Wer ab dem 11. Dezember ohne Billett in den Zug steigt, wird wie ein Schwarzfahrer gebüsst. Die SBB preisen elektronische Billette als Alternative zum Nachlösen im Zug an. Doch diese sind mit zahlreichen kundenfeindlichen Bestimmungen verknüpft.
Selbst der Nikolaus fährt jetzt mit Billett. Diese Botschaft vermitteln die SBB in einem Spot und auf grossflächig auf Plakaten: Ab dem 11. Dezember braucht jeder Klaus ein Billett, sonst wird er mit einem Zuschlag von 90 Franken gebüsst. Nachlösen im Zug ist ab dann auch in Schnellzügen nicht mehr möglich. «Am Sonntag ist Fahrplanwechsel – Immer mit Billett einsteigen», mahnt die Bahn auch auf der Anzeigetafel des Bahnhofs Basel SBB. Fast zwei Drittel der Kunden sind damit nicht einverstanden, wie eine Umfrage der TV-Sendung-Kassensturz zeigt.
Doch was macht der Nikolaus, wenn sich seine Hausbesuche in die Länge ziehen und er nur wenig Zeit hat, um einen Fahrschein zu lösen? Er kauft ein Billett am Automaten. Doch dazu muss er nicht nur technisch versiert sein, sondern sich vor allem mit dem komplizierten System des öffentlichen Verkehrs auskennen: Liegt sein Ziel noch im Tarifverbund? Lohnt sich eine Tageskarte? Braucht er vielleicht ein City-Ticket, um damit am Ziel mit Bus und Tram weiter zu reisen? Da stellt sich der Nikolaus vielleicht doch lieber in die Reihe vor dem Schalter. Doch dazu muss er, etwa am Basler Bahnhof, bis zu zehn Minuten Zeit und Geduld mitbringen. Das zeigt eine Stichprobe der TagesWoche.
Schneller am Schalter zum Billett als am Automaten
Daniel Bach, Leiter der SBB-Pressestelle, beschwichtigt. «Dass es in Einzelfällen zu Wartezeiten kommen kann, ist unbestritten. In den allermeisten Fällen bekommen unsere Kunden aber das Ticket am Schalter oder am Automaten sehr schnell.» Er habe selbst einen halben Tag lang am Schalter gearbeitet und dabei festgestellt: «Dutzende von Kunden kaufen am Schalter, weil sie dort ihr Ticket noch schneller bekommen als am freien Automaten.»
Schneller geht es mit einem elektronischen Ticket auf dem Handy. Die SBB wirbt denn auch mit dem Slogan «Nutzen Sie unsere MobileTickets und Online-Tickets.» Doch aufgepasst: Mobile Tickets sind im Vergleich zum Papierbillett vom Schalter oder Automaten mit zahlreichen kundenfeindlichen Bestimmungen verknüpft:
– Sie sind persönlich. Wenn der Nikolaus ein Billett löst, dieses aber Schmutzli übergeben will, macht er diesen zum Schwarzfahrer. Löst er für sich und für den Schmutzli je ein Billett, müssen beide auch zusammen reisen.
– Wer erst nach der Abfahrt eines Zuges sein Billett auf sein Handy geladen hat, fährt schwarz. Achtung: Es gilt der Fahrplan. Es spielt also keine Rolle, ob der Zug verspätet ist. Wer löst, bevor der Zug abfährt, ist also noch nicht auf der sicheren Seite.
– Das technische Risiko überwälzt die Bahn auf ihre Kunden. Ist der Akku des Nikolaus leer, weil er den ganzen Tag mit ungeduldigen Eltern telefoniert hat oder sein Display nicht lesbar, weil seine Rute im Sack dieses verkratzte, gilt er auch als Schwarzfahrer.
– Löst er versehentlich ein Billett für den 5. statt für den 6. Dezember, ist das sein Problem: Mobile Tickets können nicht umgetauscht werden.
Keine kundenfreundlicheren Bestimmungen im Gegenzug
Keine dieser kundenfeindlichen Bestimmungen schafft die Bahn ab – im Gegenzug zur Einführung der Billettpflicht auch auf Schnellzügen. Wer gegen einer dieser Punkte verstösst, muss auf kulante Kondukteure hoffen oder sich an die Ombudstelle für öffentlichen Verkehr wenden. SBB-Sprecher Bach betont zwar, das Zugpersonal sei angewiesen, kulant zu sein bei «immer wieder auftretenden Problemen» wie Tippfehlern beim Namen der Billettkäufer oder Schwierigkeiten beim Einscannen. Elektronische Tickets sind aber nach wie vor nicht übertragbar, weil diese mehrfach verwendet werden könnten. Grund ist ein technischer Mangel seitens der Bahn: Die SBB können nämlich ein vom Kondukteur gescantes E-Ticket nicht unmittelbar auf ihrem zentralen Rechner entwerten.
Sprecher Bach sagt, die Kunden seien grundsätzlich mit den elektronischen Angeboten sehr zufrieden. Es gebe nur sehr wenige Reklamationen. Doch immer wieder berichten Medien über Reisende, die vergeblich auf Kulanz gehofft und stattdessen hart gestraft wurden, weil sie den Ausweis vergessen, der Akku des Telefons leer war, das Billett für Ihre Frau oder für einen Freund gelöst hatten.
Wer nicht auf die Kulanz der Bahn angewiesen sein will, dem bleibt nur, sich geduldig in die Schlange vor den Schalter einzureihen oder sich an den Automaten wagen und nur mit einem althergebrachten Billett aus Papier in einen Zug zu steigen. Das hat auch der Nikolaus in der SBB-Werbung begriffen: Im Gegensatz zum Schmutzli setzt er auf Papier statt Elektronik.