Deshalb muss Thomas Kessler gehen

Der scheidende Regierungspräsident Guy Morin hat Thomas Kessler vor die Tür gestellt. Das zeigen Recherchen der TagesWoche zum Abgang des Stadtentwicklers. Seine Absetzung gibt in der Politik zu reden.

Nach acht Jahren kommt Guy Morin zum Schluss, dass Thomas Kessler eine Fehlbesetzung ist: Der Stadtentwickler muss gehen.

(Bild: Nils Fisch)

Am Anlass hat es nie gefehlt, Thomas Kessler vor die Tür zu stellen. Die Verfehlungen des Stadtentwicklers sind reich dokumentiert – zumindest bei jenem Mann, der das Personaldossier von Thomas Kessler führt: bei Regierungspräsident Guy Morin.

In regelmässigen Abständen musste sich Kessler von Morin tadeln lassen. Mehrere Male verhängte Morin Redeverbote, einmal desavouierte er seinen Chefbeamten in aller Öffentlichkeit, als er ihm vor dem Grossen Rat personalrechtlich relevant einen Verweis erteilte. Zuvor hatte Kessler SP-Regierungsrat Christoph Brutschin aufgebracht, als er vorschlug, man solle den Läden an der Schifflände zugestehen, am Sonntag geöffnet zu haben. Kessler verstand das als Idee zur Belebung der Innenstadt, Brutschin und Morin sahen es als abmahnungswürdige Kompetenzüberschreitung.

Schlussstrich nach acht Jahren

Jetzt hat Guy Morin einen doppelten Schlussstrich gezogen unter eine acht Jahre dauernde, zunehmend schwierige Beziehung. Das ergaben Recherchen der TagesWoche, die mit Personen gesprochen hat, welche die Hintergründe der heute kommunizierten Trennung kennen.

In der am Mittwoch kurz vor Mittag verschickten Medienmitteilung heisst es einigermassen kryptisch, Morin sei zusammen mit Kessler zum Schluss gekommen, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, «das Präsidialdepartement gemeinsam zu verlassen».

Diese Aussage entspricht nicht der gesamten Wahrheit: Morin hat Kessler einbestellt und ihm mitgeteilt, er sei eine Fehlbesetzung für den Posten als Stadtentwickler. Er habe es in acht Jahren nie geschafft, seiner Abteilung ein Gesicht zu geben. Und er habe die Vernetzung mit Schlüsselstellen in anderen Departementen sträflich vernachlässigt.

Den Entscheid fällte Morin alleine. Weder seine Nachfolgerin Elisabeth Ackermann noch die Gesamtregierung wurden von seinen Absichten ins Bild gesetzt. Dennoch spielte seine Nachfolgerin eine wichtige Rolle in Morins Überlegungen: Er will ihr einen möglichst konfliktarmen Start mit möglichst viel Gestaltungsfreiheit ermöglichen.

Abschiedsbrief ans Team

Weder Kessler noch Morin wollen sich zu den Vorgängen äussern. Kesslers Mitarbeiter in der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung erfuhren heute, wenige Stunden vor der Medienmitteilung, von seinem Abgang. In einem Schreiben mit dem Titel «Nach 30 Jahren GO (wieder) in die NGO / Privatwirtschaft» (GO= Governmental Organisation, die Red.) verabschiedet sich der Spitzenbeamte von seinem Team.

Darin kündigt Kessler an, er werde sich womöglich in Zukunft wieder «vermehrt national und international betätigen». Über seine Pläne werde er später informieren. Dann gibt Kessler seine Darstellung der Stadtentwicklung wieder, die eine andere ist als jene von Amtsvorsteher Morin:

«Sie [die Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung] gilt beim Bund und in der Fachwelt als Referenz für Fragen der Kohärenz und Innovation, die Fachstellen stehen für Nachhaltigkeit, Integration, Partizipation, Quartier- und Wohnraumentwicklung.»

Trotzige Schlussbilanz

Kessler lässt seine Erfolge in fast 30 Jahren Staatsdienst Revue passieren: von der Heroinabgabe (die er als Drogendelegierter entwickelte) über das Integrationsgesetz bis zum Wohnraumfördergesetz. Es ist eine Schlussbilanz, die Thomas Kessler zieht.

Sie liest sich auch ein bisschen trotzig: So schlecht, wie ihr mich immer geredet habt, war ich nicht.

Reaktion aus der Politik: Ein Abgang, der zu reden gibt

Das Ausscheiden von Thomas Kessler als Kantons- und Stadtentwickler ist das Gesprächsthema im Grossen Rat. SP-Grossrat Tobit Schäfer bezeichnet es als grosse Chance für Guy Morins Nachfolgerin Elisabeth Ackermann, die Position der Leitung Kantons- und Stadtentwicklung neu besetzen zu können:

«Kessler holte sich zu seiner Zeit als Drogendelegierter verdient viele Lorbeeren, als Kantons- und Stadtplaner konnte er nicht mehr so viel erreichen. Er sorgte immer wieder für Aufmerksamkeit, aber es gelang ihm nicht, alle an der Stadtplanung Beteiligten an einem Strang ziehen zu lassen.»

LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein zeigt sich befremdet über die Art und den Zeitpunkt der Ankündigung von Kesslers Abgang:

«Man wusste ja, dass Morin und Kessler kein harmonisches Gespann waren, aber eine Trennung unmittelbar vor Ablauf einer Regierungszeit dünkt mich problematisch: Müssen Chefbeamte nun damit rechnen, dass sie mit dem Abgang eines Regierungsrats auf die Strasse gesetzt werden?»

Kessler selber erlebte sie als «streitbaren» Typ, der aber wiederholt innovative und ausgesprochen interessante Ideen zur Diskussion gestellt habe.

CVP-Grossrätin Beatrice Isler zeigt sich überrascht über die Mitteilung von Kesslers Abgang:

«Es war bekannt, dass es zwischen Morin und Kessler atmosphärische Störungen gab, für mich ist es aber befremdend, dass dieser schwerwiegende Entscheid just zum Ende der Amtszeit gefällt wurde.»

Kesslers Auftreten als Kantons- und Stadtentwickler empfand sie als «nicht immer sehr diplomatisch, aber letztlich doch als erfrischend ehrlich».

Michael Wüthrich vom Grünen Bündnis zeigt sich ebenfalls überrascht vom Zeitpunkt des Entscheids – «zumal er offenbar nicht mit Morins Nachfolgerin Elisabeth Ackermann abgesprochen war, wie sie mir glaubhaft gesagt hat». Er selber hätte als Regierungsrat Kessler an eine kürzere Leine genommen:

«Ich hätte darauf bestanden, dass ich als Regierungsrat die massgebenden Aussagen mache und nicht er als Chefbeamter.»

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