Der Lockruf der Mitte

Nach dem Rauswurf aus der Regierung findet sich die Baselbieter SP in der Opposition wieder. Die Juso melden bereits Führungsansprüche an. Doch für die SP könnte der Weg auch in eine ganz andere Richtung führen.

Wo lang? Die Baselbieter SP steht vor einem Richtungsentscheid. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Nach dem Rauswurf aus der Regierung findet sich die Baselbieter SP in der Opposition wieder. Die Juso melden bereits Führungsansprüche an. Doch für die SP könnte der Weg auch in eine ganz andere Richtung führen.

Oppositionspolitik nach Handbuch ist leicht gemacht: schlecht finden, was die anderen gut finden. Wenn man dann noch achtgibt, niemals den Eindruck eines Verhinderers zu erwecken, nennt man das konstruktive Opposition. Ein Terminus, der derzeit in der Baselbieter SP Konjunktur geniesst.

Nachdem die Wähler am Sonntag die Sozialdemokraten unsanft aus der Regierung spediert haben, werden in der zweitstärksten Partei Basellands eifrig Diskussionen geführt, wie man in den nächsten Monaten auftreten will. Dabei scheint das Ergebnis der Debatte bereits festzustehen.

Jedenfalls in den Augen des Juso-Mannes Jan Kirchmayr. «Wir sollten aufhören, die staatstragende Partei zu spielen. Staatstragend sind spätestens jetzt die anderen.» Kirchmayr bläst zum Angriff: «Statt Korrekturen an der verpfuschten Wirtschaftsoffensive anzubringen, müssen wir eigene Alternativen aufzeigen.» 

«Wir hätten die bürgerliche Allianz attackieren können.» – SP-Vizepräsident Christoph Hänggi.

Christoph Hänggi stützt diese Forderung, als Vizepräsident der Partei ist er mitverantwortlich für die konsensorientierte Politik seiner Partei in den letzten Jahren: «In der Wirtschafts-, aber auch in der Gesundheitspolitik hätten wir die bürgerliche Allianz angreifen können.»

Der junge Kirchmayr wird noch deutlicher: «Es war ein strategischer Fehlentscheid, dass unsere Regierungskandidaten nie hingestanden sind und deutlich gemacht haben, was alles schiefläuft und warum sie es besser machen würden. Wir waren in der Defensive und wurden für eine Politik verantwortlich gemacht, die eine bürgerliche Mehrheit zu verantworten hat. Darum sind wir gescheitert.»

Während Hänggi noch auf laufende Gespräche verweist, wie man die neue Rolle interpretieren will, reklamieren die Juso bereits mehr Einfluss für sich: «Wir wissen, wie das geht. Wir haben noch nie etwas anderes gemacht als Opposition. Die SP kann von uns lernen.»

Regula Nebiker.

Fest verknüpft mit einer Kurskorrektur ist in der öffentlichen Debatte ein Generationenwechsel. Verwiesen wird auf das überraschend starke Wahlresultat des 28-jährigen Diego Stoll in Liestal. Er erzielte hinter der SVP-Malermeisterin Sandra Sollberger das zweitbeste Ergebnis im Kanton. Dabei ist lediglich unbestritten: Stoll zählt zur nächsten Generation bei den Genossen. Doch ansonsten verbindet ihn wenig mit den Jungsozialisten.

«Das Wichtigste ist jetzt, Distanz zu gewinnen», mahnt Stoll. Bevor ein Entschluss gefasst werde, brauche es eine sorgfältige Analyse. Der gefeierte Landratsneuling hat seine Wahl geschafft, indem er mit seiner soliden Arbeit im Einwohnerrat Liestal warb.

Dass ihm ein angriffiger Oppositionskurs entspricht, darf bezweifelt werden. «Es bringt nichts, aus Prinzip dagegen zu sein, auch wenn man in der Opposition ist; auch künftig wird es darum gehen, Mehrheiten zu beschaffen», so Stoll.

