Der Körper ist mein Kapital

Wir dehnen uns im Park, bücken uns am Rhein und pumpen vor aller Augen: Der Körperkult besetzt den öffentlichen Raum. Und ein altes Turnermotto ist wieder hochaktuell.

Es sind keine komplizierten Übungen, die die Trainierenden in der Streetworkout-Anlage durchführen – aber sie sind effektiv. 

(Bild: Nils Fisch)

Wir dehnen uns im Park, bücken uns am Rhein und pumpen vor aller Augen: Der Körperkult besetzt den öffentlichen Raum. Und ein altes Turnermotto ist wieder hochaktuell.

Keuchen, Schwitzen, Pumpen, Dehnen. Der Mensch trimmt sich, und die Stadt ist sein Fitnessstudio. Der Asphalt ist das Laufband, die Elektronik der Coach, der in der Pulsuhr sitzt und via App die Laufstrecke gleich der Community zugänglich macht. Und der Körper ist das Kapital.

Denn wer schamlos keucht, schwitzt, pumpt und dehnt, der scheut auch nicht die Blicke. Yoga im Rhybadhüsli, Muskelpumper neben der Dreirosenbrücke, Läufer ohnehin: Sich die Freiheit der Bewegung zu nehmen heisst auch, sich auszustellen. Ob in enger Yogahose am Rhein oder – Klischeealarm! – am Freiluftreck mit prononciertem Bi-, Tri- und Quadrizeps unter bewundernden Blicken vorwiegend weiblicher Zuschauerinnen.

Tempel der Körperlichkeit in Hochglanz

Es ist ein Körperkult zwischen dem Drang, sich den Raum zu eigen zu machen, sich auch in der Öffentlichkeit durchzustrecken, und dem Zwang, es immer wieder tun zu müssen, dem Diktat des Trainings Folge zu leisten, bevor der Aufbau wieder zerfällt. Es ist ein Körperkult zwischen der Anbetung des eigenen Gefässes seiner Seele und der Angst vor dem Verlust der Vitalität.

So bleibt neben Wohlgefühl der visuelle Reiz, die Frucht harter, lustvoll-schmerzhafter Arbeit. Der Arbeit, die den Tempel dieser irgendwo zwischen Krawattenknoten und Bürolift verloren geglaubten Körperlichkeit wieder auf Vordermann bringt.

Bewunderung nur einen Klick entfernt

Gesunder Geist in gesundem Körper, schrieb der alte Juvenal, und wenn in einer Überflussgesellschaft alles an Wert verliert, so ist es schliesslich der eigene gestählte Leib, der persönlich-musealen Wert erlangt. Die Bewunderung des nächsten Adonis ist nur einen Klick auf Instagram entfernt.

So lebt das alte Turnermotto unbeschwert in städtischer Lage: Frisch wie eine marinierte Hühnerbrust, fromm die Schnute und der Blick, fröhlich wie ein Honigkuchenpferd und frei wie der zum Sonnengruss bereite Krieger mit gebeugtem Hund.

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