Der Krieg der Worte

Die schwarze Redekunst bietet ein ganzes Arsenal von Manipulationstechniken, wie Roger Köppel in seinem aktuellen «Weltwoche»-Editorial vorführt.

Fühlte sich schon als Kind zur Macht hingezogen: Roger Köppel.

(Bild: Nils Fisch)

Die schwarze Redekunst bietet ein ganzes Arsenal von Manipulationstechniken, wie Roger Köppel in seinem aktuellen «Weltwoche»-Editorial vorführt.

Ich sah mich nie als besonderen Fan der «Star Wars»-Reihe. Dafür waren die ersten Filme schlicht etwas zu früh erschienen: 1983, als der dritte und vorerst letzte Teil in die Kinos kam, war ich gerade einmal ein Säugling. Und die zweite Trilogie, die um die Jahrtausendwende die Kinokassen zum Klingen brachte, war einfach zu schlecht, als dass sie einen nachhaltigen Eindruck hätte hinterlassen können – oder aber ich war dafür bereits wieder zu alt.

Dennoch verspürte ich einen merkwürdigen Stich in der Brustgegend, als ich beim Überfliegen des letzten «Weltwoche»-Editorials bei Roger Köppels Hommage an den ersten «Star Wars»-Film anlangte. Die geniale Leistung der Saga bestehe darin, so Köppel, dass sie sich frontal gegen den von den 1968ern geprägten Zeitgeist entwickelt habe. «Star Wars» – ein Beleg für das reaktionäre Mantra, dass es immer die alten Rezepte sind, die den Erfolg bringen.

Was ich spürte, war eine Erschütterung der Macht. Und damit meine ich nicht die metaphysische, von Auserwählten manipulierbare Kraft, die in den «Star Wars»-Filmen die Galaxis zusammenhält. Sondern die sehr reale Kraft, die unser Bewusstsein durchdringt und den Möglichkeitsraum unseres Denkens bestimmt. Die Kraft, die unsere Wirklichkeit strukturiert und strukturierbar macht: die Sprache. «Unsere Wahrnehmung bestimmt unsere Realität», wusste vor langer Zeit in einer weit entfernten Galaxie bereits Jedi-Meister Qui-Gon Jinn.

Spiel mit der Sprache

Dass Macht ausüben kann, wer das Spiel mit der Sprache und den Begriffen beherrscht, weiss auch Roger Köppel spätestens seit seiner Lizentiatsarbeit über Carl Schmitt, den «Kronjuristen des Dritten Reiches», die er Mitte der 90er-Jahre an der Uni Zürich einreichte: «Quasireligiös verabsolutiert entfalten Begriffe politische Gestaltungsmacht jenseits simpler Manipulationsmechanismen. Hatten einst Worte wie ‹Erneuerung›, ‹Wandel›, ‹Reform› oder ‹Fortschritt› Schlüsselcharakter, so schieben sich heute Begriffe wie ‹Heimat›, ‹Familie›, ‹Vaterland›, ‹Identität› oder, in unterschiedlichen Schattierungen, ‹Neutralität› in den Vordergrund.» Auch die Sprache kennt eine dunkle Seite der Macht. Die schwarze Rhetorik bietet ein ganzes Arsenal von Manipulationstechniken, rhetorischen Figuren und Kniffen.

Deren gekonnter Einsatz erlaubt es insbesondere in Rededuellen, die Oberhand zu behalten – oder zumindest beim geneigten Publikum den Eindruck zu erwecken, dass dem so sei – selbst wenn man mit den schwächeren Argumenten angetreten ist. Über Ad-Hominem-Angriffe, Strohmann-Argumente oder geschickte Ablenkungsmanöver kann eine Debatte gezielt zum Entgleisen gebracht oder auf Nebengeleise geleitet werden.

Als Kind habe er sich zum «tragischen Schurken» Darth Vader hingezogen gefühlt, schrieb Köppel 1999.

«Dr Punkt isch doch dä, dass…», war einer der Klassiker in Köppels Repertoire, das er in seinen Duellen mit Sparring-Partner Roger Schawinski auffuhr, um nicht auf dessen unangenehme Fragen oder Argumente reagieren zu müssen und stattdessen eigene Botschaften platzieren zu können. Aus gezielten Vereinfachungen, aus dem Spiel mit der Carl Schmittschen Freund-Feind-Unterscheidung, aus der Usurpation von Begriffen und kulturellen Codes – wie etwa der «Star Wars»-Reihe – lässt sich eine suggestive Macht schöpfen, die das Publikum zu überzeugen und dabei offenbar selbst die Gesetze der Logik ausser Kraft zu setzen vermag.

Roger Köppel gehört der Generation an, die den Aufstieg der «Star Wars»-Franchise hautnah miterlebt hat. Die Saga habe einen «Lichtstrahl der Sinngebung in seine freudlose Primarschülerexistenz» geworfen, schrieb er einst als stellvertretender Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», in Kindheitserinnerungen schwelgend. Anlass dafür war seine Reise an die US-Premiere von «The Phantom Menace» im Jahr 1999. In diesem Text offenbarte er auch seine heimliche Sympathie für den Erzbösewicht Darth Vader, «der in seiner schwarzen Rüstung mit Gasmaskenhelm wie ein dämonisches Dampfbügeleisen durch die Galaxien schnaufte». Insgeheim habe er sich auf seltsame Weise zu diesem «tragischen Schurken» hingezogen gefühlt, dessen der dunklen Seite der Macht verfallenes, entgrenztes Ego sich am Ende selbst zerstört.

Sehnsucht nach Orientierung

Sah er da bereits Parallelen zu den Verlockungen der dunklen Seite der Sprachmacht, mit denen er als gewandter und zunehmend erfolgreicher Schreiber immer wieder kokettierte? Vollzieht er, der im Wissen um seine rhetorische Meisterschaft Kritiker der «Weltwoche»-Berichterstattung gerne zum Rede-Duell auffordert, inzwischen einen Teil der Tragik des dunklen Lords selber nach?

Köppel, der dem Gegenüber in Diskussionen gerne moralisierende Emotionalität vorwirft, würde der hierin mitschwingenden Vorstellung des «Guten» oder «Bösen» in der Sprache wohl in gewohnt kühl-rationalem Duktus widersprechen. Und vielleicht hat der studierte Philosoph damit gar nicht so unrecht. Darth Vader ist bloss das Konstrukt einer postmodernen Konsumgesellschaft, die sich nach einer klaren manichäischen Orientierung zurücksehnt. Die Welt da draussen ist komplexer. Dieser Relativismus mag zutiefst verunsichern. Roger Köppel hat gelernt, aus dessen vermeintlicher Unverbindlichkeit argumentative Kraft zu schöpfen. Die Macht ist stark in ihm.

Roger Köppels Mit-Politikern und -Journalisten sei deshalb dringend angeraten, einen guten Rhetorik-Kurs zu besuchen und sich im Umgang mit der Macht der Sprache zu vervollkommnen. Aber hütet Euch vor der dunklen Seite der Macht und denkt an Meister Yodas Worte: «Ein Jedi benutzt die Macht zur Verteidigung. Niemals zum Angriff.»

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