Der neue starke Mann in Belgrad

Aleksander Vucic ist der bekannteste Politiker Serbiens. Am Sonntag wird er mit grosser Wahrscheinlichkeit zum neuen Ministerpräsidenten des Landes gewählt.

Vucic begann seine politische Karriere in den frühen 1990ern als Mitglied der ultranationalistischen «Serbischen Radikalen Partei». (Bild: AP/Marko Djurica)

Aleksander Vucic ist der bekannteste Politiker Serbiens. Am Sonntag wird er mit grosser Wahrscheinlichkeit zum neuen Ministerpräsidenten des Landes gewählt. Vucic wandelten sich innerhalb kurzer Zeit vom grossserbischen Nationalisten zum glühenden Europäer.

Kommenden Sonntag wählen die Serben ihr neues Parlament. Der Urnengang wird allen Prognosen zu Folge zur Krönung des neuen starken Mannes in Belgrad, dem bisherigen Vizepremier Aleksander Vucic. Die spannende Frage dürfte dabei nur sein, wie hoch Vucic gewinnen wird und ob er für die nächste Regierung überhaupt noch einen Koalitionspartner braucht. Vucic ist der populärste Politiker des Landes. Kritiker sehen in ihm jedoch den autoritären Wolf im demokratischen Schafspelz.

Vucic begann seine politische Karriere in den frühen 1990ern als Mitglied der ultranationalistischen «Serbischen Radikalen Partei» (SRS). Es folgte ein rasanter Aufstieg. 1998 wurde er Informationsminister im Regime von Slobodan Milosevic. Ab 2000 kämpfte er in der Opposition gegen den pro-westlichen Kurs des 2003 ermordeten Premiers Zoran Djindjic und für den Schutz von Ratko Mladic vor der Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Im Jahr 2008 verlor die SRS die Wahl gegen das pro-europäische Bündnis von Boris Tadic. Vucic und der damalige Parteichef Tomislav Nikolic wandelten sich daraufhin innerhalb kurzer Zeit von grossserbischen Nationalisten zu glühenden Europäern und gründeten die Serbische Fortschrittspartei (SNS).

Ein «Macher»

Den Nationalismus seiner früheren Jahre bezeichnet Vucic heute als einen Irrtum. Nach dem Fall der Berliner Mauer hätten die Serbien die Welt nicht mehr verstanden, erklärte er kürzlich in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: «Die europäische Idee reifte, aber wir sahen es nicht.»

Bei den Wahlen 2012 erreichte die SNS auf Anhieb den ersten Platz und bildete eine Koalition mit den Sozialisten. Vucic wurde Vizepremier, Verteidigungsminster und übernahm die Führung der SNS, nachdem Nikolic zum Staatspräsidenten gewählt wurde.

Vucic präsentierte sich als «Macher», der in der Lage ist, mit den Problemen des Landes fertig zu werden, allen voran mit der grassierenden Korruption. Diese Rolle untermauerte er im Dezember 2012, als er mit Miroslav Miskovic den reichsten Mann des Landes verhaften liess. Aktionen wie diese förderten nicht nur die Popularität in der eigenen Bevölkerung, sondern brachten ihm auch das Wohlwollen aus den europäischen Hauptstädten ein.

Mediale Omnipräsenz

Zu seinen schärfsten Kritikern zählt Sasa Radulovic, sein ehemaliger Wirtschaftsminister, der im Januar dieses Jahres nach nicht einmal sechs Monaten im Amt seinen Posten hinschmiss. In seiner veröffentlichten Rücktrittserklärung warf er dem Vizepremier vor, wichtige Wirtschaftsreformen zu blockieren und Korruptionsfälle zu verschleiern, wenn es den Interessen von ihm und seiner Partei dient. Ausserdem kritisierte er Vucics autoritären Führungsstil. Er liesse in der Regierung kaum Diskussionen zu und schrecke auch nicht vor gezielten Einschüchterungsversuchen zurück.

Die serbischen Medien sind Vucic wohlgesonnen, was auch daran liegt, dass die Regierung erheblich Einfluss auf die serbischen Medien behält. Er geniesst eine mediale Omnipräsenz. Gleichzeitig nutzt er die Medien aber auch zur Diffamierung seiner politischen Gegner. Kurz nachdem Sasa Radulovic seine Rücktrittserklärung veröffentlichen liess, antwortete die staatliche Nachrichtenagentur «Tanjug» mit einem Artikel unter dem Titel «Radulovic: Die grösste Bremse für Reformen im Kabinett von Vucic».

Der Popularität von Vucic tut das jedoch keinen Abbruch. Zumindest vorerst noch nicht. Denn auf dem Weg in die EU und aus der Wirtschaftskrise stehen ihm als Premier viele unpopuläre Entscheidungen bevor. Die dafür nötige Bereitschaft zum Pragmatismus hat er, indem er als ehemaliger Verfechter des Grossserbentums den Kosovo – für viele die Wiege des Serbentums – de facto ziehen lässt, bereits hinreichend unter Beweis gestellt. Von seinen Eigenschaften als Demokrat hingegen muss er jedoch noch einige überzeugen.

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