Der erste Skilift der Welt

Es waren asthmakranke Kurgäste, die als Erste in den Genuss eines Schlepplifts kamen. Jedoch nicht etwa in der Schweiz, wie oft angenommen, sondern in einem kleinen Dorf im Hochschwarzwald.

Es waren asthmakranke Kurgäste, die als Erste in den Genuss eines Schlepplifts kamen. Jedoch nicht etwa in der Schweiz, wie oft angenommen, sondern in einem kleinen Dorf im Hochschwarzwald. Dort erfand vor 106 Jahren fast unbemerkt ein Gast- und Landwirt die Aufzugtechnik.

Das Mühlenhaus steht unauffällig am Fuss des grünen Hügels. Ein kleiner Bach windet sich davor, Kühe grasen dahinter. Nichts erinnert mehr an die Zeit, als diese Getreidemühle im Hochschwarzwald per Wasserkraft den ersten Skilift der Welt antrieb. Auf der Anhöhe gegenüber prangt die dreistöckige Pension Schneckenhof, deren Wirt Robert Winterhalder vor über hundert Jahren den Skilift erfand.

«Er war kein grosser Tüftler, ihm lag lediglich das Wohl der Gäste am Herzen», erzählt sein Enkel Klaus Winterhalder, der heute mit seiner Schwester den Gasthof in dem 250-Seelen-Dorf Schollach betreibt. Für Besucher lässt er gern in der warmen Gaststube den Erfindergeist seines Grossvaters wieder aufleben.

Die gute Luft und das eisenhaltige Wasser waren der Grund, dass Schollach zu einem Kurort wurde und ab 1904 Asthmatiker und Allergiker anlockte. «Die sollten dann ‹Schlitte fahre›», sagt der Enkel in breitem Badisch und streut Schnupftabak auf seinen Handrücken. Als sein Grossvater sah, wie die Kurgäste nach der Abfahrt keuchend den Hang hinaufstapften, kam ihm schliesslich die Idee.

So hat der Skilift Robert Winterhalder keine Mark eingebracht. Die von ihm angemeldeten Patente für Norwegen, Schweden, Frankreich, Österreich und die Schweiz verloren ungenutzt ihre Gültigkeit. Sehr gross war die Enttäuschung laut dem Enkel allerdings nicht. «Das war dem Grossvater wurscht», sagt Klaus Winterhalder und knetet sein vom Schnupftabak braun gefärbtes Taschentuch. «Als der Erste Weltkrieg kam, war ohnehin Feierabend.» Schliesslich fiel der Lift während des Krieges der Materialknappheit zum Opfer, die Drahtseile wurden eingeschmolzen und zu Waffen gegossen.

Der Enkel erzählt vom Grossvater:

 

Der erste Bügellift in Davos

Wie so manche Erfindung erlebte auch der Skilift seine Blüte erst nach dem Tod des Erfinders. Zwei Jahre nachdem Robert Winterhalder gestorben war, wurde 1934 in Davos der erste Bügellift erbaut, in Österreich übernahm die heute im Bau von Seilbahnen international bekannte Firma Doppelmayr das Patent von Winterhalder, und schliesslich wurde Skifahren zur beliebtesten Wintersportart weltweit. Die Frage, ob er stolz sei auf seinen Grossvater, beantwortet Klaus Winterhalder ausweichend. Der Erfindergeist liege dem Schwarzwälder halt im Blut. «Anderi hend was anders gmacht», sagt er. Jeder Hof habe seine eigene Geschichte.

Die Firma Doppelmayr wolle das Mühlenhaus nun restaurieren. Klaus Winterhalder hält nicht viel davon.

Dennoch kann er den Hohn in seiner Stimme nicht verbergen, wenn er von denen spricht, die grosses Geld mit Grossvaters Erfindung verdienen. Einer von Doppelmayr wolle das Mühlenhaus nun originalgetreu restaurieren. Wie ein Freilichtmuseum. Klaus Winterhalder hält nicht viel davon. Er selbst sass vor drei Jahren zum ersten und wohl auch letzten Mal in einem Sessellift. «Ich musste wissen, wie sich das anfühlt.» Ansonsten ist er immer nur Langlauf gefahren. Auch Robert Winterhalder profitierte wegen einer Gehbehinderung durch Unfall nie von seiner eigenen Erfindung.

Heute ist der Skilift in Schollach längst Geschichte, doch scheint die Zeit im «Schneckenhof» seither stillzustehen. Die Zimmer sind zum grossen Teil noch im Originalzustand von damals: ohne Dusche und Toilette, dafür mit Jugendstil-Betten. Handyempfang gibt es keinen, Internet schon gar nicht. Dafür die Aussicht auf das historisch bedeutende Mühlenhaus im Tal, dessen Rad schon lange nicht mehr dreht. An jenem Ort, an dem früher Skifahrer und Rodler den Hang hinab sausten, pflanzen die Winterhalders heute Kartoffeln an, die sie ihren Gästen zum Abendessen servieren. Den Schwenk in die Vergangenheit von Klaus Winterhalder gibt es als Geschenk dazu.

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