Der letzte Sargnagel für das alte AKW?

Frankreichs ältestes Atomkraftwerk Fessenheim ist nach einem Zwischenfall einmal mehr vom Netz genommen worden. Die endgültige Stilllegung ist hingegen unsicherer denn je.

Wann hat Fessenheim ausgequalmt? Die erneute Abschaltung ist auf jeden Fall ein weiterer Sargnagel für das alte Atomkraftwerk. (Bild: Nils Fisch)

Frankreichs ältestes Atomkraftwerk Fessenheim ist nach einem Zwischenfall einmal mehr vom Netz genommen worden. Die endgültige Stilllegung ist hingegen unsicherer denn je.

Fessenheim kommt nicht aus den Schlagzeilen. Am Montag musste Electricité de France (EDF) bekanntgeben, der elsässische Atommeiler sei wegen eines «technischen Defektes» abgeschaltet worden. Laut EDF versagte eine Dichtung in einem Maschinenraum, der ausserhalb des nuklearen Kreislaufs liege. Zu einer Gefährdung von Mensch, Natur oder Anlage sei es in keinem Moment gekommen, liess EDF verlauten; der Betrieb solle «in den nächsten Tagen» wieder aufgenommen werden.

Der Zwischenfall erfolgt nach einem ersten und ähnlichen Dichtungsdefekt im April 2014. Er ereignete sich am Samstag, wenige Stunden nachdem EDF den zweiten der beiden 900-Megawatt-Reaktoren zu Wartungszwecken vom Netz genommen hatte. Ob dazwischen ein Kausalzusammenhang besteht, wollte EDF nicht sagen. Nicht gerade bekannt für ihre transparente Informationspolitik, vermied die französische AKW-Betreiberin damit jeden Hinweis auf die Altersanfälligkeit des Doppelreaktors.

Im Atomland Frankreich ist Fessenheim heute das Symbol, ja der Knackpunkt der ganzen Energiedebatte.

Das Elsässer Kraftwerk war 1978 in Betrieb genommen worden. Einen Kilometer von der Grenze zu Deutschland und 35 Kilometer von der Schweiz entfernt, stösst der in einer Erdbebenschneise und einem Überschwemmungsgebiet liegende Meiler seit Jahren auf Widerstand im Dreiländereck. Der Kanton Basel-Stadt und die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks forderten wiederholt die Stilllegung.

Was vom Stopp-Versprechen übrig bleibt

Im Atomland Frankreich ist Fessenheim heute das Symbol, ja der Knackpunkt der ganzen Energiedebatte. Präsident François Hollande hatte bei seiner Wahl im Jahr 2012 – das heisst noch unter dem Eindruck des Fukushima-Unglücks – den endgültigen Fessenheim-Stopp bis 2017 angekündigt. Das war Teil seines Wahlversprechens, den Anteil der Atomkraft an der französischen Stromproduktion bis 2025 von heute 75 auf 50 Prozent zu verringern.

Mittlerweile ist «Fukushima» aber im französischen Bewusstsein nicht mehr so präsent, und die einflussreiche Atomindustrie – zu der auch die heilige Kuh der nuklearen Force de Frappe gehört – arbeitet hinter den Kulissen zugunsten von Fessenheim. Das neue französische Energiegesetz von 2014 erwähnt das umstrittene AKW oder ein Schliessungsdatum mit keiner Silbe. Es sieht auch keinen Abbau der Atomstromproduktion vor, sondern beschränkt die Produktion einzig auf das heutige Niveau von 63,2 Gigawatt.

Wenn Hollande 2017 nicht wiedergewählt wird, dürfte sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin wieder den traditionellen Atomkurs steuern.

Wenn die Regierung den neuen Druckwasserreaktor EPR in Flamanville (Normandie) wie geplant 2017 in Betrieb nehmen will, muss sie als Ausgleich zwei alte Reaktoren abschalten. Am naheliegendsten wäre dabei Fessenheim. Doch Umweltministerin Ségolène Royal erklärte unlängst im Chor mit dem neuen EDF-Vorsteher Jean-Bernard Lévy, es kämen auch andere Reaktoren in Frage. Welche, sagte sie nicht.

Auch drückt sie sich heute darum, das Schliessungsdatum zu bestätigen. Nach 2017 könnte es aber zu spät sein: Wenn Hollande 2017 nicht wieder gewählt wird, dürfte sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin wieder den traditionellen Atomkurs steuern. Sollten die Arbeiten für die Stilllegung von Fessenheim bis zur Präsidentschaftswahl noch nicht irreversibel sein, könnte es gut sein, dass das Elsässer AKW weiter besteht. 

Mächtiger Energiekonzern

Die EDF hintertreibt alle Vorarbeiten für den Fessenheim-Abbau, dessen Kosten sie auf fünf Milliarden Euro beziffert. Der mächtige Energiekonzern, der gerne als Staat im Staat agiert, erreichte überdies mit subtilem Lobbying, dass das neue Energiegesetz AKW-Laufzeiten von über 40 Jahren nicht grundsätzlich untersagt. Das von den Grünen vorgeschlagene Verbot wurde in der Nationalversammlung abgelehnt.

Der neueste Defekt ist zwar ein weiterer Sargnagel für das 37 Jahre alte AKW. Aber seine ewige Ruhe hat es noch lange nicht gefunden.

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Eine Auswahl der aktuellsten Störfälle im AKW Fessenheim findet sich bei Wikipedia.

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