Der Fluch des Kupfers

Das schwierige Überleben am Rande einer Glencore-Mine in Sambia.

In Sambia wird geschuftet, in der Schweiz kassiert. (Bild: Meinrad Schade, Collage Hans-Jörg Walter)

Das schwierige Überleben am Rande einer Glencore-Mine in Sambia.

Steels Mwaba sieht müde aus. Seine kleine Tochter ist in der Nacht mehrmals mit Nasenbluten aufgewacht, seine Frau wird seit Monaten von Hustenanfällen geschüttelt. Dazu kommt der ständige Lärm des Bergwerks nebenan, schwere Maschinen, Explosionen unter Tage. «Eine ruhige Nacht hatte ich schon lange nicht mehr», sagt der Familienvater.

Mwaba lebt in Butondo, einem Viertel von Mufulira im Kupfergürtel Sambias, nur einen Steinwurf von der Kupferhütte der Mopani Copper Mines (MCM) entfernt, eine Aktiengesellschaft, die zu 73 Prozent dem Schweizer Multi Glencore gehört. Die Region ist eine der rohstoffreichsten im Land, die Bevölkerung eine der ärmsten. Steels Mwaba wohnt mit seiner Frau und vier Kindern in einer schachbrettartig angelegten Bergarbeitersiedlung. Von den Mauern seines kleinen Hauses blättert die Farbe ab, das Wellblechdach rostet, eine Hecke grenzt das karge Grundstück von der ungeteerten Strasse ab. In der Luft liegt ein beis­sender Geruch. Schon nach kurzer Zeit tränen die Augen, der Hals brennt.

Besonders schlimm sei es, wenn es regnet, sagt Mwaba. «Dann fliehen alle in die Häuser.» Der saure Regen hat Löcher in die Dächer gefressen, in den Gärten, in denen einst Gemüse wuchs, gedeiht nichts mehr. Wortlos deutet der 37-Jährige auf Kamine und riesige Erzhalden hinter dem Werkzaun. Das Gestein wird mit Schwefelsäure be­handelt, um das Kupfer auszulaugen, der Wind weht schwefelsäurehaltigen Dunst in die Nachbarschaft.

Die Schwefeldioxid-Emissionen, die bei der Verhüttung entstehen, liegen weit über den Grenzwerten. Laut Untersuchungen der sambischen Umweltbehörde (Zema) ist der Langzeitrichtwert für Schwefel­­dioxid in Mufulira um 100 Prozent überschritten. «Die hohen Emissionen werden durch höhere Lizenzgebühren kompensiert», sagt Zema-Inspektor Fraizer Chole. Firmen, die die Umwelt stärker belasten, müssten mehr bezahlen. Langfristig werde aber eine Anpassung an die geltenden Umweltstandards angestrebt.

Werke machen Kinder krank

Auch das Werk in Mufulira soll entsprechend saniert und modernisiert werden. Die Regierung räumte dafür eine Frist bis 2015 ein. Glencore betont, man sei dem Zeitplan deutlich voraus und werde künftig 97 Prozent der Emissionen auffangen.

Steels Mwaba glaubt solchen Versprechungen nicht. Er schuftete früher selber in der Mine, seit einem Unfall unter Tage ist er arbeitsunfähig. Um seine kleine Rente musste er kämpfen. «Dem Konzern sind wir egal, Arbeiter und Anwohner gleichermas­sen.»

Saurer Regen frisst Löcher in Dächer; es wächst nichts mehr.

Viele Kinder haben jede Nacht Nasenbluten, klagen über Kopfschmerzen und juckende Hautausschläge. Atemwegs- und Krebserkrankungen haben in den letzten Jahren zugenommen. «Wir haben Angst um unser Leben», sagt Ehefrau Ruth. Am liebsten würde sie wegziehen, aber dazu fehlt das Geld. Auf einem Holzkohlefeuer im Hof kocht die junge Mutter Maisbrei, die einzige Mahlzeit des Tages. Das Wasser hat sie abgekocht. Keiner hier traut dem Trinkwasser, seit es 2008 mit Schwefelsäure kontaminiert wurde und Hunderte Menschen im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung soll nun eine Studie klären, die die Regierung in Auftrag gegeben hat. In den nächsten Wochen sollen die Resultate veröffentlicht werden. Bis dahin äus­sern sich weder MCM noch Glencore zu den Vorwürfen.

Die Steuertricks der Multis

«Die Minenbetreiber mussten sich schon einmal dem Druck aus der Bevölkerung beugen», meint Peter ­Sinkamba zuversichtlich, der Gründer der sambischen Umweltorganisation Citizens for a Better Environment. ­Wegen «exzessiver Emissionen von Säuredünsten» ordnete die Umweltbehörde vor einem Jahr eine Teilstilllegung des Werks in Mufulira an. Dass die Regierung zum Wohl ihrer Bürger Druck auf den Konzern ausgeübt habe, sei ein Schritt in die richtige Richtung, betont Sinkamba. Allerdings ging der Betrieb schon nach wenigen Wochen unter Auflagen weiter. Glencore drückte mit dem Hinweis auf Umsatzverluste und Arbeitsplätze aufs Tempo.

