Der tägliche Kampf gegen die Kälte

Vor fünfzig Jahren war Wärme noch nicht selbstverständlich, sondern bedeutete viel Arbeit.

Der Mann mit dem Koks ist da: Kohlelieferung in Basel im Jahr 1960. (Bild: Kurt Wyss)

Vor fünfzig Jahren war Wärme noch nicht selbstverständlich, sondern bedeutete viel Arbeit.

Wir haben bei der Bildauswahl über den Inhalt der Säcke zuerst ein wenig gestritten: Holz oder Kohle? Doch der Fall ist klar, es handelt sich um Heizmaterial. Und auch die Herkunft des Lieferanten ist dank der Autonummer klar: Baselland. Ausgeladen werden die Säcke aber in der Stadt – in Basel.

Das Bild entstand im Spätsommer 1960. Die Stadt bereitete sich für den Winter vor. Dem Fotografen ging es weniger um den Berg von Säcken, es ging ihm um die Menschen. «Menschen bei der Arbeit» ist ein Thema, das Kurt Wyss immer wieder beschäftigte. Heute spricht uns die Fotografie vor allem deshalb an, weil sie – wie aus einer anderen Welt stammend – zeigt, mit welchem Aufwand einst die Versorgung mit Heizwärme verbunden war. Eine Analogie wäre der Milchmann, der in noch höherem Mass jahraus, jahrein das Strassenbild prägte.

René Salathé hat 2012 einen ansprechenden Band zum Thema «Jugendjahre in der Nordwestschweiz, 1930 bis 1950» herausge­geben. Es fällt auf, dass etwa die Hälfte der über 30 Beiträge das Heizproblem thema­tisiert. Damals gab es manchmal auch «Kälteferien», weil die Schulen Heizmaterial sparen mussten.

Auch das ist eine Erinnerung: die leicht glimmende Restglut in der grauen Asche.

Auch ich habe Erinnerungen: an Holz wie an Kohle. Im Falle des Holzes an das Hineintragen der vor dem Haus deponierten Scheiterhaufen und das Errichten der Scheiterbeige. Es war Kinder- respektive Bubenarbeit. Es gab schweres Buchen- und leichtes Tannenholz. Ich erinnere mich an strapazierte Hände (es gab keine Handschuhe) und an die Kunst, die teilweise unförmigen Scheite so zu stapeln, dass die Beige leicht gegen die Wand lehnte und nicht nach vorne kippte – was mitunter passierte und die ganze Arbeit zunichtemachte.

Im Falle der Kohle erinnere ich mich an den täglichen Gang in den Keller, an den schwer zu beschreibenden Geruch und an den feinen Staub in der Luft, wenn man beim Abfüllen in den Kohlenkessel mit der Schaufel zu heftig hantierte. Für uns Kinder war Kohle einfach Kohle, obwohl es sehr unterschiedliche Ka­tegorien und Qualitäten gab. Koks erkannten wir leicht und natürlich die Briketts, für die es spezielle Behälter gab, die täglich gefüllt ­werden mussten.

Zum Pflichtprogramm gehörte nicht nur der Nachschub aus dem Keller, sondern auch das Anfeuern. Nicht zu viel Kohle, weil das Verschwendung war, nicht zu wenig, damit das Feuer nicht ausging. Auch das ist ein Erinnerungsbild: die leicht glimmende Restglut in einem Haufen braungrauer Asche. Dann das Herausschaufeln der Asche und Entsorgen im kleinen Garten. Das alles ist uns fremd geworden in der heutigen Zeit der quasi automa­tischen Wärmeversorgung.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 04.10.13

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