SP-Fraktionschefin Kathrin Schweizer im Videointerview 

Welchen Kurs die SP einschlägt, wird auch davon abhängen, wo man Wachstumspotenzial sieht. Die Stammwählerschaft hat sich in der Landratswahl als verlässlich, aber begrenzt erwiesen. Von links droht vorerst keine Gefahr: Die zuletzt aufmüpfigen Grünen wurden deutlich geschwächt.

Neue Wählerschichten anbohren, das weiss man in der SP-Geschäftsleitung, auch wenn man es nicht öffentlich sagen darf, lassen sich in der Mitte. Bei der GLP wackelt der Boden beträchtlich, die BDP wurde an der Urne pulverisiert. Und die CVP konnte als Juniorpartnerin der Rechtsbürgerlichen nicht vom allgemeinen Rechtsrutsch profitieren.

CVP unter Druck

Obwohl ihr Finanzdirektor Anton Lauber astronomische Zustimmungsquoten aufweist, ging die CVP im Landrat leer aus. Toni Lauber wurde offenbar vor allem als Toni Lauber wahrgenommen und nicht als Vertreter seiner Partei. Wechselwähler wurden bei SVP und FDP fündig.

Mit einem Schwenk in die Mitte könnte die SP die CVP unter Druck setzen und damit den bürgerlichen Block spalten. Das sind verlockende Aussichten. Aber mit einer konsequenten Oppositionspolitik nur schwer vereinbar. 

Wie Oppositionspolitik geht, kann die SP auch von der Rechten lernen. 2011 schasste das Stimmvolk den damaligen SVP-Baudirektor Jörg Krähenbühl und wählte an seiner Stelle den Grünen Isaac Reber in die Regierung. «So kompliziert war das nicht für uns», sagt Dominik Straumann, heutiger Fraktionschef der SVP.

Daumen hoch: CVP-Finanzdirektor Anton Lauber, mit astronomischer Zustimmung im Amt bestätigt.

Daumen hoch: CVP-Finanzdirektor Anton Lauber, mit astronomischer Zustimmung im Amt bestätigt. (Bild: Hans-Jörg Walter)

«Da Landrat und Regierung damals bürgerliche Mehrheiten aufwiesen, konnten wir uns trotzdem einbringen. Und wenn wir nicht weiterkamen, gingen wir halt vors Volk», so Straumann. Ungemütlich sei nur gewesen, dass der Informationsfluss aus der Regierung fehlte. 

Über Initiativen will auch die SP weiter die Geschicke im Basler Landkanton mitbestimmen. Da die Linken nach wie vor über eine Sperrminorität verfügen, müssen die Bürgerlichen im Landrat stets mit Referenden rechnen. Dass darin eine Gefahr liegt, sieht auch Straumann. In den nächsten Tagen werde man sich mit CVP und FDP absprechen, ob und in welcher Form man die Linken einbinden will.

Eine – zumindest in der Unterschriftensammlung äusserst erfolgreiche – Volksinitiative hat die SP bereits auf den Weg gebracht. Mit «Wohnen für alle» soll günstiger Wohnraum gefördert werden. Ein Anliegen, dass durchaus in der Mitte verfangen kann. Auch der CVPler wünscht sich für seine Familie eine bezahlbare Unterkunft.

Guter alter Klassenkampf

Die Wohn-Initiative wird von Juso-Politiker Jan Kirchmayr als Schritt in die richtige Richtung betrachtet, nur mit dem Timing habe man sich vertan: «Leider ist sie zu spät gekommen, um uns zu nützen.» Die Baselbieter SP orientiert sich damit auch erstmals erkennbar an den städtischen Genossen, die das Thema Wohnen seit Jahren bewirtschaften.

Allerdings hat sich die Basler SP zeitgleich auffällig entideologisiert. Ihr letzter und erfolgreicher Wahlslogan lautete «Wohne – Schaffe – Läbe». Darunter liess sich ein durchaus linkes Programm verkaufen, aber das merkte nur, wer genau hinschaute.

Auch im Baselbiet versuchte es die SP mit einem Dreiklang. «Gerecht – Sozial – Mutig». Der tönt aber noch ganz nach dem guten alten Klassenkampf.

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