Die Konzerne sässen am längeren Hebel, erklärt Fungai De­were, Programmkoordinator des entwicklungspolitischen Kinderhilfswerks Terre des hommes in Sambia. Um Armut und ­Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sei die ­Regierung an ausländischen Investi­tionen interessiert, das aber würden einige Konzerne bei den Verhandlungen ausnutzen. Leidtragende sei vor allem die junge Generation. Angesichts der massiven Belastung von Böden, Luft und Wasser könnten sich Kinder und Jugendliche nicht gesund entwickeln.

In den Schulden versunken

Früher unterstützte der staatliche Bergbaukonzern auch Schulen und Krankenhäuser. Doch mit sinkenden Rohstoffpreisen rutschte er immer weiter in die Krise, Sambia versank in Schulden. Anfang der Jahrtausendwende war das Land gezwungen, seine Bergwerke zu privatisieren. Heute ist keines der Unternehmen mehr in sambischer Hand; der Löwenanteil des Kupfers wird in die Schweiz exportiert.

«Die Regierung ist bei den Zusagen an ausländische Investoren über das Ziel hinausgeschossen», sagt Heiner Naumann, Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sambia. Unter anderem wurden Steuerbefreiungen für teilweise mehr als zehn Jahre garantiert, Konzerne können frühere Verluste der ehemaligen Staatsbetriebe mit ihren künftigen Gewinnen verrechnen. Eine äusserst günstige Ausgangslage für Konzerne wie Glencore.

In Mufulira fördert Konzerntochter MCM nach eigenen Angaben über 200 000 Tonnen Kupfer im Jahr, Glencore brachte das 2011 einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden US-Dollar. Trotzdem wies MCM in den letzten Jahren Verluste aus und zahlte auch keine Gewinnsteuern. Eine Studie der Rechnungsprüfungsgesellschaft Grant Thornton deckte auf, dass MCM bis zu 80 Prozent des in Mufulira geförderten Kupfers weit unter Wert an die Konzernmutter in der Schweiz verkauft, die den Rohstoff ihrerseits zu Weltmarktpreisen veräussert.

Solche Steuertricks seien eher die Regel als die Ausnahme, sagt Naumann. Dem sambischen Staatshaushalt gingen so Einnahmen in Milliardenhöhe verloren, die das Land gut für seine soziale und wirtschaftliche Entwicklung brauchen könnte. «Im sambischen Kupfergürtel hat es seit 30 Jahren keine grösseren Investitionen oder Industrieansiedlungen mehr gegeben», so Naumann. Die internationalen Konzerne würden ihre eigene Logistik aufbauen, Ersatzteile und Serviceleistungen über ihre Zentralen beziehen. Über Leiharbeitsfirmen und die Beschäftigung ausländischer Arbeiter würden Tarifverträge unterlaufen. Jeder Versuch der Regierung, multinationale Rohstoffgiganten an die kürzere Leine zu nehmen, ist bislang gescheitert. So wurde etwa die sogenannte «Windfall Tax», eine Steuer auf Basis gestiegener Kupferpreise, bereits ein Jahr nach ihrer Einführung wieder gestrichen, nachdem die Konzerne mit Abwanderung gedroht hatten.

In der Beugehaft der Konzerne

In Städten wie Mufulira sind die Bergwerke nahezu die einzigen Arbeitgeber. Deshalb fordern Bürger wie Steels Mwaba trotz allem nicht die Schlies­sung der Minen, sondern nur eine gerechtere Beteiligung der Bevölkerung am Rohstoffreichtum ihres Landes sowie besseren Schutz vor Emissionen.

Mit jedem Schritt auf der kurzen Distanz von Mwabas Haus bis zum Werksgelände wird der Schwefeldio­xidgeruch beissender. «Hier können Sie selbst sehen, was aus den Umweltauflagen geworden ist.» Ein paar junge Bäumchen sollen die Anlage künftig besser abschirmen; einige der riesigen Erzhalden wurden mit grünen Plastikplanen abgedeckt; ein Schild fordert dazu auf, die Berieselung mit Schwefelsäure zu stoppen, wenn der Wind Richtung Butondo dreht. Für Mwaba ist dies reine Augenwischerei. «Wenn der Regierung und dem Konzern wirklich etwas an uns läge, würden sie uns besser schützen.»

Mwabas Hoffnung ruht nun auf der Gesundheitsstudie. Wenn endlich bewiesen werde, dass die Mine die Menschen krank mache, dann werde man seine Gemeinde vielleicht umsiedeln, in schönere Häuser, in ein gesünderes Umfeld mit frischer Luft und sauberem Wasser, sagt er. Ein bescheidener Wunsch.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.04.13

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