Der Tourismus ist eingebrochen – Ägyptens Jugend soll nun das Unternehmertum lernen

Jugendarbeitslosigkeit ist eines der brennendsten sozialen Probleme in Ägypten. Seit der Revolution wird mehr getan. Es gibt viele neue Programme, auch aus der Schweiz finanzierte. Alle sind sie auf ein Ziel ausgerichtet.

(Bild: Astrid Frefel)

Jugendarbeitslosigkeit ist eines der brennendsten sozialen Probleme in Ägypten. Seit der Revolution wird mehr getan. Es gibt viele neue Programme, auch aus der Schweiz finanzierte. Alle sind sie darauf ausgerichtet, die Chancen der jungen Leute als eigenständige Unternehmer zu verbessern. In Oberägypten bietet die Landwirtschaft interessante Nischen.

Dutzende Motorboote liegen festgezurrt auf dem Nasser-Stausee hinter dem alten Damm. Nur wenige Touristen nutzen ihre Dienste für die kurze Fahrt zum weltberühmten Isis-Tempel auf der Philae-Insel. Auch Hunderte Angestellte auf den Nilkreuzfahrtschiffen warten zu Hause auf bessere Zeiten im Tourismus. Die Arbeitslosigkeit in Assuan grassiert.

Wie im ganzen Land sind vor allem junge Leute unter 30 Jahren betroffen. Die Arabische Arbeitsorganisation rechnet mit 100 Millionen Arbeitslosen in der Region bis zum Jahr 2020 und spricht bereits heute von einem Niveau, das die soziale Harmonie und die Sicherheit gefährde. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Nordafrika war einer der entscheidenden Gründe für den Ausbruch der Revolutionen im Jahr 2011. Seither hat sie in Ägypten noch einmal um 60 Prozent zugenommen.

Alternativen zum Tourismus schaffen

In Assuan sei in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg des Konsums von Drogen wie Haschisch und Tramadol unter Jugendlichen festzustellen. Die Hoffnungslosigkeit führe zu Apathie und dazu, dass sich viele Junge an ein Leben ohne Arbeit gewöhnen würden, schildert ein lokaler Tourismusfachmann seine Erfahrungen. Viele Kaffees der Stadt ganz im Süden des Landes sind schon am Morgen gut gefüllt.




(Bild: Astrid Frefel)

Deshalb gelte es, in Assuan Alternativen zum Tourismus zu schaffen, erklärte Hazem Fahmy, Ägypten-Direktor von Care International, einer der grössten privaten humanitären Organisationen, bei der Lancierung eines Programmes zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche. Bei einer Arbeitslosenrate von etwa 26 Prozent würden 54 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, präzisierte Projektleiter Samir Sedky. Diese Werte sind doppelt so hoch wie der ägyptische Durchschnitt. Das Projekt, finanziert mit 5 Millionen Franken von der Schweiz, soll über drei Jahre Jobs und Beschäftigung für 6500 Personen schaffen.

Richtschnur aller Aktivitäten sind die Marktchancen. Datteln zum Beispiel, die in dieser Region intensiv angebaut werden, lassen sich halb-trocken und schön verpackt zu 60 Pfund das Kilo in den Geschäften verkaufen, anstelle von 10 Pfund für die hart getrockneten Variante, wie sie überall auf den Märkten angeboten werden. Treibhäuser sind ein ideales Mittel, um die Intensität der Landwirtschaft zu erhöhen. Die Produktivität ist drei bis vier Mal höher. Es wird weniger Wasser und Dünger verbraucht und die Endprodukte erzielen 20 bis 30 Prozent höhere Preise.

Jeder Feddan (0,42 Hektar) Treibhaus schafft 2 bis 3 Arbeitsplätze und 350 Tage Arbeit für Tagelöhner. Unido stellt vor allem Pilotprojekte auf die Beine. Das Interesse unter der Jugendlichen sei gross, haben die Verantwortlichen festgestellt. In Assuan und Luxor unterstützen auch die lokalen Gouverneure die Beschäftigungsprogramme mit viel Engagement.




(Bild: Astrid Frefel)

82 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen haben ein Diplom

Die Jugendarbeitslosigkeit in Ägypten hat viele Facetten. In den peripheren Gebieten sind die geringen Möglichkeiten eine Folge von jahrzehntelanger Vernachlässigung und extremer Zentralisierung und ganz generell stimmen Ausbildung und Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht überein. 82 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen haben ein Diplom oder einen Hochschulabschluss. Bei einem Einstellungstest musste die Personalchefin einer internationalen Firma feststellen, dass kaum einer der Bewerber mit Universitätsabschluss in der Lage war, Verkaufsmargen auszurechnen.

Und so steigt die Zahl der offenen Stellen, die nicht adäquat besetzt werden können. Der Chef einer Nahrungsmittelfirma beklagte sich in den Medien über den Mangel an kompetenten und geeigneten Mitarbeitern. Seine Firma hat deshalb eigene Trainingsmodule für Schulen, Restaurants und die Schule entwickelt. Auf grossen Zuspruch stiess kürzlich auch eine Veranstaltung, die Junge mit den Möglichkeiten des Franchising vertraut machte.

Herkulesaufgabe: 700’000 Jobs jedes Jahr benötigt

Auch die Regierung hat die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Jugend zu einer ihrer wichtigsten Prioritäten erklärt. Wie viele andere Programme setzt auch sie auf die Gründung und Finanzierung von kleinen Unternehmen, denn die Zeiten sind vorbei, da jedem Hochschulabgänger ein gesicherter Job beim Staat offen stand. Die Überzeugung, ein Staatsjob sei besser als einer in der Privatwirtschaft, ist aber immer noch tief verwurzelt.

Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit bleibt eine Herkulesaufgabe, denn jedes Jahr müssten allein 700’000 Jobs geschaffen werden, um die Schulabgänger aufzufangen. Aber schneller als Programme würden mehr Touristen für Arbeit sorgen, sagt ein Restaurantbesitzer in Assuan, der eben sein Lokal renoviert hat und nun hofft, dass in den Wintermonaten das Geschäft endlich kräftig anzieht.

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