Cash statt komplizierter Sozialwerke: Eine Volksinitiative fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen von 2500 Franken für jeden in der Schweiz. Wie sich bei der Lancierung der Unterschriftensammlung zeigt, beschäftigt im Vorfeld vor allem eine Frage: Wieso noch arbeiten?
Den ersten Schritt haben die Initianten des bedingungslosen Grundeinkommens erfolgreich hinter sich: Aufmerksamkeit generieren. Die Lancierung der Unterschriftensammlung von heute ist Thema in allen grossen Medien gewesen. Nicht zuletzt wegen des Mannes, welcher am Donnerstagmorgen an einer Medienkonferenz in Bern auf dem Podest Platz nahm: Oswald Sigg. Der ehemalige Bundesratssprecher und seine sieben Mit-Initianten wollen in erster Linie eine politische Diskussion auslösen und letztlich die Idee zur Volksabstimmung bringen – «mit der Hoffnung auf ein Ja», wie Sigg einleitend sagte.
18 Monate haben die Initianten und ihre Befürworter, um die nötigen 100 000 Unterschriften zu sammeln. Wer die Bögen zeichnet, verlangt, dass die Bundesverfassung mit dem Artikel 110a ergänzt wird: «Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.» Wie hoch dieser Betrag sein soll, geben die Initianten nicht vor. Diskussionsbasis sind 2500 Franken für jeden Erwachsenen und ein Viertel davon für jedes Kind (weitere Antworten auf konkrete Fragen zum Grundeinkommen in separatem Artikel).
Das Anliegen ist nicht neu. Der Nationalrat stimmte im Juni 2011 über eine parlamentarische Initiative vom Waadtländer Josef Zisyadis (PdA) und der Zürcherin Katharina Prelicz-Huber (Grüne) ab. Gerade mal 23 Parlamentarier sprachen sich dafür aus. Der Nationalrat fürchtete, dass der Anreiz zu arbeiten geschwächt würde. Die Angst davor, dass ein Mensch mit den monatlich 2500 Franken zu Hause bleibe, äusserten Gegner auch im Vorfeld der aktuellen Lancierung.
SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli schrieb etwa in der Wochendebatte der TagesWoche: «Der real existierende Mensch ist eine Homo oeconomicus. […] Wird ihm das Grundeinkommen vom Staat geschenkt, legt er die Hände in den Schoss und tut nichts Produktives mehr..»
Mehr Leistung dank Überzeugung
Dass sich das Verhältnis zur Arbeit verändern würde, bestreiten die Befürworter nicht. Sie sehen viel mehr genau darin einen Gewinn. Erst mit einem von seiner Leistung unabhängigen Grundeinkommen könnten die Arbeitnehmer ihre Existenzangst hinter sich lassen und sich überlegen, was sie tatsächlich tun und tun wollen. Das Verständnis dahinter ist: Wo aus Überzeugung statt Existenzangst gearbeitet wird, sind Resultate und Lebensqualität besser.
Ein weiteres Argument brachte der Zürcher Mit-Initiant Daniel Straub ins Spiel. «Angesichts der steigenden Produktivität stellt sich die Frage, wie lange noch genügend Arbeitsstellen für alle da sind», so Straub. Das bisherige System bestrafe eigentlich den Erfolg: Wer die gleiche Arbeit in weniger Stunden verrichte, mache die restliche Zeit überflüssig. Er rationalisiere unter Umständen einen Platz weg. «Muss sich aber anschliessend rechtfertigen, dass er keinen Job hat und Arbeitslosengeld bezieht.» Erhalte er aber ein bedingungsloses Grundeinkommen, falle diese Stigmatisierung weg.
Hinzu kommt, dass bisher unbezahlte Arbeit plötzlich entlöhnt würde. Hausfrauen würden für ihren Einsatz genau dieselbe finanzielle Basis erhalten wie der Top-Banker. Stipendien für Studenten wären überflüssig. Vielleicht würde der eine oder andere sich sogar zu mehr Freiwilligenarbeit motivieren lassen, weil er nicht um seine Existenz bangen müsste. «Der springende Punkt dabei ist», sagt «unternehmen mitte»-Gründer und Grundeinkommen-Pionier Daniel Häni, «dass nicht der Banker mehr Geld kriegt, sondern die Hausfrau eine Existenzsicherung.»
«Effizienteste Form der Armutsbekämpfung»
Das bedingungslose Grundkommen soll nach Vorstellung der Initianten den Sockel des Einkommens decken. Wer bisher 6000 Franken verdient, verdient auch weiterhin 6000 Franken. 2500 Franken erhält er als Grundeinkommen, der Rest ist Lohn. In der Konsequenz ergibt sich aber die Frage, wer dann einen schlechten Job für den bisherigen Lohn von 2800 Franken machen würde? Die Erklärung der Initianten war überraschend ehrlich: «In erster Linie wohl niemand. Der Arbeitgeber wird die Bedingungen anpassen müssen.»
Die Angst vor der Faulheit der Leute war eine von zwei Hauptfragen an die Initianten, die andere war die Finanzierung. Gedanken hat sich Daniel Häni dazu gemacht. Er schätzt die jährlichen Kosten auf 200 Milliarden Franken. 110 davon stammten aus bisherigen Löhnen, 60 aus den Sozialleistungen, die überflüssig würden. Die fehlenden 30 Milliarden könnten aus einer Erhöhung der Mehrwertsteuer stammen. Mit Betonung auf könnten, ein konkretes Finanzierungsmodell fehlt noch, wie Oswald Sigg meinte. «Die Finanzierung ist erst ein Thema, wenn die 100 000 Unterschriften gesammelt sind.» Die Initianten versprechen sich dadurch, dass weniger über das nötige Geld für das Grundeinkommen gesprochen wird als über die Idee an sich.
Dass eine solche Finanzierung möglich wäre, bestätigen auch bekannte Befürworter wie der Ökonom Klaus Wellershoff oder Ökonomie-Professor Thomas Straubhaar. «Das bedingungslose Grundeinkommen», sagt etwa Straubhaar, «würde ein effizientes, transparentes und gerechtes Sozialsystem schaffen.» Der radikal-neoliberale Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman bezeichnete bereits in den 40er-Jahren eine Transferleistung, die das Existenzminimum deckt, als «effizienteste Form der Armutsbekämpfung».
Die Zahl der Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens steigt jedenfalls täglich, sagt Dani Häni. Nach den Medienberichten in den vergangenen Tagen haben sich bereits mehrere hundert Personen gemeldet, die Unterschriften sammeln möchten. In Deutschland hat die Piraten-Partei es sich sogar zum politischen Programm gemacht. Sollte es dennoch nicht klappen mit den 100 000 Unterschriften, will Häni nicht aufhören. «Die Zeit war dann einfach noch nicht reif dafür.» Ihr erstes Ziel haben sie aber sowieso bereits erreicht: Die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen ist gestartet.
Quellen
Website des Initiativkomitees Grundeinkommen