Der vergessene Held des Bataclan

Ein Saalwächter des Pariser Bataclan-Lokals hatte bei den Terroranschlägen im November Dutzenden von Gästen das Leben gerettet. Dafür könnte dem Algerier jetzt die französische Staatsbürgerschaft verliehen werden.

(Bild: Screenshot BFMTV)

Ein Saalwächter des Pariser Bataclan-Lokals hatte bei den Terroranschlägen im November Dutzenden von Gästen das Leben gerettet. Dafür könnte dem Algerier jetzt die französische Staatsbürgerschaft verliehen werden.

Er nennt sich Didi, seinen Nachnamen will er nicht angeben. Er scheut das Rampenlicht und zeigt sich auch nicht im Bild. Aber seine Tat dringt langsam ans Tageslicht. Der 35-jährige Türsteher rettete im November, als drei Terroristen in das Pariser Konzertlokal Bataclan drangen und 90 Personen eiskalt erschossen, zahlreiche Leben.

Erst jetzt, zwei Monate nach der Blutnacht von Paris, wird das Ausmass seines Handelns bekannt. Eine Petition, für die in wenigen Tagen mehr als 37’000 Unterschriften gesammelt wurden, verlangt, dass die Regierung dem gebürtigen Algerier die französische Staatsbürgerschaft verleiht.
 
Verdient wäre sie allemal. An jenem Freitag dem 13. befand sich Didi vor dem Konzertlokal. Zuerst eröffnete das schwer bewaffnete Terroristen-Trio das Feuer auf die Caféterrasse vor dem grossen Saal. «Es war sofort klar, das war kein Böllerzeug, auch kein Einbruch», erzählt der Türsteher heute. «Die wollten Leute töten.»

Die Heldentaten ihrer mutigen Landsleute korrigieren das Bild. Auch deshalb heisst es in der Petition: «Es ist wichtig, den Jugendlichen in Frankreich positive Beispiele zu zeigen, mit denen sie sich identifizieren können.» Und weiter: «Es wäre ein Zeichen für den guten Willen des französischen Staates, mit der Stigmatisierung einer gewissen Kategorie französischer Bürger aufzuräumen.» Deshalb, so die Petition, solle beiden Männern zudem die Ehrenlegion verliehen werden.
 
Gemeinsam ist den zwei Lebensrettern auch ihre Bescheidenheit. «Die wahren Helden sind die Hunderten von Verletzten und dazu jene Angehörigen, die nun ohne Sohn, Tochter, Vater oder Mutter weiterleben müssen», erklärte Didi, der kürzlich geheiratet hat. Lassana – der heute als Angestellter eines Pariser Sportstadions für einen Monatslohn von 1400 Euro arbeitet – sagte schon vor einem Jahr, als ihm Innenminister Bernard Cazeneuve die Staatsbürgerschaft verlieh: «Die wahren Helden sind die Leute, die nicht nur an einem Tag Leute retten, sondern für den Frieden kämpfen wie Nelson Mandela.»

Mut ist nicht berechnend

Die Zeitung «Le Monde» erinnert daran, dass im August 2015 auch der Attentatsversuch im TGV Amsterdam–Paris dank dem mutigen Einsatz dreier Amerikaner und eines Briten vereitelt werden konnte. In einem Beitrag stellt sich die Journalistin Zineb Dryef die Frage: «Wäre ich fähig gewesen, meine Angst zu überwinden und wie sie zu handeln? Hätte ich das Zeug zur Heldin?»

Der Philosoph Michel Terestchenko antwortet: «Ein Held reagiert in jedem Fall spontan. Mut ist nicht berechnend, nicht überlegt.» Umgekehrt sei es nicht Feigheit, wenn man angesichts der Todesgefahr wie gelähmt bleibe: «Dieser extreme Stress macht einen verletzlich und ohnmächtig.»
 
Die meisten Helden, so auch die Feuerwehrleute in den Twin Towers bei den New Yorker Anschlägen von 2001, seien Berufsleute, erklärt der Pariser Spitalpsychiater Florian Ferreri: «Sie nehmen ihre Funktion wahr und handeln sozusagen unter ihrem Schutz. Es ist ihre Art, das Ereignis nicht einfach passiv zu erleiden und davon überwältigt zu werden.» Das Gleiche gilt für Didi und Lassana. Ihrer Leistung tut es keinerlei Abbruch.

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