Der Widerstand gegen das neue Überwachungsgesetz Büpf könnte zu ungewöhnlichen Allianzen führen.
Das Kürzel tönt niedlich. Wie der Name eines lokalen Gerichts oder eines kleinen Bergs: Büpf. Doch die geplante Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, kurz Büpf, ist nicht harmlos.
Sie beinhaltet zwei folgenreiche Anliegen der Ermittlungsbehörden: Um auch die neuen, digital verschlüsselten Kommunikationsmittel wie Skype und Whatsapp abhören zu können, wollen sie künftig sogenannte Staatstrojaner einsetzen: Viren, die sich auf dem Zielcomputer einnisten. Ein Staatstrojaner darf aber nur auf richterlichen Beschluss und bei konkretem Verdacht eingesetzt werden.
Das Ausland ist zurückhaltender
Zweitens soll gemäss der Büpf-Revision jeder Telekommunikations- und Internetanbieter die Randdaten aller Kunden ein Jahr lang speichern; bisher mussten sie diese für sechs Monate aufbewahren. Für die Anbieter hat das Investitionen in Speicherplatz und Datenmanagement zur Folge, die für eine einzelne Firma schnell in die Millionen gehen.
Dabei gerät die Vorratsdatenspeicherung international immer stärker unter Beschuss; im April hat der europäische Gerichtshof die diesbezügliche EU-Richtlinie als nicht konform mit EU-Recht erklärt.
Im Juni kam das Büpf in den Ständerat. Der NSA-Abhörskandal, der auf allen Kanälen lief, sowie der Fall um den Waadtländer Weinhändler Dominique Giroud, dem vorgeworfen wird, mit Hilfe eines Bundespolizisten Journalisten bespitzelt zu haben, schienen die Kantonsvertreter kalt zu lassen. Sie winkten die Überwachungsvorlage ohne grosse Diskussion mit nur zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen durch. Das Büpf schien ihnen mehr ein technisches Update für die Behörden zu sein als Anlass zu einer Grundsatzdebatte. SP-Ständerätin Anita Fetz, die vor der Reichweite des Gesetzes warnte, war die einsame Kritikerin.
«Vielen Parlamentariern sind die Konsequenzen des Büpf zu wenig bewusst, weil sie digital fern sind.»
In der kommenden Herbstsession, spätestens in der Wintersession, wird sich der Nationalrat mit dem Büpf befassen. Anders als im Ständerat wird es dort zu einer Grundsatzdebatte kommen. Dabei wird sich eine derzeit noch kleine, aber entschiedene Gegnerschaft zu Wort melden.
Am 26. Mai trafen sich im Bahnhofbuffet Olten Mitglieder der Piratenpartei, der PdA, aller Jungparteien sowie Vertreter der IT-Industrie. Sie gründeten ein Nein-Komitee, um schon während der Parlamentsdebatte einen Referendumsdruck aufzubauen.
Nur Grüne sind klar dagegen
Klar Position gegen die Vorlage bezogen haben bisher die politisch unbedeutenden Piraten. Für sie sind Privatsphäre und Netzpolitik ein Kerndossier. Und deshalb, wie Sprecher Denis Simonet betont, werden sich die Piraten mit aller Kraft gegen die Gesetzesänderung einsetzen. Ebenfalls gegen das Gesetz stimmen werden die Grünen. Mit Balthasar Glättli und Dani Vischer haben sie zwei Politiker in ihren Reihen haben, die sich an vorderster Front gegen das Büpf einsetzen.
Ins Ja-Lager gehört die politische Mitte um CVP und BDP. Auch die Freisinnigen werden das Büpf kaum bekämpfen. Ablehnend geäussert hat sich nur Nationalrat und Informatikunternehmer Ruedi Noser. «Vielen Parlamentariern sind die Konsequenzen des Büpf zu wenig bewusst, weil sie digital fern sind», sagt Noser. Er lässt durchblicken, dass seine Parteikollegen dem Thema Privatsphäre keine grosse Bedeutung beimessen, wenn es nicht um das Bankgeheimnis geht. «Meine Parteikollegen werde ich daran erinnern, dass der Schutz der Privatsphäre auch im Internet wichtig ist», sagt Noser.
Gespaltene SP
Schwer einzuschätzen sind die Grünliberalen. Von links heisst es, sie seien in diesen Fragen eher staatsgläubig. «Ich gewichte in dieser Frage die Sicherheit höher als die Freiheit», sagt zum Beispiel GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley. Ihr Parteikollege Beat Flach gilt aber eher als kritisch.
Spannend ist die Situation an den politischen Polen, bei der SP und der SVP. Die Sozialdemokraten sind in der Zwickmühle. Das Büpf ist eine Vorlage ihrer Justizministerin Simonetta Sommaruga – und zwar eines, das ihr am Herzen liege, wie man in Bundesbern hört. SP-Geschäfts- und Fraktionsleitung versuchen deshalb, die Vorlage durchzubringen. Im Nationalrat hat das Büpf im «rechten» SP-Flügel um Nationalrat und Rechtsprofessor Daniel Jositsch überzeugte Befürworter.
