Der falsche Doktor schlägt zurück

Der geschasste Direktor der Basler Wegwarte attackiert seinen früheren Arbeitgeber. Der Stiftungsrat habe sich auf Kosten der Stiftung bereichert.

Hochglanz für den Direktor: Festschrift zum 65-jährigen Bestehen der Wegwarte.

Der geschasste Direktor der Basler Wegwarte attackiert seinen früheren Arbeitgeber. Der Stiftungsrat habe sich auf Kosten der Stiftung bereichert.

Überlegen Sie sich genau, wessen Interessen Sie vertreten! Wenn Sie mich vorschnell ‹eliminieren›, befördern Sie Akteure, die Sie niemals unterstützen wollten, und entwerten ‹Wahrheiten›, die mit Gewicht kommuniziert werden sollten», warnte Heinrich Yberg die TagesWoche. Seine Freistellung als Direktor der Basler Wegwarte basiere auf einem Komplott, der gegen ihn laufe. Es handle sich um «neoliberale Akteure, die sich unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit im Sozialbereich einnisten und sich selbst mit Staatsgeldern sanieren».

Der Stiftungsrat der Wegwarte habe ihn entlassen, weil er die heiklen Finanzgeschäfte innerhalb des Stiftungsrates nicht mittragen wollte. Ybergs Anwalt drohte der TagesWoche in einem Brief zwischen den Zeilen, er werde «genau darauf achten», was und «mit welchen zentralen Aussagen» die TagesWoche berichten werde.

Fehler eingestanden

Heinrich Yberg musste das Übergangsheim für traumatisierte Frauen und Kinder letztes Jahr verlassen, hätte aber auf Anfang dieses Jahres eine neue Stelle als Schulleiter im Therapie- und Schulzentrum Münchenstein antreten sollen. Doch dann deckte die TagesWoche auf, wie Yberg in der Wegwarte Angestellte schikanierte und sich öfters als «Dr.» Yberg ausgab, obwohl er den Doktortitel nie erlangt hatte. Als die Redaktion zusätzlich ein Dokument präsentierte, in dem sich Heinrich Yberg an einer früheren Stelle auch als «Prof.» ausgegeben hatte, gab er zu, «einen Fehler gemacht» zu haben, und trat die Stelle in Münchenstein nicht an.

Dass ihm dieser Job überhaupt angeboten wurde, war den meisten Mitarbeitern der Wegwarte ein Rätsel. Denn in der Szene hatte sich Ybergs autoritärer Führungsstil herumgesprochen. Aus sicherem Abstand verfolgten Sozialarbeiter in anderen sozialen Institutionen, wie ihre Kolleginnen reihenweise aus der Wegwarte flüchteten (TagesWoche vom 23.12.2011).
Tatsächlich waren mehrere Ämter und Personen über die Missstände informiert: Schon kurz nach Ybergs Anstellung im Jahr 2009 suchten Mitarbeiterinnen beim Arbeitsinspektorat Hilfe. Bis das Arbeitsinspektorat reagiert, braucht es allerdings eine gewisse Häufung von Fällen. Erst 2011 gelangte das Amt an den Stiftungsrat der Wegwarte.

Die externe Beraterin Heidi Spirgi war von Anfang an involviert und wusste bestens Bescheid über die Leiden der Angestellten. Sie hält Heinrich Yberg aber noch heute die Stange.
Auch das Amt für Sozialbeiträge war über die Unruhe im Heim informiert. Da der Betrieb aber nach aussen hin ohne sichtbaren Probleme funktionierte, sah das Amt keinen Grund einzugreifen. Der zuständige Leiter der Abteilung Behindertenhilfe, Michael Martig, bescheinigte Heinrich Yberg durchaus einwandfreie Fähigkeiten in den Bereichen Projektentwicklung und Sanierungsideen für die Wegwarte.

Auch die damalige Stiftungspräsidentin der Wegwarte, Bettina Rumpf, anerkennt bei ihrem ehemaligen Direktor durchaus Qualitäten. Sein ausgeprägtes Kommunikationstalent aber habe er benutzt, um Stiftungsrat und Behörden zu täuschen.

Das erklärt auch, weshalb regionale Medien über Yberg recherchiert haben, daraus aber nie ein Bericht entstanden ist. Dem Direktor ist es jeweils gelungen, den Schwarzen Peter anderen zuzuschieben. Dazu passen die Anschuldigungen, die Yberg nun gegenüber dem Stiftungsrat der Wegwarte losgetreten hat. Yberg legte der TagesWoche einen Arbeitsvertrag vor, gemäss dem sich die Stiftungsratspräsidentin illegal Geld zugeschanzt habe. «Das sind haltlose Vorwürfe», sagt Stiftungsrätin Bettina Rumpf, «der Stiftungsrat hat korrekt und gemäss den Richtlinien der kantonalen Stiftungsaufsicht gehandelt. Dazu liegt ein Protokoll vor.»

Weitere Dokumente

Seltsamerweise ist Yberg mit seiner Beschwerde nicht an die kantonale Stiftungsaufsicht gelangt. «Uns ist von diesen Vorwürfen nichts bekannt», sagt Christina Ruggli von der Stiftungsaufsicht beider Basel. Die TagesWoche hat sowohl Heinrich Yberg als auch dessen Anwalt und die Beraterin Heidi Spirgi mehrmals mündlich und schriftlich um eine Stellungnahme gebeten, doch nie eine Antwort erhalten.

Inzwischen tauchten weitere Dokumente auf, die Heinrich Ybergs speziellen Umgang mit Titel und Status be-legen. So gab sich Yberg an einer früheren Stelle als Vorstands-Mitglied aus, obwohl er das nicht war. Nicht erstaunlich, dass er sich in der Wegwarte, einem kleineren sozialen Heim, nicht mit dem Titel eines Geschäftsführers zufriedengeben wollte, sondern sich zum Direktor erkor.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20/01/12

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