«Der Samstagabend wäre für uns futsch»

Während die bürgerliche Seite über das Ja des Grossen Rats zu längeren Ladenöffnungszeiten am Samstag jubelt, ist das davon betroffene Verkaufspersonal konsterniert. Es hofft nun auf das Referendum.

Rasante Veränderung: Es ist noch keine zwanzig Jahre her, da hatte die Kundin im Migros-Wagen eine halbe Stunde Zeit für den Einkauf. (Bild: Martin Ruetschi/Keystone)

Während die bürgerliche Seite über das Ja des Grossen Rats zu längeren Ladenöffnungszeiten am Samstag jubelt, ist das davon betroffene Verkaufspersonal konsterniert. Es hofft nun auf das Referendum.

In kaum einer anderen Branche mischt sich die Politik so konkret in die Arbeitszeiten ein wie im Verkauf. Sie bestimmt – weil es um eine gesetzliche Regelung geht – an welchen Tagen und wie lange die Läden geöffnet sein dürfen/sollen. Als «Sieg des liberalen Geistes» feierten die Jungfreisinnigen den Entscheid des Grossen Rats, den Ladenschluss am Samstag von bisher 18 Uhr auf 20 Uhr zu verschieben. Die CVP zeigte sich «hoch erfreut», der Basler Gewerbeverband ebenso.

Erwartungsgemäss wenig begeistert kommentierte die Linke das Ergebnis: Sowohl die SP als auch die Grünen kündigten an, gemeinsam mit der Gewerkschaft Unia, der EVP und BastA! das Referendum gegen die verlängerten Ladenöffnungszeiten zu ergreifen. Und was sagen die Verkäuferinnen und Verkäufer dazu? Immerhin sind sie es, die länger arbeiten müssen.

Die Angst, sich öffentlich dazu zu äussern, ist gross beim Personal. Verständlich. Im Verkauf arbeiten mehrheitlich Frauen, oft Teilzeit; ihre Chancen auf einen anderen Job sind beschränkt. Wenn sie ihren Namen nicht bekannt geben müsse, sagt eine Verkäuferin schliesslich, dann rede sie. Das geht in Ordnung. «Wenn ich künftig auch am Samstag bis 20 Uhr arbeiten muss, ist das sozial nicht mehr tragbar», sagt sie.

Von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends

Der Samstag sei doch praktisch der einzige Wochentag, an dem man abends mit der Familie oder mit Freunden zusammen sitzen könne. Das wäre dann unmöglich, sagt die Frau, «der Samstagabend wäre futsch». Dieser Meinung seien übrigens auch alle ihre Kolleginnen. Bis man dann nach Hause komme, sei es etwa 21 Uhr, «und wer kocht dann noch für einen?»

Die Frau spricht aus Erfahrung. Seit rund dreissig Jahren arbeitet sie im Verkauf, in dieser Zeit sind die Ladenöffnungszeiten laufend ausgedehnt worden. Die Coop-Filiale in der Stadt, in der sie arbeitet, ist inzwischen wochentags bis 20 Uhr geöffnet. An manchen Tagen ist sie von morgens acht bis abends acht im Geschäft. Zum Beispiel heute. «Um die gesetzliche Arbeitszeit nicht zu überschreiten, einfach mit entsprechenden Pausen dazwischen.» Ihr Mann, der früh raus müsse, gehe um 21 Uhr ins Bett, sagt sie, und ihr 13-jähriger Sohn könne auch nicht ewig aufbleiben.

Gute Nacht

«An solchen Tagen kann ich den beiden nur noch eine gute Nacht wünschen, wenn ich nach Hause komme. Und wenn der Samstag nun auch noch dazu kommt – das geht einfach nicht.» Das von den Befürwortern des verlängerten Samstagverkaufs ins Feld geführte Argument, es würden zusätzliche Stellen geschaffen, überzeugt die Frau nicht. «Es geht doch darum, mehr Umsatz zu erreichen, und den will man garantiert nicht durch zusätzliche Personalkosten schmälern.» Nein, sie hoffe nun auf das Referendum, sagt sie, und darauf, dass das Volk wie bisher Nein zu diesem Unsinn sage.

Ein anderer, der ebenfalls wagt, seine Meinung zu sagen, ist Gion Lötscher, Verkäufer in einem Kleidergeschäft in der Innenstadt und Vater von vier Kindern. «Keiner von uns freut sich über diesen Entscheid», betont er. Einige seiner Kollegen seien geradezu schockiert deswegen. Der Samstag sei ohnehin ein sehr strenger, hektischer Arbeitstag und wenn man den noch verlängere, «haben wir nichts mehr vom Abend».

Wer profitiert?

Mit den Kindern etwas unternehmen oder mit Kollegen etwas abmachen? «Ausgeschlossen», sagt Lötscher. Zudem sinke der Erholungswert praktisch auf Null. Kompensieren unter der Woche bringe wenig, denn zwei Tage, respektive Abende hintereinander frei zu haben, sei ungleich anders. «Keine schöne Aussicht, wenn man bedenkt, dass wir in den letzten Jahren mit immer weniger Personal auskommen müssen.»

Lötscher bezweifelt ausserdem, dass der verlängerte Samstagsverkauf tatsächlich mehr Geld in die Kassen bringt. «Schon jetzt nimmt der Kundenstrom ab 17 Uhr deutlich ab, profitieren können allenfalls die grossen Geschäfte, die ein umfassendes Sortiment, inklusive Lebensmittel haben», sagt er. Aber alle Einbranchen-Geschäfte sowie die mittleren und kleineren Läden hätten kaum etwas von längeren Öffnungszeiten, ist er überzeugt. So oder so: «Irgendwann muss Schluss sein – denn das geht alles auf Kosten von uns», sagt Gion Lötscher.

 

 

 

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