Leutenegger Oberholzer verweist auf Länder, die ihre Überwachungsgesetze stoppen: «Das wäre auch von einer sozialdemokratischen Bundesrätin zu erwarten.»
Doch die Parteibasis und die Juso hat sich an der Delegiertenversammlung Ende Juni in einer Resolution gegen das Büpf ausgesprochen. Was diese Resolution bewirken wird, ist unklar. Aber auch in der Nationalratsfraktion hat das Gesetz Gegner. «Es ist schwierig, die Position der zuständigen Bundesrätin nachzuvollziehen», sagt Susanne Leutenegger Oberholzer und verweist auf andere Länder, in denen die Überwachungsgesetze gestoppt würden. «Das wäre auch von einer sozialdemokratischen Bundesrätin zu erwarten.»
Sommaruga, hört man, versuche, widerspenstige Sozialdemokraten zu zähmen mit der Aufforderung, statt dem Büpf das Nachrichtendienstgesetz aus dem VBS zu bekämpfen, das vermutlich im Frühjahr 2015 ins Parlament kommen wird. Die Vorlage aus Ueli Maurers Departement sieht für den Nachrichtdienst einen Staatstrojaner vor, der im Gegensatz zu jenem im Büpf ohne richterlichen Beschluss und laufendes Verfahren eingesetzt werden soll.
Der Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit
Der SVP-Parteileitung bereitet das Büpf Kopfzerbrechen. Denn auch die grösste Partei des Landes ist in Überwachungsfragen gespalten; in einen Law-and-Order-Flügel und in den behördenkritischen Flügel der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns).
Auns-Präsident und Nationalrat Lukas Reimann kämpft zusammen mit der Jungen SVP aktiv gegen das Büpf. Natalie Rickli, die sich den Kampf gegen Pädophilie auf die Fahne geschrieben hat, will den Behörden die Mittel zur Verbrechensbekämpfung zur Verfügung stellen. Um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat sie in der Kommission den Antrag eingereicht, die Vorratsdatenspeicherung von zwölf auf neun Monate zu begrenzen. «Ich hoffe auf einen pragmatischen Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit», sagt Rickli.
In der Rechtskommission und im Nationalrat wird hart über den Staatstrojaner und die Vorratsdatenspeicherung verhandelt werden. Die Fronten sind keineswegs verhärtet. Nicht nur Befürworter wie Rickli, sondern auch die Gegner sind zu Zugeständnissen bereit. Der Grüne Büpf-Gegner Dani Vischer will, dass die Vorratsdatenspeicherung bedingungslos gestrichen wird. Dieser Punkt, vermutet er, sei Sommaruga nicht so wichtig wie der Staatstrojaner. Dem würde der Jurist Vischer in abgespeckter Form sogar zustimmen. «Da geht es nicht um die Datensammlung von unbescholtenen Bürgern, sondern um Ermittlungen im Verdachtsfall.» Doch wie vielen Kritikern ist ihm der Vergehenskatalog, der den Einsatz des Trojaners auch bei Betrug oder Diebstahl vorsieht, viel zu ausführlich.
Das Referendumskomitee steht bereit
Das Rennen wird bis zum Schluss spannend bleiben. Anders als bei Themen wie Migration oder Steuern ist der Schutz der Privatsphäre und Internetpolitik bei den etablierten Parteien ein untergeordnetes Thema. Es existieren kaum klare Anzeichen; viele Parlamentarier haben sich zu der Vorlage noch keine Meinung gebildet.
SVP-Nationalrat Lukas Reimann meint sogar: «Wenn man die Vorratsdatenspeicherung und den Staatstrojaner aus dem Gesetz kippen könnte, würde aus der Büpf-Revision gar ein Anti-Überwachungsgesetz werden.» Denn das neue Büpf soll die bisher unklare Rechtslage zur staatlichen Überwachung in einem Gesetz festschreiben.
Doch die Arithmetik spricht gegen dieses Szenario. Die Mitteparteien, der rechte SP-Flügel sowie der Law-und-Order-Flügel der SVP bilden eine solide Mehrheit. Noch vor der Septembersession trifft sich das Referendumskomitee deshalb Ende August, um die Unterschriftensammlung zu organisieren.
Die Büpf-Kritiker geben sich optimistisch, dass sie die 50’000 Unterschriften innert 100 Tagen sammeln können. «Mit den Jusos, der Jungen SVP und der Auns sind drei Organisationen dabei, die gut darin sind», sagt Juso-Präsident Fabian Molina.
Vermutlich werden deshalb die Schweizer das letzte Wort zum Büpf haben. Dass der Souverän der Privatsphäre einen grösseren Wert einräumt als die Politiker, zeigte sich 2009 bei der Abstimmung um den biometrischen Pass: Während das Parlament der Vorlage deutlich zustimmte, zeigte sich der Souverän kritischer: Die Vorlage ging mit 50,14 Prozent nur haarscharf durch.