharf vor uns, das uns ins Hotel fahren soll.
Es sucht sich den Weg durch all die Menschen, die an diesem Samstagnachmittag durchs Dorf flanieren. Weicht einer Pferdekutsche aus und lässt uns dann vor dem Eingang des Grand Hotels Zermatterhof herausspringen.
Beim Willkommensdrink auf der Terrasse kitzelt uns die Sonne, es ist so viel los, dass wir mehr auf die Leute als die Berge achten und uns Geschichten zusammenreimen über die verschiedenen Menschen, die in diesem kleinen Ort auf 1608 Metern zusammentreffen und sich danach nie wieder begegnen werden.
Momente einzigartiger Stille
Die meisten Leute sind da, um das Matterhorn zu sehen, diesen aussergewöhnlichen Berg, um den sich so viele Mythen ranken. Sie sind nicht da wegen des Dorfes, dessen Hauptgasse zu einem einzigen Schaufenster von Schweizer Spezialitäten verkommen ist. Und sie sind auch nicht da zum Wandern, womit viele andere Berggemeinden werben. Sie wollen nur diesen einen Berg sehen.
Im Hotelzimmer warten eine Flasche Walliser Rotwein und zwei kuschelige Bademäntel auf uns. Und weil es auch eine Sauna geben soll, verschieben wir unser Mountain-Sightseeing auf den nächsten Tag.
Chinesisch. Italienisch. Französisch. Berndeutsch. Undefinierbares. Wir sind nicht alleine auf dem Weg zum Berg an diesem Morgen. Und doch gibt es immer wieder Momente dieser einzigartigen Stille, die den Aufenthalt in den Bergen so kostbar machen. Zwischen den Rottannen blühen lilafarbene Krokusse, ein Tannenhäher fliegt lautlos vorüber, der Bach ist so weit weg, dass man sein Gurgeln nur noch erahnen kann.
Höher. Formvollendeter. Glanzvoller.
Nachdem wir die anderen Matterhorntouristen bei Raclette in einem der Holzhäuser von Zmutt zurückgelassen haben, sind wir alleine. Die Landschaft wird nun wilder, karger und nach einem finsteren Tunnel, dem Stausee und der Stafelalp mündet die Bergstrasse in ein Hochtal.
Hier wächst nichts mehr ausser ein paar strohigen Grashalmen. Kein Mensch ist zu sehen. Nur Stein, Fels und eine Reihe Gipfel, die einem Sägeblatt gleichen. Ich schaue sie mir einen nach dem andern an.
Und da ist es plötzlich wieder, das Matterhorn. Genau so, wie ich es mir als Kind ausgemalt hatte. Es tanzt aus der Reihe. Ist mächtiger als die anderen. Höher. Formvollendeter. Glanzvoller. Fast stolz sieht es aus, wie es nun vor uns thront, wo wir es endlich inklusive Sockel sehen können. Und es darf auch stolz sein. Denn es übertrifft in seiner Eleganz jeden anderen Berg.
- Übernachten
Grand Hotel Zermatterhof, Bahnhofstrasse 55, 3920 Zermatt - Essen
Restaurant Walliserkanne, Bahnhofstrasse 32, 3920 Zermatt
Restaurant Stafelalp, 3920 Zermatt - Fürs beste Matterhorn aus Schokolade
Bäckerei und Konditorei Biner, Spissstrasse 99, 3920 Zermatt